Annatextiles INDIENNES - Glarus 18. Jh.


           

Faszination Orient - Batik, Plangi, Chinés
in den Musterbänden von Adolf Jenny-Trümpy



    Photonachweis:
Aufnahmen A. Wanner, Rheinfelden
  Die Erzeugnisse der Firma Bartholome Jenny & Cie wurden eingehend behandelt und die angewendeten Techniken mit besonderen Symbolen vorbildlich erklärt in der Publikation von Antoinette Rast-Eicher. An dieser Stelle sollen deshalb die vielen anderen Besonderheiten der Glarner Zeugdruck Industrie nicht nochmals aufgeführt werden.
In manchen Musterbänden, namentlich in den späteren Nummern 16-22, befinden sich interessante Beispiele aus verwandten Betrieben in Frankreich und Deutschland. Dieses Material ist noch lange nicht ausgeschöpft, damit könnten manche Fragen in Zukunft besonders dann Antworten finden, wenn eines Tages die Korrespondenz Adolf Jenny-Trümpys erschlossen ist.


Auf drei ursprünglich asiatische Techniken, die Adolf Jenny in seinen Musterbänden 13, 14 und 21 darstellt, sei hier kurz eingegangen:


1) Seit den frühen 1840er Jahren imitierte die Firma Barth. Jenny & Cie Batikstoffe. Ein vermutlich aus dieser Anfangszeit stammendes Dokument findet sich eingeklebt in Band 14 der Serie A. Es zeigt Stoffbeispiele echter und nachgeahmter Batikmuster nebeneinander.
Ähnliche Muster sind in dem früher erwähnten alten Musterbuch im Glarner Landesarchv aufbewahrt. Eine Auswertung dieser Dokumente wurde noch nicht durchgeführt.
Adolf Jenny bemerkt in seinem Nachlassdokument, 11 dass seine Firma in den 1860er Jahren die Produktion von Batik aufgegeben hatte. Der Musterband wurde deshalb neben der üblichen Größe noch ein zweites Mal in größerem Format ausgeführt. Er zeigt neben originalen Beispielen und Nachahmungen der Firma Bartholome Jenny & Cie, auch eine Reihe nachgeahmter Batiks anderer Glarner Firmen, zum Beispiel Peter Blumer, Egidius Trümpy, Felix Weber, R. Leuzinger
(seit 1902 Hohlenstein), usw.


 
Eingeklebtes Dokument über Batik, frühe Produktion der 1840er Jahre, Firma Bartholome Jenny & Cie, Ennenda, (Musterband 14, Batik, Koll. A). – Textilmuseum St.Gallen
     


aus altem Musterbuch, Landesarchiv Glarus

Restchen von javanischen Batiks und Nachahmungen von Bartholome Jenny & Cie in Ennenda

aus altem Musterbuch, Landesarchiv Glarus

aus altem Musterbuch, Landesarchiv Glarus

möglicherweise stammen diese alten Restchen aus obigem Dokument im Textilmuseum St.Gallen




rotes Kreuz = javanische Batik Restchen
blaues Kreuz = Nachahmung in den 1840er Jahren
Musterband 14, Serie in St.Gallen

Allererste Batik-Versuche der 1840er Jahre in der Fabrik Bartholome Jenny & Cie in Ennenda

Musterband 14, Serie in St.Gallen

Ausschnitt aus Dokument

Musterband 14, Serie in St.Gallen

Ausschnitt aus Dokument

 
Musterband 14, Serie in Sent

Abschnitt eines echten gebatikten Kainpandjang aus Pekalongan (Nordküste von Java) aus den 1870er Jahren oder noch älter, mit Indigoblau und Mengkudurot

Musterband 14, Serie in Sent



Abschnitt eines echt-javanisch gebatikten Slendangs aus den Vorstenlanden, Indigoblau mit Sogabraun, letzteres mit vielen Wachsadern. 1870er/80er Jahre
Musterband 14, Serie in SSent



Holländischer (?) Batik der 1850er Jahre. Beidseitiger Druck in sehr gedecktem Muster. Dunkelblaufärben in der Indigoküpe. Reinigen in angesäuertem Wasser, Druck von Thonerdemordant, Ausfärben in Krapp, dann beidseitiger Druck von Holzfarbe (Katechu). Dämpfen, Waschen, dann der gelbe Grund mit Curcuma oder einem anderen Pflanzenfarbstoff pflatschen oder färben.

