ANNE WANNER'S Textiles in History   /  exhibitions

     

Bildteppiche von

Rosmarie Frey-Vosseler, Basel



   
  1.) Zum Lebenslauf:
Rosmarie Frey kam in Basel zur Welt. Nach der Matura studierte sie zunächst in Genf Malerei. Später nahm sie in Basel Kurse an der damaligen Kunstgewerbeschule und lernte bei Irma Kozan weben, studierte die spezielle Bildwebtechnik in Frankreich, besonders in Aubusson. Dem Vater war es wichtig, dass sie einen Brotberuf erlerne, sie wurde Primarlehrerin und unterrichtete 2 Jahre lang im Emmental. Schon immer war sie von Büchern fasziniert und schon bald konnte man sie wieder in Basel als Buchhändlerin antreffen. Bei dieser Tätigkeit entdeckte sie einem Abbildungswerk die Bildteppiche aus Wienhausen in Norddeutschland.

Sie arbeitete aber bereits an ihren eigenen Bildergeschichten und 1955 erhielt sie das eidgenössische Stipendium für angewandte Kunst, 1958 ein Künstlerstipendium Basel-Stadt. Diese Auszeichnung ermöglichte ihr die Planung und Ausführung einer ausgedehnten, 8-wöchige Reise nach Norddeutschland und Schweden/Finnland. Auch Wienhausen stand damals auf ihrem Plan und nun lernte sie die faszinierenden textilen Bilder noch besser kennen. Ich werde später näher darauf eingehen.

1956 heiratete sie den Architekten Lukas Frey, und lebte und wohnt seit 1969 in Bottmingen bei Basel.

Ich selber lernte die Künstlerin vor einigen Jahren kennen, in der Gesellschaft der Künstlerinnen, die lange Zeit GSMBK hiess und im 100. Jahre ihres Bestehens in Schweizerische Gesellschaft Bildender Künstlerinnen – SGBK – umbenannt wurde.

Rosmarie Frey ist seit 1952 Mitglied der Vereinigung. 50 Jahre später, als ich sie dort antraf, war sie Vizepräsidentin der Sektion Basel. Sie setzte sich vehement ein für die Erhaltung dieser Gruppe, denn hier akzeptierte man die früher als Kunstgewerblerinnen bezeichneten Kunstschaffenden, als gleichwertige Mitglieder. Besonders eben auch diejenigen, die das textile Material als Ausdrucksmittel verwenden.


2.) Zur Technik der Bildteppiche:

Rosmarie Frey verwendet für ihre Teppiche den Webstuhl. In die waagrecht liegende Kettfäden werden die farbigen, wollenen Einträge eingearbeitet. Dieser Eintrag, der auch als Schuss bezeichnet wird, führt also nicht über die ganze Webbreite, sondern immer nur so weit, wie die Formen es verlangen. Er überdeckt die Kettfäden soweit, dass diese meistens nicht mehr zu sehen sind.
Bei dieser sogenannten Wirktechnik, man könnte auch sagen Mosaikweberei, wird auf der Bildrückseite gearbeitet. Die Künstlerin legt den Papier Entwurf unter die waagrecht verlaufenden Kettfäden, und markiert die Formen mit kleinen Punkten auf diesen. Die Künstlerin gestaltet den Entwurf selber und sie führt ihn im eigenen Atelier ohne Mitarbeiter auch aus.
  Früher arbeiteten mehrere Kunsthandwerker an grossen Bilderfolgen. Als Bildvorlagen verwendeten sie oftmals Werke von berühmten Malern. Wirkereien gab es bereits bei den christlichen Aegyptern, bei den Kopten. Aber wegen der Vergänglichkeit des textilen Materials blieben nur wenige von ihnen erhalten.

Besser bekannt sind heute die grossen Teppichfolgen der Renaissance, die vielfach im damaligen Flandern in grossen Teppichmanufakturen entstanden. Fürsten schmückten ihre Repräsentationsräume mit Serien solcher Tapisserien. Bekannte Folgen sind diejenigen der „Dame à la licorne“ im Pariser Musée Cluny, oder die Bildteppiche im Historischen Museum in Bern, etwa der Tausendblumenteppich oder der Dreikönigsteppich, die mit den Burgunderfürsten im Zusammenhang stehen.

Sicherlich sind Ihnen auch die Basler Teppiche bekannt. Seit der 2. Hä. 14. Jahrhundert findet man sie in Dokumenten als Heidnisch Wirkereien bezeichnet. Dieser Name weist darauf hin, dass die Technik aus einer fremden, also nicht einheimischen und nicht christlichen Kultur übernommen worden war. Die beiden Basler Historikerinnen Anna Rapp und Monika Stuky-Schürer weisen in ihrer umfangreichen Studie von 1990 nach, dass es im 15. Jh. in Basel und im Gebiet des Oberrheines Frauen gab, welche solche Bildwirkereien als Auftragsarbeiten, Störarbeit in reichen Bürgerhäusern ausführten.

