ANNE WANNER'S Textiles in History / books

   
  Eine immerwährende Krönung - Charles VII (1403-1461) und die Throntapisserie im Louvre, by Monica Stucky-Schürer, Basel, 2014, ISBN: 978-3-7965-3305-1 - 107 p. 55 colour pictures, www.schwabeverlag.ch , in german language, french edition also available: ISBN: 978-3-7965-3306-8 (un couronnement perpétuel, Charles VII et la tapisserie du trône du Louvre).


Charles VII, by Jean Fouquet,
Paris, Louvre, around 1450



Drawing of reconstruction by the author: possible position of the tapestry

   






Federzeichnung von Vrank van der Stockt,
entstanden um 1440.


 

Im Jahre 2008 wurde diese bisher unbekannte Tapisserie aus französischem Privatbesitz angeboten und 2010 für den Louvre erworben mit Hilfe der "société des amis du Louvre". In diesem Museum ist sie zusammen mit dem mittealterlichen Tapisserieschatz ausgestellt. Da die vormaligen Besitzer anonym bleiben wollen, sind keine Rückschlüsse auf einen ursprünglichen Bestimmungsort möglich. Aufgrund der französischen Lilien und der Sonnensymbolik wird diese spätgotische Tapisserie Charles VII zugewiesen und dürfte in Flandern zwischen 1453 und 1461 entstanden sein. Die Funktion einer Thronrückwand wird vermutet.

Der ca. 3 m x 3 m grosse Teppich wurde mit matten Wollgarnen und etwas Leinenfaden gearbeitet. 15-25 Schussfäden pro cm bedecken die Kette völlig. Die beigefarbenen Kettfäden weisen eine Dichte von 5-6 Fäden pro cm auf. Bis auf die Partie oberhalb des Kronreifes ist der Erhaltungszustand gut. Vielleicht zur Zeit der französischen Revolution schnitt man die Lilien oberhalb des Kronreifes heraus. Später, möglicherweiser zur Zeit des Historismus, wurden sie wieder eingefügt.

Auf karmesinrotem Hintergrund sind 2 Engel mit ausgebreiteten Flügeln dargestellt, sie umfassen mit den Händen die mit Perlen und Edelsteinen besetzte königliche Lilienkrone. Sie selber tragen Perlendiademe auf ihren blonden Haaren. Abgesehen von den Armen sind ihre Körper unter den Gewändern verborgen. Ihre Flügel schimmern aussen blau und sind an den Innenseiten mit weissen Federn versehen.
Hinter den Engeln strahlt eine grosse Sonne mit 12 hellen und dunkelgelben, gewellten Strahlen - sie scheinen sich zu bewegen. Von hier aus und hinter den Engeln hindurch führen Strahlenbündel nach allen Seiten. Ihr Lauf wird von Sternen unterbrochen.

Ein Stilvergleich mit anderen Tapisserien lässt eine Entstehungszeit in der Mitte des 15. Jhs vermuten. Der Behang zeigt formale Uebereinstimmung mit einer um 1440 entstandenen Federzeichnung von Vrank van der Stockt.
Als Besitzer und wahrscheinlich auch als Auftraggeber käme Charles VII in Frage. Es könnte sich um eine Krönungstapisserie handeln, die auch nach der Königskrönung dessen immerwährenden Status als "Herrscher von Gottes Gnaden" unterstrich.
Die Autorin beabsichtigt mit ihrer Untersuchung dieser Königsfigur aus kunsthistorischem Blickwinkel, in psychologischer Hinsicht und unter Einbezug des kulturellen Umfeldes gerecht zu werden. In ihren Augen eignet sich diese bisher unbekannte Krönungstapisserie besonders, um Charles VII Bestrebungen zur Selbstdarstellung zu illustrieren.

Auf Grund von Stilvergleichen mit der Buch und Tafelmalerei vermutet die Autorin den Entwerfer der Vorlage zur Tapisserie in der Nähe der Werkstatt von Fouquet. Dabei lässt sie nicht unerwähnt, dass sich auch Fouquets Söhne Louis und François als Maler betätigten.
Von Fouquet gibt es keine Quelle, die ihn als "peintre du roi" bezeichnen würde. Erst unter Louis XI, seit 1475 trägt er diesen Titel mit verbriefter Sicherheit.
Besonderheiten, wie die Vermittlung von Raumtiefe hervorgerufen durch gegen unten verkürzte Strahlen, die in Untersicht gezeigte französische Lilienkrone, die Engel, die aus einer himmlischen Sphäre herabzufliegen scheinen, dies alles weist auf neue Kompositionsgesetze, die sich auch in Fouquets Münchner Handschrift (Lit de justice von Vendôme) finden.


 

Monica Stucky befasst sich auch ausführlich mit dem Leben und der Regentschaft Charles VII. Dazu gibt es eine reiche Quellenlage.
Zunächst legt sie seine Biographie und die Regentschaft dar:
Als letztes Kind seiner Eltern wurde Charles VII am 22. Februar 1403 in Paris geboren und bereits 1413 mit Marie d'Anjou verlobt. Nach der Eheschliessung 1422 hatte das Paar 13 gemeinsame Kinder.
Die beiden Brüder waren überraschend vor dem Tode des Vaters 1422 gestorben, aber die Nachfolge gestaltete sich schwierig, denn die englische Besetzung Frankreichs während des 100järigen Krieges hinderte den Dauphin daran, als Charles VII die rechtmässige Thronfolge anzutreten. Der Thronbehang muss nach dem Friedensschluss mit England (1453) und vor dem Tod von Charles (1461) entstanden sein.
Die Rolle von Jeanne d'Arc und die Kirchenpolitik von Charles VII kommt in einem weiteren Kapitel zur Darstelung: Die Vision von Jeanne d'Arc (1412-31) war es, die Franzosen vom englischen Joch zu befreien und Charles zu seiner Bestimmung als französischer König zu führen. Sie vertrieb die englischen Belagerer von der Stadt Orléans, aber der Versuch in Paris einzudringen misslang. Jeanne d'Arc wurde 1431 den Burgundern ausgeliefert und im Mai 1431 in Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Charles VII befreite 1436 Paris von den Engländern und nahm die Restrukturierung seines Reiches in die Hand. Er starb am 22. Juli 1461.
Des weiteren äussert sich die Autorin zu den Emblemata der Macht. Dabei geht sie den goldenen fleurs-de-lys vor blauem Grunde wie den goldenen Sonnen vor rotem Grunde nach und behandelt die geflügelten Hirschen, wie die Bedeutung der Wappenfarben.
Monica Stucky lässt den persönlichen Kunstsinn, wie die persönlichen Initiativen von Charles VII nicht ausser Acht, und stellt schliesslich die Hypothese einer Teppichsammlung des Königs auf.

 

home content Last revised 27 September 2014