loser Bestand, Ennenda, Couvert

Fabrikat Bartholome Jenny & Cie, Ennenda, 1845-60
loser Bestand, Ennenda, Couvert

Batikfabrikation 1845-1860
loser Bestand, Ennenda, Couvert

Fabrikat Gebrüder Blumer in Schwanden 1867-1887
 
loser Bestand, Ennenda, Couvert 14

Fabrikat Egidius Trümpy & Cie, Ennenda, um 1900
loser Bestand, Ennenda, Couvert 14

Baumwolldruckerei Hohlenstein, Ennenda, ab 1900
loser Bestand, Ennenda, Couvert 14

Baumwolldruckerei Hohlenstein, Ennenda, 1920er Jahre
 
Papirentwürfe für Batkstoffe
Comptoir Archiv
, Ennenda
, Schachtel C

Papierentwurf,

Comptoir Archiv
, Ennenda, Schachtel C


Papierentwurf,

Comptoir Archiv,
Ennenda, Schachtel C


Papierentwurf,
     

  2) Die als Plangi bekannte Abbindetechnik von Geweben war besonders in Java (Sundainsel in Indonesien) eine häufige und beliebte Technik der Stoffverzierung. Im 2. Teil von seinem Musterband 13 geht A. Jenny darauf ein, beschreibt Vorkommen und Vorgehen in jenem Gebiet. Seine eigene Firma erhielt um 1900 den Auftrag, Baumwollstoffe mit ähnlichen Musterungen, aber mit den

  neuen, künstlichen Farben zu bedrucken (siehe angefügter Text). Beispiele finden sich in den erwähnten Musterbänden.

Eine ganze Reihe von Papierdessins und Beispiele farbiger Druckmuster zu diesen Plangi-Imitationen sind zudem im Comptoir Archiv in Ennenda aufbewahrt.
Sent, Koll. J. privat Musterband 14

Tritik-Slendang, Abbinde oder Bandhana-Verfahren
Sent, Koll. J. privat Musterband 14

Tritik-Slendang,
Abbinde oder Bandhana-Verfahren
(Detail von Bild links)
loser Bestand, Ennenda, Couvert Nr. 13
l
Teil von Schal,
vermutlich 1880er Jahre, Abbinde- oder Bandhana-Verfahren
loser Bestand, Ennenda, Couvert Nr. 13

Stück von Slendang, Insel Bali, um 1900

loser Bestand, Ennenda, Couvert Nr. 13

Slendang, ab 1900, B.Jenny & Cie
loser Bestand, Ennenda, Couvert Nr. 13

Slendang, ab 1900, B.Jenny & Cie
loser Bestand, Ennenda, Couvert Nr. 13

Slendang, ab 1900, B.Jenny & Cie
loser Bestand, Ennenda, Couvert Nr. 13

Slendang, ab 1902, B.Jenny & Cie

loser Bestand, Ennenda, Couvert Nr. 13

Slendang, ab 1902, B.Jenny & Cie
Papierentwürfe
Comptoir Archiv
, Ennenda, Schachtel K


Papierentwurf, Bartholome Jenny & Cie

Comptoir Archiv
, Ennenda, Schachtel
K

Papierentwurf, Bartholome Jenny & Cie

Comptoir Archiv
, Ennenda, Schachtel
K

Papierentwurf, Bartholome Jenny & Cie
     
 
  Aus Musterband 13, 2. Teil, verfasst von Adolf Jenny-Trümpy, Ennenda 1927 [Abschrift].
Nachahmungen des indisch-malaiischen Knüpf- & Färbeverfahren, „Bandhana“ oder „Plangi“, engl. „tie and dye“, d.h. Knüpfen und Färben