Nun gibt es auch andere, ebenfalls sehr alte textile Techniken, die sich zum Wiedergeben von Bildern und Geschichten eignen. Man kann Bilder auf ein bereits vorhandenes Gewebe sticken. Es sind dazu weniger Grundkenntnisse und kaum technische Einrichtungen nötig. Neben dem Gewebe und neben den Garnen braucht es nur die Sticknadel.
Solche gestickten Bildergeschichten haben sich zum Beispiel in norddeutschen, in niedersächsischen, Frauenklöstern erhalten.

Vorhin wies ich darauf hin, dass Rosmarie Frey diese Bildteppiche eines Tages in einem Abbildungswerk entdeckte und diese während ihrer Studienreise in den Norden in den 1950er Jahren in Wienhausen selber kennen lernte. Sie erhielt damals sogar die Erlaubnis, in Wienhausen selber Teppichführungen zu machen. Die Kunstwerke waren damals nur in der Woche nach Pfingsten einem breiteren Publikum zugänglich.
Diese gestickten Niedersächsischen Bildteppiche wurden als Kunstwerke immer sehr ernst genommen. Die frühesten entstanden im 13. und 14. Jahrhundert. Das Sticken bedeutete für die hochgebildeten Klosterfrauen ein Teil ihres spirituellen Lebens. Im Herstellungsprozess verbildlichten sie ihre Kenntnisse und ihre Glaubensvorstellungen. Ihr Ziel war es im Betrachter später innere Bilder auszulösen. Mit ihrer Handarbeit suchten sie die Geistiges mit dem Sinnlichem in Einklang zu bringen.

Entsprechende Thesen wurden von der deutschen Historikerin Tanja Kowagner in einer Studie dargelegt und 2006 als ihre Dissertation veröffentlicht.
   
  3.) Nun möchte ich zu Rosmarie Freys Teppichgeschichten zurückkommen:
Ihre Technik ist die in Basel verwurzelte Wirktechnik, zudem hatte sie ihr eigenes Vorgehen durch weitere Studien, z.B. der französische Tapisserien noch selber entwickelt.
Was den Inhalt und die Darstellung betrifft, so beeindruckte sie das Vorgehen der Wienhauser Klosterfrauen. Sie wählte und studierte nun eine literarische Vorlage, z.B. ein mittelalterliches Heldenepos.

- der „Cantar del mio Cid“ – 1955 – geht zurück auf ein Heldenepos aus der spanischen Literatur. Dafür und für den „Don Quijote“ lernte sie eigens spanisch und übersetzte den originalen Text, um die Geschichte möglichst originalgetreu wiedergeben zu können.
Aehnlich gestaltete sie den
- mittelalterlichen französischer Versroman „Roman de la Rose“ – 1958 (nicht ausgestellt).
- oder auch das „chanson de Roland“ – 1988 - .

Die Teppichkunst als solche ist traditionellerweise der Fläche verpflichtet. Bei Rosmarie Frey entsteht ein Raumeindruck z.B. durch verschieden gross gestaltete Gebäude. Auch achtet sie darauf, dass die Szenen innerlich zusammenhalten und ein Ereignis ans nächste gereiht erscheint. Dekorative Muster bis hin zu abstrakten Formen umrahmen die gegenständlichen Szenen und in manchen Beispielen bilden sie mit diesen ein spannendes Wechselspiel.

Inzwischen kann die Rosmarie Frey auf ein beachtliches Werk zurückblicken. Hier sind die Beispiele ausgestellt, welche sich noch in ihrem Besitz befinden. Daneben führte sie Auftragsarbeiten aus (z.B. das Leben des Heiligen Martin, 1968, für die Lichtensteinische Gemeinde Eschen) oder verkaufte anlässlich von Ausstellungen. Es entstanden z.B. Stadtansichten von Basel, von Bottmingen, ja von Rheinfelden. Ebenso Naturmotive, Landschaftsbilder, religiöse Motive. Auch die neuere Dichtung inspirierte sie: ich nenne etwa Leo Tolstoi „die drei Brüder“, oder Eduard Mörike „die schöne Lau“.
   
  4.) Die Arbeiten von Rosmarie Frey sind gegenständlich und sie befindet sich damit in der Tradition der Teppichkunst. Aber auch sie blieb von der Entwicklung dieser Kunstgattung im 20. Jh. nicht ganz unberührt. Dies ist vor allem darin zu sehen, dass sie ihre Arbeiten selber entwirft und ausführt.

Im 20. Jahrhundert entwickelte sich die Textilkunst zur eigenständigen Kunstrichtung. Die Grenzen zwischen freier und der angewandter Kunst erweiterten sich. Neben den eigenen Entwürfen entwickelten die Textilkünstler neuen Formen: sie stellten überlieferten Regeln und Techniken in Frage.

Besonders bleiben die Teppiche nicht im 2-Dimensionalen, sie bewegen sich in den Raum, werden zur textilen Skulptur. Starke Künstlerpersönlichkeiten aus USA , auch aus Osteuropa begründeten diese internationale Bewegung. Ich erwähne hier die Biennalen der Tapisserie in Lausanne, die von 1962 bis 1995 mit immer wieder neuen Ideen überraschten und ein Forum für die Entwicklung dieser textilen Kunstrichtung bildeten.
 

Anne Wanner-JeanRichard, Dr.phil
Rheinfelden, 12. Januar 2010

   

 
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