ANNE WANNER'S Textiles in History / books

 
  Der heilige Schatz im Dom zu Halberstadt,
Hg. Harald Meller, Ingo Mundt, Boje E. Hans Schmuhl, Fotos Juraj Lipták, 2008 Regensburg Verlag Schnell & Steiner Gmbh, 436 pages, in german language, lavishly illustrated with a wide range of coloured photographs. Euro 69.00
ISBN 978-3-7954-2117-5
 

http://www.schnell-und-steiner.de/

  Authors:
Elisabeth Antoine, Ute Bednarz, Heidrun Blöcher, Sebastian Bock, Michael Brandt, Beate Braun-Niehr, Patrizia Carmassi, Aliza Cohen-Mushlin, Almuth Corbach, Eva Thommes-Fitz, Hans Fuhrmann, Alice Gudera, Eva Thommes-Fitz, Christian Hecht, Katharina Hinz, Petra Janke, Norbert Jopek, Martina Junghans, Olaf Karlson, Ulrike Koenen, Olga Kotkovâ, Jens Kröger, Thomas Labusiak, Andrea Lermer, Jochen Luckhardt, Gerhard Lutz, Ursula Mende, Klaus Niehr, Cecilia Olovsdotter, Karel Otavsky, Michael Peter, Barbara Pregla, Anja Preiß, Anna Rapp Buri, Thomas Richter, Jörg Richter, Elisabeth Rüber-Schütte, Monique de Ruette, Anna Schaich, Reinhard Schmitt, Regula Schorta, Irina Seekamp, Claudia Sode, Gudrun Sporbeck, Annemarie Stauffer, Monika Stucky-Schürer, Gia Toussaint, Johannes Tripps, Erik Ernst Venhorst, Hiltrud Westermann-Angerhausen, Evelin Wetter, Harald Wolter von dem Knesebeck, Andrea Zimmermann.

 
  Das zentrale Anliegen des vorliegenden Bandes ist es, den Domschatz einer breiten Leserschicht zugänglich zu machen. Mit einer Vielzahl brillanter neuer Gesamt- und Detailaufnahmen des Fotografen Juraj Liptâk werden die Kostbarkeiten zu einem Erlebnis. Diese Bilder, zusammen mit den von ausgewiesenen Fachleuten verfassten Texte sollen den Wunsch wecken, Halberstadt und seinen Dom mit dem Domschatz zu besuchen.

Die inhaltlich Seite lag in den Händen von Frau Barbara Pregla, die redaktionelle Aufgabe und das Lektorat hatte Frau Anja Preiss übernommen und die Gestaltung erarbeitete die Designerin und Buchgestalterin Frau Marion Burbulla.


Vorwort und Einleitung gehen ein auf die Baugeschichte von Dom und Domschatz zu Halberstadt. Des Weiteren ist der Band als Katalog für 120 Kunstwerke gestaltet. Davon sind 15 Objekte erstmals publiziert. Diese Werke werden in ihren liturgisch- funktionalen Zusammenhang gestellt, um dem Leser die mittelalterliche Frömmigkeit näher zu bringen. Auch soll ein Einblick in die Zusammenhänge zwischen den erhaltenen Kunstwerken und ihrem mittelalterlichen Gebrauch im Halberstädter Dom vermittelt werden.
Der zeitliche Schwerpunkt liegt auf den Werken des frühen und hohen Mittelalters.
  Die Gegenstände wurden, soweit möglich, nach funktionalen Kriterien gruppiert. - Reliquien und Reliquiare, die Vasa sacra und non sacra, liturgische Handschriften, liturgische Paramente, Altäre und Andachtsbilder sowie Gegenstände der Ausstattung des Domes.