Eine der ältesten asiatischen Methoden, Seidengewebe zu mustern, besteht darin, gewisse Stellen mit Zwirn zu unterbinden & dann in einem Färbebad zu färben. Wird die Ware nach dem Färben gewaschen und die Fäden abgelöst, dann erscheinen die eingebundenen Stellen weiß.
Wird das Verfahren wiederholt, d.h. das Gewebe an den Stellen unterbunden & in einer andern Färbeflüssigkeit gefärbt, so entstehen nicht nur eine neue Farbe, sondern auch Mischungen der beiden. Je nachdem die Unterbindung vollzogen wird, entstehen im Farbgrunde weiße Ringe oder Tupfen oder zackige Figürchen, welche man zu größeren Formen aneinanderreihen kann.
Das Verfahren wurde schon im 17. Jahrhundert in Japan sehr ausgebildet, ist aber dort und in China jedenfalls viel älter; es ist auf S. 458 Bd. II J.J.Rein’s „Japan“ (Leipzig, Wilh. Engelmann 1881) näher beschrieben und blieb bis in die 1880er Jahre hinein üblich.
Das Aufstecken der Seidengewebe auf stumpfe Spitzen & das so überaus zeitraubende, unendliche Geduld erfordernde Knüpfen unzähliger Stellen mit Zwirn wurde jeweils von Frauen & Kindern besorgt. Japanische Sammler haben aus dem 17. und 18. Jh. Musterstücke aufbewahrt, aber auch im 19. Jh. standen diese handwerksmäßigen Färbereien teilweise noch in Blüte. Erzeugnisse heißen „Kanoko-Shibori“. „Kanoko“ = Hirsch oder gefleckt wie ein Hirsch, „Shibori“ = geknüpft, gebunden. Die natürliche Kräuselung des Seidenkrepps wurde durch das
scharfe Einbinden & Loslassen noch verschärft & dadurch im Tragen des Stoffes eine eigenartige schöne Wirkung erzeugt. In Japan herrschten in den Grundfarben eher dunkle Töne vor, in China & in Indien eher ein Kermes (carmoisin-) Rot.

Die Türkischrotfabrik Tschudi & Cie in Schwanden ahmte, wie in Musterband XI bemustert, japanische Kanoko-Shibori-Muster schon 1868-1875 in Perrotine-Druck Aetzweiß auf Türkischrot in Ringlimustern etc. für die Ausfuhr nach Japan in glattem Baumwolltuch nach. In den 1860er/70er Jahren druckte man genau in denselben Mustern unter dem Namen „Chinois“ in Mülhausen Walzendrucke auf Wollmousselin in Scharlachrot mit Weiß für den Export nach Japan und vielleicht auch nach China.
In Vorderindien wurde das Verfahren unter dem Namen „Bandhana“ (= Verknüpfen, Verbinden) mindestens bis in die 1890er Jahre noch immer auf glattem Seidenstoff
ausgeübt und zwar in Kermes-Karmoisinrot mit Weiß und die zweite Färbung mit Indigokarmoisin (?) siehe Muster!

In holländisch Indien hat das Verfahren in neuerer Zeit, d.h. mit den 1890er Jahren durch Verwendung von aus Europa bezogener Teerfarbstoffe auf einigen Inseln, besonders Sumatra, Bali & Borneo einen neuen Aufschwung genommen & werden reizende, farbenprächtige Erzeugnisse auf diesem so zeitraubenden Wege gemacht.

Die Firma Daniel Jenny & Cie (vormals Bartholome Jenny & Cie) in Ennenda wurde im Jahre 1900 aufgefordert, die malaiischen seidenen Erzeugnisse auf croisé Baumwollstoff nachzuahmen, was ihr in Dampffarben Handdruck bestens gelang. Es zeigte sich, dass die Eingeborenen über eine große Anzahl von schönen ursprünglichen Mustern verfügen & da solche möglichst getreu
  nachgeahmt wurden, geben diese nachstehend bemusterten Nachahmungen eine gute getreue Vorstellung des malaiischen Geschmackes. Das malaiische Verfahren ist auf S.229 in dem Prachtwerk „Die Batik-Kunst“ von G.P. Rouffaer & Dr. H.H.Juynboll (holländisch und Deutsch mit vielen farbigen Tafeln) auch kurz erwähnt, unter dem Namen „Pelangi“ oder „Plangi“; es ist aber dort nicht näher beschrieben, nur heißt es, dass in neuerer Zeit als Vordruck mit einem Curcuma-Saft ein Gelb mit Druckblöcken vorgedruckt wurde, um anzugeben, welche Stellen zu unterbinden sind. Ein solches Gelb, (jedoch mit Auramin OB & Tannin) wurde auch in der Firma Dl. J.& Cie. häufig vorgedruckt (siehe Muster). Das Merkwürdigste ist, dass es den Eingeborenen gelingt, bei den vorgeschriebenen Farbbädern die Farben so sauber auseinander zu halten, sodass sie sich gegenseitig nicht beschmieren.

