ANNE WANNER'S Textiles in History / books

 
   
  STUDIEN ZU DEM ANTEPENDIUM "MITT DEN SIBEN ZITEN UNSERS HERREN" AUS DEM KLOSTER KÖNIGSFELDEN (BERN, HISTORISCHES MUSEUM), TEXTBAND und ANHANG,
Schriftliche Hausarbeitzur Erlangung des Grades einer Magistra Artium
Vorgelegt der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln

von CHRISTIANE MARTINA ELSTER
Erstgutachterin PROF. DR. SUSANNE WITTEKIND

Köln, den 30. Mai 2006 (überarbeitete Fassung vom 25. November 2006)
Die Arbeit wurde im Jahre 2007 mit dem Fakultätspreis der Philosophischen Fakultät der Universität Köln ausgezeichnet.

Kontakt: Kunsthistorisches Institut der Universität Köln.
In der dortigen Bibliothek befindet sich ein Exemplar der Magisterarbeit.
   
 

(Foto: Historisches Museum Bern)

  Die Magisterarbeit liegt in 2 Teilen vor.
Im 1. Teil stellt die Autorin bisher gemachte Aussagen zum Altarbehang vor, sie stellt Thesen auf und diskutiert diese mit Hilfe von schriftlichen Quellen aus dem ehemaligen Kloster Königsfelden und mit erhaltenen Teilen der Ausstattung des Chores der Klosterkirche. Ein eingehendes Literaturstudium mit anschliessenden, unzähligen Vergleichen mit der vorliegenden Stickerei, unterstützt frühere Erkenntnisse und festigt neue Aussagen.
Der 2. Teil wird eingeleitet von einer präzisen Beschreibung des Antependiums, betreffend Material, Technik und Erhaltungszustand. Im Übrigen ist er den Abbildungen in Farb Reproduktion gewidmet. Hier sind auch die Muster der Goldgründe in schematischer Umzeichnung wiedergegeben.
Das Antependium misst 90 x 318 cm, es besteht aus einer 70cm hohen Stickerei und einem Überhang, der 18 x 292 cm misst. Es setzt sich aus verschiedenen Leinenstücken zusammen.
Jede der 7 Szenen wurde auf ein eigenes Leinenstück mit Seiden-, Gold- und Silberfäden gestickt, schmalere Stücke aus gröberem Leinen sind zwischen die Szenen gesetzt.
Die Stickerei ist an manchen Stellen ausgefallen, dort zeigt sich die bis ins kleinste Detail festgelegte Vorzeichnung. Die Hintergründe der Stickerei wurden in Anlegetechnik mit Goldfäden gestaltet, die Szenen mit Seidenfäden in Spaltstich ausgeführt und der Leinengrund vollkommen überstickt.

       
 
Detail des Gebets in Gethsemane
 
Detail mit schlafenden Jüngern in Gethsemane
     

(Foto: Historisches Museum Bern)

  Im 1. Textband
legt Christiane Elster in der Einleitung Fragestellung und Zielsetzung ihrer Arbeit dar. Sie weist auch darauf hin, dass in der bisher erschienen Literatur über den Entstehungsort des Antependiums lange Uneinigkeit herrschte. Erstmals schlug Betty Kurth 1929 Wien als Herstellungsort vor. Vergleiche mit der Tafel- und Buchmalerei aus dem Umkreis von Wien, besonders mit Werken aus der Zeit des Klosterneuburger Abtes Stephan von Sierndorf (ab ca. 1330-35) können diese Zuweisung bestätigen.

Das Königsfelder Antependium ist im Königsfelder Kirchenschatzinventar von 1357 als Schenkung von Herzog Albrecht II. erwähnt. Ein weiteres vom selben Auftraggeber gestiftetes Antependium in Gaming ist heute nur durch einen Kupferstich überliefert, bietet aber in der Frage der Datierung wertvolle Hilfe. Herzog Albrecht residierte von 1330-58 in Wien und könnte beide Antependien von dort in Auftrag gegeben haben.

Wiener Seidensticker sind erstmals zu Beginn des 15. Jhs. schriftlich bezeugt. Die Autorin
 
weist nach, dass die Wiener Seidensticker zu einer Gruppe der Malerzunft gehörten, und unterstreicht damit die Nähe, ja Ebenbürtigkeit von Nadelmalerei und Tafelmalerei.

Interessant sind Christiane Elsters Ueberlegungen zu den Möglichkeiten der Sticktechnik:
Die in der Fläche nebeneinandergesetzten Stickstiche bewirken ein differenziertes Spiel des Lichts, plastische Effekte treten zwar als Relief auf, bleiben aber wie die Goldgründe der Linie verhaftet.
Die Autorin sieht darin ein wechselseitiges Anregungsverhältnis von verschiedenen Techniken: währenddem sich die Malerei grundsätzlich vorbildhaft zeigt, bietet die Sticknadel zusätzliche Ausdrucksmöglichkeiten, die über die Pinseltechnik hinausgehen. Im Vergleich mit der Glasmalerei sind in der Stickerei nuanciertere Farbgebungen und fliessendere Uebergänge möglich, und der besondere und schimmernde Glanz von Seiden- und Goldstickerei stehen im Gegensatz zur steinernen Architektur der Klosterkirche.
       
 
  Ein wichtiger Teil ist der Analyse des Antependiums gewidmet:
es handelt sich um ein Altarantependium mit einreihiger gleichartiger Folge von Christusszenen mit zentraler Kreuzigung. Zunächst geht die Autorin auf die Rahmenarchitektur ein und widmet sich darauf der genauen ikonographischen Analyse der sieben Szenen und des Überhangs:
Gebet in Gethsemane, Christus vor Pilatus, Kreuztragung Christi, Kreuzigung, Himmelfahrt Christi, Marienkrönung, Wiederkunft Christi am Ende der Zeiten. Der Ueberhang zeigt die Inthronisation der gekrönten Gottesmutter Maria.