Der Katalog gibt ausgewählte Objekte wieder (der Gesamtbestand ist etwa fünfmal grösser). Er ist in sechs inhaltliche Schwerpunkte
gegliedert, die in kompakter Form das Wichtigste über die Kunstwerke präsentieren:
- Der eigentliche Schatz der Kirche, d.h. die Reliquien der verehrten Heiligen
- Die während der Messefeier benutzten Gegenstände
- Die Bücher, die als solche Verehrung genossen
- Der Paramentenbestand, d.h. Textilien im liturgischen Gebrauch
- Die beiden letzten Kapitel sind der Ausstattung des Kirchenraumes gewidmet


Drei Institutionen, die auch in der vorliegenden Publikation zusammenarbeiteten, nehmen die Bewahrung, die Pflege und die Präsentation der Kirchenschätze gemeinsam wahr, es sind dies:
- das Evangelische Kirchenspiel Halberstatt
- die Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen Anhalt und
- das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie

   
           
  Zwei Einführungen zur Geschichte und Baugeschichte des Doms sowie zur Bedeutung und Einzigartigkeit des Halberstädter Domschatzes von Barbara Pregla, Jörg Richter, Reinhard Schmittgehen der Präsentation der Kunstwerke voraus.

Im Jahr 859 ist eine erste Weihe der Kathedrale dokumentiert. Nach dem Einsturz der karolingischen Basilika wurde 974 der ottonischen Bau und 992 ein Neubau geweiht. In darauf folgenden Kriegszeiten erlitt dieser Bau Schaden. Diese Zerstörungen konnte Bischof Konrad von Krosigk in seiner Amtszeit beheben, aber erst im Jahr 1220 erfolgte die Weihe des nun gewölbten Baus.

Kaum 20 Jahre darauf begann man mit dem Neubau des gotischen Domes (1236/39-1491). Grund scheint im Repräsentationsbedürfnis des Halberstädter Bischofsstuhls gelegen zu haben.
Kleinere Bauten im spätgotischen Stil entstammen dem 16. Jahrhundert.

Es folgten drei Jahrhunderte ohne grosse Veränderungen, bis zur Zerstörung des Domes zu Ende des 2. Weltkrieges im April 1945. Der Wiederaufbau zog sich hin bis ins Jahr 1959.
  Der Domschatz von Halberstadt hat sich bis heute erhalten und schwierige Zeiten, wie Krieg, Plünderung, Säkularisation überstanden. So ist hier ein einzigartiges Ensemble zu bewundern, das zu den weltweit umfangreichsten und kostbarsten Kirchenschätzen zählt.

Der Domschatz bildete durch die Jahrhunderte eine Einheit mit dem Dom. Der Schatz blieb erhalten, weil das Domkapitel über die Reformation hinaus weiter bestehen blieb. Als jenes während der Säkularisation um 1810 aufgelöst wurde, legten zwei Domherren überzeugend dar, dass ein Verkauf des Schatzes keinen bedeutenden Vorteil erbringen würde, und somit blieb dieser als Ganzes erhalten.
Im 2. Weltkrieg erlitt der Schatz keine Verluste
und am Ende des Krieges entdeckten auch die Aliierten die ausgelagerten Bestände nicht.

Im Jahre 1959 wurde das Dommuseum wieder eröffnet. Für die Betreuung erwies sich eine neue Grundlage als nötig. Ihre Erarbeitung begann 1996 und führte zu einem Sanierungsprojekt seit 2004. Am 13. April 2008 konnte die Neuausstellung eingeweiht werden.
   
 
           
  Zum 1. Kapitel verfasste Jörg Richter die erklärende Einleitung. In Halberstadt bilden Heiltum und Reliquien den Kern des Domschatzes. Die Menschen waren davon überzeugt, dass die Kraft der Heiligen auch in Reliquienhüllen fortwirke. Kostbare Stoffe dienten zur Umhüllung von Gebeinen der Heiligen oder die Gewebe waren mit ihnen auf andere Weise in Berührung gekommen.

In einem im Hochaltar verwahrten Bleikasten fand sich ein kostbarer Seidenstoff aus Mesopotamien, der schon zum Reliquienbestand von 992 gehört haben könnte. Karel Otavsky, Autor des entsprechenden Katalogeintrags, erklärt die Bedeutung dieses in Wirktechnik gearbeiteten Stoffstückes.
 

Schlitzwirkerei, Mesopotamien, 10. Jh., 43x45,5cm (Kat.Nr. 1 - Inv.Nr. 318)
   
           
 
  Für die Textilgeschichte von besonderem Interesse ist das 4. Kapitel, das sich mit den liturgischen Paramenten zur Ausschmückung des Gottesdienstes befasst. Im einleitenden Kapitel erklärt Barbara Pregla Name und Funktion der einzelnen Paramente, und erwähnt, dass die Mehrzahl der in Halberstadt aufbewahrten kirchlichen Textilien aus dem späten Mittelalter stammt. Heute handelt es sich um etwa 30 Gewänder, der spätmittelalterlicher Bestand war mit Sicherheit reichhaltiger.