In Vorderindien geht die Anwendung dieses Verfahrens auch sehr weit zurück, wann es in Hinterindien aufkam, ist auch nicht festgestellt. Die Erzeugnisse der Firma Daniel Jenny & Cie waren in dieser bunten Ausführung die ersten Nachahmungen der malaiischen Plangi, später kamen auch minder gelungene englische Walzendrucke auf den Markt.
Die Malaiien mustern auch Baumwollgewebe in ähnlicher Weise aus; da aber solche nicht so leicht wie Seide zu färben sind, machen sie nach unsern Begriffen keinen guten Eindruck. An gewissen Orten Südasiens wurden auch schwere Hanfgewebe nach der Bandhana-Manier gemustert & zwar mit Vorbeizen in Thonerdemordant und Ausfärben in einem Krapp ähnlichen Farbstoffe, dann ein zweites Färben in einer leichten Indigoküpe, wodurch das Rot an ungeschützten Stellen schliesslich Gelb färbt.

Ziemlich alt (oder vielleicht noch älter als die Anwendung bei Geweben) ist in Hinterindien das Verfahren, Seiden- oder Baumwollgarne in Bündeln stellenweise zu unterbinden & zu färben. Löst man dann den Zwirn nach dem Waschen, so zeigt sich das Garn weiß geflammt im farbigen Grunde; färbt man nachher noch Gelb, so hat man gelbe Flammen in rotem oder grünen Grunde. Wird das Unterbinden in sehr genau eingehaltenen Abständen vollzogen, so kann man in der Seiden- & Baumwollen-Buntweberei reizende, geflammte, auslaufende Muster erzeugen. Diese Ergebnisse werden „Ikat“ genannt; neben Celebes, Bali etc. werden darin auch in Siam prächtige Erzeugnisse zustande gebracht. Es gibt, wie gesagt, seidene und baumwollene Ikat. Die gewöhnlichen nicht geflammten Buntgewebe werden in Hinterindien „Lurik“ genannt und meistens in Baumwolle gewoben. Die Ikat wurden schon gegen Ende des 18. Jhs in Europa (England) auch durch Einbinden von seidenen oder baumwollenen Garn in Strangen als „gebundene“ oder „Kunstarbeit“ erzeugt (s. Kressig, Zeugdruck Bd. III, S. 127, Ausgabe von 1837), wo sogar auch vom Einbinden von Geweben die Rede ist.
Im 19. Jahrhundert ging man dann dazu über, das Ikatverfahren in Europa durch den Zetteldruck, auch „Chiné-Druck“ genannt, zu ersetzen; eingedruckte Zettel werden gewöhnlich gedämpft, dann vor der Verwendung in der Buntweberei gewaschen oder oft auch nicht gewaschen.

Die Ikats Hinterindiens sind teils „lange Ware“, teils abgepasste „Sarongs“ (Schurze) mit Kapala (Kopf- oder Schulterpartien). Mit der Batik-Manier (Wachsreservendruck) hat das Bandhana- oder Plangi-Verfahren gar nichts zu tun.
       

     
  3a) Ikatmusterungen
Im Unterschied zur Plangitechnik wird bei Ikat nicht ein fertiges Gewebe abgebunden und gefärbt, sondern eine entsprechende Behandlung erfahren bereits die Kett- und oder Schussfäden. Die eigentliche Stoffmusterung entsteht beim nachfolgenden Verweben.
Bei dieserer Ikat- oder Chinétechnik geschah das Abbinden und Färben der Garne zunächst von Hand, ein Vorgehen, das in Europa noch bestehen blieb, als andernorts bereits das Bedrucken der Kette aufkam. Bartholome Jenny & Cie führte den Kettdruck nie aus, doch beschreibt Adolf Jenny die Entwicklung von der Handarbeit bis zum Druck in seinem vorletzten Musterband Nr. 21.
 

Musterband 21, privat Sent

Aussen: Schappe-Seidenstränge durch Abbinden und wiederholtes Färben geflammt (Bandhana-Manier). Fabrikat von Zwicky & Co in Wallisellen, 1933.
Innen: Organzin Seidenstrang durch Dampffarben und -Druckerei geflammt für Chiné-Bänder und -Stoffe und -Gewirke.



Musterband 21, Landesarchiv Glarus

Stück eines naturseidenen, sehr alten Ikat-Tjinde aus Palembang (Sumatra)
Musterband 21, privat Sent



Stück eines baumwollenen Ikat-Slendangs von der Insel Timor (Holländisch Indien).Die Zettel- und Schussgarne sind teils ganz vorgefärbt, teils in Bandhana-Manier durch Abbinden und Färben geflammt
Musterband 21, privat Sent


Neueres Ikat-Gewebe aus Limbotto bei Gorontalo (Nord-Celebes) um 1900 mit einheimischen , in europäischen Teerfarben gefärbten Seidengarnen bunt gewoben. Die Garne werden von den Eingeborenen stellenweise vor dem Färben geknüpft (mit Zwirn eingebunden), wodurch sie geflammt erscheinen.