Die zentrale Aussage des komplexen theologischen Programms liegt im Kreuztod Christi als Sühneakt. Sühne und Opfergedanke stehen im Zusammenhang mit dem Kloster Königsfelden, das als Sühnestiftung für den Mord an König Albrecht I. entstand. Dieser Bezug zum historischen Kontext weist auf die spezielle Konzeption der Stickerei für Königsfelden.

  Ein letzter Teil der Arbeit geht der Funktion des Antependiums nach. Hier befasst sich Christiane Elster zunächst mit dem historischen Umfeld: der Grundstein für das franziskanische Doppelkloster Königsfelden wurde kurz nach dem Königsmord gelegt. Das Kloster sollte an den ermordeten König erinnern (memoria), und diente darüber hinaus als habsburgisches Familienstift zum Seelenheil der gesamten habsburgischen Familie. Seit 1316 führte die Königinwitwe Elisabeth und seit 1318 deren Tochter Agnes die Stiftung. Albrecht II. verwaltete seit 1326 die habsburgischen Vorlande und arbeitete mit seiner Schwester Agnes zusammen.

Im Kirchenschatzverzeichnis von 1357 ist das Antependium ausführlich und als dem "fronaltar" zugehörig, beschrieben. Auch deuten die Masse des Antependiums auf die Zugehörigkeit zum Hochaltar.
Der Hochaltar, der dem heiligen Leib und Blut
Christi, dem heiligen Kreuz sowie Maria und allen Heiligen geweiht war, erhob sich gemäss zeitgenössischen Quellen an der Stelle des Königsmordes an Albrecht I., er ist heute nicht mehr erhalten, doch ist es möglich, den Ort zu rekonstruieren.
 
Ein anderes Antependium aus Königsfelden, mit Kreuzigung und Heiligen, hat dieselben Masse wie das Antependium "mitt den siben ziten unseres herren",
es ist heute ebenfalls im Historischen Museum Bern erhalten. (Foto: Historisches Museum Bern)
 
       
  Das Antependium wird nun mit den erhaltenen Teilen der Chor-Ausstattung der ehemaligen Klosterkirche Königsfeldens verglichen.
Der Chor war durch den Lettner
von der übrigen Klosterkirche abgetrennt und für das Studengebet der theologisch gebildeten Konventualen bestimmt. Das genau hinter dem Hochaltar befindliche Fenster mit Glasmalereien zeigt ebenfalls Szenen aus der Passion Christi. Die Chorverglasung wurde kurz vor 1340 in Angriff genommen und spätestens 1345 vollendet.

Ein weiterer Abschnitt behandelt das Programm des Antependiums und dessen Beziehung zur spätmittelalterlichen Stundenliturgie, die (zumindest in grossen Teilen) im Chor der Klosterkirche vollzogen wurde.
Die Bezeichnung des Objekts als „altertuch […] mitt den siben ziten unsers herren" im Königsfelder Schatzverzeichnis von 1357 weist auf die sog. Tageszeiten oder Stundengebete. Damit sind die jeden Tag sieben Mal durch die Konventualen (Franziskaner und Klarissen) gehaltenen Gebetszeiten gemeint.

Es gibt bereits im frühen Mittelalter theologische Auslegungen zur Stundenliturgie, die in der Regel Teilzyklen aus dem Leben Christi wie Passion oder Auferstehung beinhalten. Das Königsfelder Antependium zeigt dazu keine direkten Entsprechungen. Es beginnt zwar mit einem Passionszyklus, das Bildprogramm spannt aber darüber hinaus, über die himmlische Herrschaft Christi bis zur Wiederkunft am Ende der Zeiten, einen Bogen bis zum Ende der Heilsgeschichte. Christiane Elster vermutet, dass das primär auf den mit dem Gründungskontext Königsfeldens verbundenen Sühnegedanken hin konzipierte, aber sehr offen angelegte Bildprogramm von den Franziskanern und Klarissen im Kontext der Stundenliturgie rezipiert und dabei auf diese hin „umgedeutet“ wurde.
  Im Schlusskapitel werden die Ergebnisse zusammengefasst: die herausragende Qualität des Werkes zeigt sich in der Perfektion der technischen Ausführung und im hochkomplexen theologischen Programm. Die Einordnung in den Umkreis von Wien und die Datierung zwischen 1342 und 1357 konnten bestätigt werden.
Inhaltlich sind zwei Szenenfolgen aus Passion und Verherrlichung Christi einander gegenübergestellt, sie untermauern die Bedeutung der zentralen Szene, der Kreuzigung, als Sühneereignis. Dieses Zentrum wird auch formal betont, durch den hexagonalen Baldachin, wie durch das besonders komplexe Muster des Goldgrundes.
Das Antependium war am Hochaltar, dem liturgischen und räumlichen Mittelpunkt des Chores der Königsfelder Klosterkirche angebracht und ist in das gesamte Chorprogramm einbezogen.

Die erhaltenen Quellen geben keine Auskunft über die möglichen Anlässe der Aufhängung, es könnten mit der Gründung von Königsfelden verbundene Feste gewesen sein

Die Stickerei zeigt keine auf König Albrecht I. oder den Schenker Herzog Albrecht II. verweisenden heraldischen Darstellungen oder Inschriften, damit wird eine allgemein heilsgeschichtliche Ausrichtung betont und das mobile Objekt für vielfältige Verwendungsanlässe offen gehalten, die sich an den dargestellten Szenen orientiert haben dürften.


 

Abbildungsrechte beim Historischen Museum Bern.


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