Frühe Inventarverzeichnisse von 1465 und aus dem 16. Jh. sind zwar vorhanden, doch lassen sich die erhaltenen Textilien hier nicht zuordnen.
Der Textilkatalog umfasst die Nummern 55 bis 93 und von diesen vorgestellten Stoffen sind ungefähr die Hälfte ganz oder teilweise mit Stickerei und mit Perlenstickerei verziert.

  Die frühesten Kirchengewänder stammen aus dem späten 12. und aus dem 13. nachchristlichen Jahrhundert. Gemäss Beschreibung wurde als Sticktechnik die versenkte Anlegetechnik verwendet. Diese Sticktechnik findet sich vor allem in England bei den sog. "opus anglicanum" Stickereien.
Herkunft der beiden roten Dalmatiken, die eine mit goldgestickten Löwen (Nr. 58), die andere, etwas später entstandene mit hirschejagenden Kentauren (Nr.59), sind nicht gesichert. Doch werden sie in der Literatur als englisch bezeichnet, weil ihre Ziertechnik, die versenkten Anlagestickerei, in England häufig geübt wurde. Die blaue Kasel mit den goldgestickten Adlern (Nr. 62) zeigt auf den Binnenflächen der Stickerei geometrische Muster, die im englischen Raum unbekannt sind, die aber in reichen Variationen in Niedersachsen vorkommen. Man kann vermuten, die versenkte, oder eine mit ihr verwandte Anlegetechnik sei im niedersächsischen Raum geübt worden.

   
 

Dalmatika mit goldgestickten Löwen (Kat.Nr. 58)
 

Dalmatika mit hirschejagenden Kentauren (Kat.Nr. 59)


Kasel mit goldgestickten Adlern (Kat.Nr. 62)
 
           
 



   
  Mittels Detailaufnahmen zu den obigen Priestergewändern lässt sich eine Vorstellung der verwendeten Sticktechnik gewinnen.   Die drei Abbildungen weisen auf eine Flachstichtechnik mit kurzen, in Reihen angeordneten oder zu dekorativen Mustern zusammengestellten Einzelstichen hin.   Hinweise zur Verwendung der versenkte Anlegetechnik könnte eine Untersuchung der Gegenseite der Stickerei erbringen. In dieser Publikation sind solche Erläuterungen nicht angeführt.
 
           
  Die Glockenkasel (Kat.Nr. 60) wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Messefeier am 1235 eingerichteten Euphemia Altar gestiftet. Dies wird vermutet auf Grund von zwei applizierte Bildplatten auf der Gewandrückseite, aus dem 2. und 3. Viertel des 13. Jahrhunderts, die ganz mit Stickerei bedeckt sind. Die Heiligennamen "Michael" und "Euphemia" sind eingearbeitet. Die Stickereien wurden wahrscheinlich nachträglich auf das etwas ältere Messgewand appliziert.

Bischof von Krosigk (1201-1208) brachte vom 4. Kreuzzug aus Konstantinopel einen Arm der Heiligen mit, dies ist in der Schenkungsurkunde von 1208 erwähnt. Heute ist die Reliquie verloren, doch gab sie Anstoss für eine spezielle Verehrung der Heiligen im Halberstädter Dom.
   

Detail der Bildstickerei mit der Heiligen Euphemia in Anlegetechnik und Spaltstich
           
  Aus Glockenkasel (Kat.Nr. 60):
Einfassung des Halsausschnittes mit Maiestas Domini, frühes 13. Jahrhundert
   
 
           
  Darstellungen von Heiligen und biblische Szenen (Kat.Nr. 61): sind auf einer Glockenkasel und auf Stola und Manipel wiedergegeben. Ob diese Ornatteile zusammengehörten ist unbekannt. Die Gold- und Seidenstickereien stammen aus dem 13. Jahrhundert. Aehnliche Szenen finden sich in der zeitgenössischen Buchmalerei, auch in Handschriften des niedersächsischen Raumes. Deshalb kann man vermuten, in derselben Region seien auch Stickereiwerkstätten angesiedelt gewesen.    
      Katalog Nr. 61: Detail aus der Kaselrückseite, Stab mit der Geburt Christi, Niedersachsen, 2.-3.Viertel 13. Jahrhundert   Sticktechnik: auf naturfarbenem Leinen vergoldeter Silberfaden in Anlegetechnik, Seidenfäden in Spaltstich
 