Musterband 21, privat Sent

Chiné Zettelsatin, Italien, um 1700, Kettgarne Seide, ein Teil derselben ist durch stellenweises Abbinden & Färben blau geflammt. Schuss aus bräunlich gefärbter Baumwolle (Geschenk Fritz Iklè, St.Gallen)
loser Bestand, Couvert 30, Ennenda



Seidenes Schultertuch, 1850/60 im Appenzellerland getragen, hergestellt aber vermutlich in Wuppertal-Barmen. Echter Chiné, durch Abbinden und Färben geflammt. (Geschenk Fritz Iklè, St.Gallen)
loser Bestand, Couvert 30, Ennenda




Seidenschal von Schlieper-Wülfling & Söhne in Wuppertal-Barmen. Echter Chiné, in Bandhana Methode abgebunden, gefärbt und so geflammt. Erstellt 1932.
Musterband 21, eth Hönggerberg
Musterband 21, eth Hönggerberg
Musterband 21, eth Hönggerberg
  Aus Musterband 21 Teil, verfasst von Adolf Jenny-Trümpy, Ennenda 1927:
Transkription der handschriftlichen Texte im Musterbuch von Adolf Jenny-Trümpy - Abschrift am 29.03.2014 durch Anne Wanner, nach hergestellten Photos der Texte im Textilmuseum St. Gallen.


Articles „Chinés“ (von den Malaijen Holländisch-Indiens „Jkat“ genannt) d.h. Weberei mit geflammten oder farbig gedruckten Garnen in Naturseide, Kunstseide & Baumwolle nebst einigen Mustern in „Jaspés“ und in Kammzug- oder Vigoureux-Druck Band XXI   der Sammlung glarnerischer & anderer Druckmuster, zusammengestellt von Adolf Jenny-Trümpy in Ennenda

Geschichtliches über die Chinés oder Flammentücher
Sodann über Garndruck, die Gewebe aus gedruckten Garnen gewoben, sowie den Seidengewebedruck im 19. und 20. Jh.

Die vorstehend beschriebenen Druckmethoden auf Seidengeweben erlangten im 18. Jh. allgemein & ebenso überall in der Schweiz dem Werte nach nur eine geringe Bedeutung und noch kleiner war solche mengenmässig. Daneben hatte sich noch eine neue Art farbiger Musterung von Seidenstoffen herausgebildet, bekannt unter dem Namen Chinés. Der Ursprung derselben ist in Südasien zu suchen, wobei es aber nach S. 117 der Abhandlung „Ueber Flammentücher von Fritz Iklé in St.Gallen (in der Festschrift für Marie Andree-Eysn, Beiträge zur Volks- und Völkerkunde, Verlag Carl August Seyfried & Co in München, 1928) unsicher ist, ob Vorderindien oder Holländisch-Indien, Neu-Guinea, China oder Japan die ersten Erzeugnisse zuzuweisen sind. Während bei den vorderindischen „Bandhana’s“, den hinterindischen „Plangi“ & den japanischen Shibori-somen (siehe Musterband XIII) das fertige Seiden- oder Hanfgewebe einmalig oder mehrmalig stellenweise durch Schnüre oder Zwirn, abgebunden, gefärbt & so in Tupfen, Ringen etc. gemuster wird, wird bei den „Chinés“ (in Holländisch-Indien „Ikat“ genannt), schon das Garn stellenweise abgebunden & gefärbt & so in ein farbiges Flammengarn übergeführt.
Es konnte dieselbe Farbe in verschiedenen Abstufungen erstellt (Ombré) oder ganz verschiedene Farben nebeneinander erstellt werden (in letzterem Falle von dem die daraus gewobenen Halstücher als geflammt oder als „himmelringene“ bezeichnet, weil regenbogenfarbig angeordnet). Beim Verweben der Flammengarne entstehen also „geflammte“ Tücher. In holländisch Indien werden aber noch heute in dieser Weise kunstvolle Muster, nicht nur regellos wolkig geflammt, sonder mit sehr genau in einer gewissen Länge für jede Farbe gefärbt & auch beim Weben die Abstände überaus genau eingehalten werden müssen, um die Figuren (Ornamente, Tiere, Pflanzen, menschliche Figuren) richtig zum Ausdruck zu bringen **

** Grosse Bedeutung erlangten diese „Ikat“ in Seide-, Baumwolle & Hanfgeweben seit älteren unbestimmbaren Zeiten in Celebes, Sumatra, und mehreren kleinern Inseln (Bali etc.) nicht aber in Java, weil hier die Batikmanier (s. Musterband XIV) zuerst in den höheren Ständen und dann auch im Volke zur Blüte kam, letzteres begnügte sich längere Zeit auf Java & auch auf den anderen Inseln mit den „Lurik“, d.h. mit gewöhnlicher „Plangi“.

In Norditalien sind „stoffe a fiamma“ für Vorhänge, Polstermöbel schon seit dem 17., Jahrhundert nachweisbar. In Mallorca sollen sie noch viel weiter zurückreichen & sogar schon zur Maurenzeit als „telas de lenguas“ aufgekommen sein.
  Besondere Wichtigkeit erlangten sie spätestens um 1700 in Lyon, wo dafür der heute allgemein gebräuchliche Name „Chinés“ aufkam,  vermutlich weil man nach chinesischen Originalvorlagen arbeitete oder von Chinesen von Hand bemalte Seidentaffete durch die neue Manier nachahmte. Es kommt in Lyon aber auch die Bezeichnung „Soieries flammées“ vor & umgekehrt in Italien auch die Bezeichnung „drappe alla chinese“. Die „Chineurs“ waren in Lyon angesehene Leute, da nur wenige diese Kunst verstanden; ihnen war erlaubt, den Degen zu tragen (im Gegensatz zu den Handwerkern und Handdruckern). Aus der Zeit Ludwig XV & XVI sind recht schöne Erzeugnisse bekannt, vorwiegend breite und schmale Seidenbänder für Hüte & Kleidergarnituren; ob in grösserm Massstab auch ganze Kleiderstoffe oder Halstücher verferigt wurden, bleibe dahingestellt. Neben den geflammten Garnen, mit welchen man Ornamente sowie auch Blätter & Blümchen zur Darstellung brachte, wurden gleichzeitig auch Streifen & Bänder in ganz vorgefärbten Garnen (also ohne Flammen) in den gleichen Dessins, also nebeneinander, erzeugt. Die Chiné–Manier ersetzte im 18. Jahrhundert bis zu einem gewissen Grade die damals noch unbekannten Dampffarben in ihrer Wirkung. Da meistens nur die Zettelgarne geflammt waren und solche dann beim Weben von weissen oder ganz gefärbten Schnurgarnen durchkreuzt wurden, so zeigten, bzw. zeigen noch heute die Chinesen die Farbeneffekte als gedämpft, gebrochen, verschwommen oder verwaschen, zart auslaufend, haben also ihr ganz besonderes Gepräge.
Es können aber auch als Nachahmung der längst bekannten durchwirkten (broschierten) Stoffe façonnierte oder Bildgewebe, Vorläufer der daraus hervorgegangenen Jacquardweberei angesehen werden, indem ihre Wirkungen allen diesen Webarten ähneln, aber viel billiger zu stehen kommen.
Vermutlich zuerst in den Rheinlanden (Barmen) oder in Lyon fing man, vielleicht schon im 18., vielleicht auch erst im 19. Jahrhundert an, seidene Halstücher zu weben, welche im Boden (Intérieur) gewöhnliche Seiden-Buntweberei & zwar am glatten einfarbigen Grunde aufwiesen, hingegen im Rand (Bordure) sowohl im Zettel als im Schuss mit geflammten Garnen erstellt wurden. Diese „Flammen-Halstücher“ bleiben dann namentlich bei der wohlhabenden Bauernbevölkerung fast bis in unsere Tage sehr beliebt, werden aber heute wahrscheinlich nur noch von einer einzigen Fabrik in der ursprünglichen Weise durch wiederholtes Abbinden und Färben der Garne erzeugt (siehe die bezüglichen Musterblätter weiter hinten).

In der Schweiz wurde diese echte Chiné-Manier sehr spät und nur noch von einem spärlichen Umfang verpflanzt – Bürkli-Meyer - ..... von den zürcherischen Fabriken, gültig für die Jahre 1785/6: die Benennungen „jaspé“ und „chiné“, denen man begegnet, beziehen sich weder auf den eigentlichen Zetteldruck noch auf die Färbungen des Garns in wechselnden Nuancen, nur (Gewebe-) Zeugdruck (wie auf voriger Seite dargestellt) kommt vor; er heisst „jaspé“ wo er einen melierten (gesprenkelten) Effekt produziert, „chiné“, wo er kleine Bouquets auf weissen Streifen zur Darstellung bringt. Es handelte sich also offenbar um eine Nachahmung echter Lyoner Chinés durch Tafel- oder Applikationsdruck in weissbödigen leichten Müsterchen.