           
  Aus dem späten 13. Jahrhundert und aus der Mitte des 14. Jahrhunderts haben sich zwei flächendeckend mit Stickerei verzierte Decken erhalten. Aehnliche Stickereien finden sich in niedersächsischen Sammlungen und auch die Vergleiche mit Buchmalerei weisen auf eine Entstehung im Gebiete Niedersachsens.

Das ältere Tuch (Kat. 82) besteht aus Leinwand und ist mit verschiedenfarbenen Seidengarnen in musterbildenden, abgezählten Flächenstichen bedeckt. Hintergründe wurden als Doppeldurchbruch gearbeitet. Die zentrale Darstellung zeigt die Kreuzigung Christi. Zu beiden Seiten sind in 3 Reihen je 18 Medaillons angefügt.

   
           
  Das jüngere Tuch (Kat. 85) schmückte als Altardecke den Hochaltar im Chorraum. Auch hier kommen kleinteilige und flächendeckende Muster in Zählstichen vor. Die Decke ist aus mehreren Teilen zusammengesetzt. 18 quadratische Felder, in drei Reihen angeordnet und miteinander durch Goldborten verbunden, liegen auf der Altarfläche. Sie zeigen Szenen aus dem Leben Christi.
Weitere Teile des Atlartuchen hängen an den Seiten herab. Hier sind aufrecht stehende, seitlich von stilisierten Bäumen gerahmte Figuren wiedergegeben.
   

           
 
           
  Eine Rezension mit Schwergewicht auf den Textilen Schätzen im Halberstädter Dom wäre unvollständig, ohne die romanischen Bildteppiche einzubeziehen, handelt es sich dabei doch um die ältesten erhaltenen Bildteppiche in der Technik der Wirkerei überhaupt. Ihre Herstellung in Halberstadt wird vermutet. In der vorliegenden Publikation ist ihnen eine besondere Einführung von Anja Preiss und Hans Fuhrmann gewidmet. Der Abraham-Engelteppich, mit ihm das Einzelbild des Erzengels Michael , und der Christus Apostel-Teppich, (Kat.Nr. 88-89) verzierten bis zum 2. Weltkrieg die Rückwände des Chorgestühls. Der Karlsteppich (Kat.Nr. 92) hing an der Chorschranke über dem Levitensitz.

  Der Teppich mit Szenen aus der Geschichte Abrahams (Kat.Nr. 88) ist ca. 10 m lang und etwa 1,2m hoch und gehörte bereits zum Vorgängerbau des gotischen Domes. Zeitgenössische Teppiche fehlen, doch im Vergleich mit Buch- und Wandmalereien kann eine Entstehung ca. 1150 angenommen werden.

Der 9,27m lange und etwa 1,8m hohe Teppich mit Christus auf dem Regenbogen (Kat.Nr. 89), Aposteln und den Erzengeln Michael und Gabriel entstand vermutlich in derselben Werkstatt, doch auf Grund der bewegten Gewänder und fliessenden Säumen wird er etwas später, in die 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts datiert.

  Der dritte Teppich, 1,58m x 1,65m, 2. Viertel 13. Jh., zeigt Karl den Grossen (Kat.Nr. 92) auf dem Throne sitzend. Er weist auf die goldenen Buchstaben im Rautenband, die einem Sinnspruch angehören. Es handelt sich um Kritik an den vergänglichen Gütern der Welt. Darauf antwortet ein weiterer Spruch im äusseren Rahmen des Teppichs. Hier wird Freundschaft als wahrer Lebenswert genannt.
Text und Bildprogramm sind vielleicht verbunden mit dem Kaland, einer Klerikerbruderschaft in der Halberstädter Diözese. Hier trafen sich die Mitglieder zu religiösen, sozialen und geselligen Zwecken und pflegten besonders die Freundschaft als Ideal.

 

 

 

 
home content Last revised 12 April, 2009