Eine bedeutsame Wendung trat im Chiné-Artikel ein, als man in den 1830er Jahren in Lyon & anderwärts anfing, die Dampffarben dafür zu verwenden. Es geschah dies in dem Sinne, dass man von dem umständlichen Abbinden & Färben (engl. tie and dye) abging & die Zettelglarne (& manchmal such die Schussgarne) mit Dampffarben von Hand bedruckte.



3b) Der Zetteldruck oder Kettdruck, von Hand

Musterband 21, privat Sent

Satin aus Naturseide. Der Zettel ist mit bunten Dampffarben von Hand bedruckt, gedämpft und gewaschen. Dann wird zum Weben aufgebäumt und das schwarzgefärbte Schussgarn eingeschlagen.
Chiné-Zetteldruck. Geschenk und Fabrikat von Seiler & Cie AG, Seidenbandweberei in Basel 1910/12
Musterband 21, privat Sent (Detail von Bild rechts)

Naturseide als Jacuardgewebe mit Chiné-Druck. Der Zettel wird mit Handdruck Dampffarben bedruckt, gedämpft und gewaschen. Damit sich dabei das Muster nicht verschiebt wird der Zettel vor dem Druck ähnlich wie zum Weben aufgebäumt, dann schiesst man etwa alle cm oder sogar noch häufiger einen Seidenfaden
Musterband 21, privat Sent

billiger Qualität ein, welcher dem Zettel im Waschen Halt gibt. Nach dem Waschen der Zettelfarben wird zum definitiven Weben wieder aufgebäumt und nun während des Webens die provisorischen Seidenfäden wieder ausgezogen (entfernt). Schweizerfabrikat 1930.



Aus Musterband 21 Teil, verfasst von Adolf Jenny-Trümpy, Ennenda 1927:
Transkription der handschriftlichen Texte im Musterbuch von Adolf Jenny-Trümpy - 29.03.2014 durch Anne Wanner, nach hergestellten Photos der Texte im Textilmuseum St. Gallen:
   
  Besondere Bedeutung erlangte der Chiné-Artikel in der Basler Seidenbandindustrie (welche als solche nach dem Basler Jahrbuch von 1885 mindestens bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht). Nach Mitteilung von Seiler & Co AG in Basel wurden kleinere Versuche in „Chinés“ schon in den 1860er Jahren gemacht; gross wurde der Artikel jedoch erst in den 1890er Jahren.
Dabei handelte es sich ausschliesslich um Kettdruck; also die Kette wurde in der weiter oben beschriebenen Weise durch Einschiessen provisorischer Seidenfäden „vorgewoben“ & dann in Handdruck mit 1-15 Farben bedruckt, in einer erstaunlichen Dessin-Auswahl für breite & schmale farbprächtige Bänder.

Besonders hervorragend waren die Leistungen von Seiler & Co AG – Wilhelm Sarasin & Co – Rudolf Sarasin & Co – Vischer & Co – Dietschy-Häusler & Co – Trüdinger & Co – Gesellschaft für Bandfabrikation (die drei letztgenannten sind in den letzten Jahren liquidiert worden.

Das Vorweben der Ketten wurde zum Teil in den eigentlichen Bandfabriken selbst ausgeführt; wenn jedoch der Artikel sehr stark gefragt war, wurden die Ketten auch in gewöhnlichen Seidenwebereien (z.B. bei Harry Spitz in Oberurnen) vorgewoben. Bedruckt wurden die Ketten hauptsächlich von der Druckerei Fritz Lindenmeyer, der im Jahre 1895 in Basel die erste Kettendruckerei eingerichtet hat. In der gleichen Fabrik wurden dann auch die Farben gedämpft & wenn es als nötig erachtet wurde gewaschen.
Das eigentliche Verweben der Ketten mit weissem oder farbigem Schuss geschieht teils als Hausindustrie in Basellandschaftlichen Privathäusern & teils in Fabrikbetrieben.

Später fusionierte Fritz Lindenmeyer mit der Firma A.Clavel & es entstand die „Färberei- & Appretur – Gesellschaft (vormals A. Clavel & Fritz Lindenmeyer) AG, welche sich in der Folge sehr gross & modern einrichtete & vorwiegend zum Walzendruck überging; sie soll 8 Walzendruckmaschinen, wovon 6 für Vielfarbendruck besitzen. Auch als Appreturanstalt ist dieses Etablissement sehr wichtig, da die Ausrüstung der Seidenwaren grösste Sorgfalt erfordert & meistens in besonderen Anstalten vollzogen wird. In den letzten Jahren hat in dieser Anstalt & in den anderen vorgenannten Seidendruckereien auch der Druck von Kunstseiden-Zetteln sehr stark zugenommen & zeitweise wird in Basel auch Druck auf Baumwollketten ausgeführt.
In geringem Masse werden auch halbseidene Bänder erzeugt (Baumwolle mit Naturseide oder Kunstseide). Nebst grösseren Feinheit der Dessins wird vom Walzendruck gerühmt, dass die Kette mehr geschont werde, während es bei schweren Handdruckdessins auch wieder vorkommt, dass Fadenpartien abgeschlagen werden.
  Als der Chiné-Artikel von den 1890er Jahren an einen so grossen Aufschwung nahm, wurden im Rahmen desselben neben den Streudessisn (Perldruck), den geometrischen & pflanzlichen Motiven, nun auch geflammte Garne stärker verlangt, teils für Ombré-Effekte (Ton in Ton abgestuft) teils Iris-Effekte in bunten Farben formlos oder wolkenähnlich ineinander übergehend. Solche werden manchmal auch mit Zetteldruck erstellt; oft aber wird wieder auf die Methode des wiederholten Abbindens & Färbens zurückgegriffen. Ob dabei neuere, schneller arbeitende Methoden zur Anwendung gelangen, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden; es wird lediglich erwähnt, dass man anstelle von Hanfkordeln, Hanfschnüren oder Baumwollzwirn auch Papier zum Abbinden verwende. Es werden sowohl Ketten als auch Schussgarne in  dieser Weise geflammt & zwar hat sich die Firma Zwicky & Co in Wallisellen in bemerkenswerter Weise darauf spezialisiert & zwar sowohl in Naturseide (Organsin, Trame & Schappe) als auch in Kunstseide. Schuss-Garne werden auch für broschierte Muster zur Ombré-Schattierung von Blumen & Blättern in Seiden-& Kunstseidenbändern & Kleiderstoffen geflammte & dadurch sehr schöne Wirkungen erziehlt.

Nach Ansicht von alt Direktor Meyer-Sauter arbeiteten 1925 folgende Fabriken in Seiden- & Kunstdruck wovon ¼ - 1/5 der Arbeiter in Kettendruck:
1 Erhard Schmid Söhne in Richterswil, mit ca. 35 Druckern
2 Färberei & Appretur-Gesellschaft vorm. A.Claudel & Lindenmeyer in Basel, mit 8 Druckmaschinen. Diese 8 Druckmaschinen waren imstande, mehr zu produzieren als alle 273 Handdrucker zusammen. Mit 50 Druckern (nebst dem Walzendruckbetrieb)
3 Textilwerke Blumenegg in Goldach, mit 25 Druckern
4 Schweiz. Textildruckerei Suhr b/Aarau (seit 1913), mit 20 Druckern
5 Seidenstoffdruckerei Uster AG (seit 1920), mit 20 Druckern
6 Grasser & Co in Netstal (seit 1919) zuerst im Langgütli, dann ab .. in der ehemal. Musselinfabrik mit 20 Druckern
7 Emil Zehnder & Co in Netstal (seit 1919), mit 48 Druckern
8 Baumann & Röder AG in Schlieren (seit 1923), mit 20 Druckern
9 Mechanische Seidenstoffweberei Adliswil (seit 1923), mit 15 Druckern (druckt nur für eigene Rechnung)
10 Trümpy, Schaeppi & Co (als Zetteldruckerei erst seit 1914) mit 20 Druckern (druckte seit 1893 Seidengewebe & schon seit 1884 grosse Mengen Wollgewebe in Handdruck, haben um 1930 auch zwei Walzendruckmaschinen für Seidendruck angeschafft).__________________________________________                                                      273 Drucker
1928 kam dazu noch die Firma Schlotterbeck, Kopp & Co im Langgütli, Netstal, welche aber 1933 in Liquidation trat obzwar vorübergehend geschlossen.

 
     
 
     


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Last revised November, 2016