ANNE WANNER'S Textiles in History   /  machine embroidery

 
  Berufsbild: Stickereizeichner - Vergrösserer

von Joseph Schoch, Bischofszell TG, Schweiz
Zusammenstellung und Fotos durch: Josef Schoch CH-9220 Bischofszell, 26.Aug. 2014/JS1

       
  Der Entwerfer (1) zeichnet seine Entwürfe im Massstab 1:1 auf Rapportpapier mit einem Linienabstand von 2/4 franz. Zoll (= 1,353 cm) mit harten Kohlestäbchen (aus Birkenholz). Ideen holt sich der Entwerfer entweder aus der Natur, Ausstellungen oder Skizzenheft. Dieses gerasterte Rapportpapier richtet sich nach dem Abstand der Sticknadeln von der Hand-Stickmaschine.

1) aus „Entwerfer unbekannt, Entwurf weggeworfen" von Urs Hochuli und Dr.Anne Wanner, Firmenschrift Stehle Druck AG. 1994
    Weitere Linienabstände des Rapportpapieres sind:
2/4 = . .½ franz. Zoll = 1,353 cm
4/4 = 1 ....franz. Zoll = 2,706 cm
6/4 = 1 ½ franz. Zoll = 4,059 cm

..8/4 = 2 franz. Zoll = 5,412 cm
12/4 = 3 franz. Zoll = 8,118 cm
  Dann wird die Reinzeichnung mit Raumaufteilung und Rapport im Massstab 1:1 gezeichnet.
 


Reinzeichnung 1:1 positiv

 


zum Hochziehen, seitenverkehrt
kopfüberf (oben ist unten) positiv

 

Diese Reinzeichnung 1:1 mit Rasterabstand .2/4 (= ½ franz. Zoll = 1,353cm) wird auf die Rückwand des Vergrösserungsapparates (Ortiskop) mit Reissnägeln befestigt und zwar seitenverkehrt, kopfüber (oben ist unten), positiv und wird mittels Schnur bis zur Glühbirne (Laterna Magica) hochgezogen. Die endgültige Höhe wird so lange variiert bis diese Rapportlinien übereinstimmen mit dem sechsfach vergrösserten Rapportpapier 12/4 = 3 franz. Zoll = 8,118 cm. Mittels zweier Glühbirnen wird diese Reinzeichnung 1:1 positiv durch die Optik via Spiegel auf den schräg verstellbaren Zeichnungstisch auf transparentes Rapportpapier, (mit unten liegenden Linien) mit kleinstem Abstand des Rasters von 2/4 = ½ franz. Zoll = 1,353 cm, 6 fach vergrössert, seitenrichtig, in verdunkeltem Raum projiziert.

Dieser Positiventwurf wird korrigiert, ergänzt und durch den Vergrösserer die projizierten Konturen des Stickmotivs mit weicher Kreide (Mischung von Graphit und Kohle), Kreide-Minen Nr. 2933, weich,
Ø 3,15 mm, 130 mm lang von FABER-CASTELL Nürnberg (oder Hardtmuth CS) für Klemmstift, oder mit Bleistift nachgefahren und so die Zeichnung erstellt. Korrekturen liessen sich leichter wegwischen mit Zunder.

An seinem persönlichen Arbeitsplatz kehrt er das Transparentpapier um. So ist jetzt die Darstellung negativ.
Die Beschriftung, weitere Hinweise und die Stichanzahl, (als Entschädigungsgrundlage für den Handsticker) werden nun auf der oben liegenden negativen Papierrückseite in Spiegelschrift eingetragen.

Weitere genaue Bearbeitung der Zeichnung erfolgt mit Reisszeug (Messing), Tuschfeder und Zirkel mit grüner Kopiertinte. (Malachitgrün/Diamantgrün von Ritter St.Gallen).



sechsfach vergrössert mit grüner Tinte auf Transparentpapier, negativ auf Arbeitstisch des Zeichners


Zum Einzeichnen der Stiche für den Handsticker rädelt der Vergrösserer das Stickmotiv mit Stichrädli verschiedener Grössen (den jeweiligen Garnstärken entsprechend) nach z.B. 8,10,11 etc. um so die Stichreihenfolge für den Sticker festzulegen.

Die obige, fertige Zeichnung, seitenverkehrt, negativ wird auf einen angefeuchteten, weichen Stickerkarton gelegt (unten), mittels Falzbein abgerieben oder durch die Kopierpresse getrieben und auf den Karton übertragen. Dadurch entsteht die Positivzeichnung für den Handsticker, der dann mit dem Pantograph der Stickmaschine die Zeichnung abtastete und den Stickvorgang auslöste. Die Stickerei wird sechsfach verkleinert und dadurch wieder gleich gross wie der anfängliche Entwurf/Reinzeichnung 1:1.



Positive Zeichnung für den Pantographen-Handsticker, auf Karton


Damit allfällige Dickendifferenzen beim Kopieren durch die Kopierpresse ausgeglichen werden konnten, bestand der Aufbau aus:

    • Linoleum
• Original Negativzeichnung mit grüner Tinte ins Reine gezeichnet
• angefeuchteter Karton für sechsfache Vergrösserung
• Linoleum
 

Die fertige, positive, sechsfache Vergrösserung heftet der Handsticker an die Stickmaschine, wo er mittels dem Pantographen das Muster stickte.
Die Stickerei wird auf der Stickmaschine sechsmal verkleinert und dadurch wieder gleich gross wie die Reinzeichnung 1:1 vom Entwurf.


Fertige Stickerei auf Baumwollgewebe


Die beschriebenen Arbeitsschritte wurden durch Herrn Josef Hess im Saurer-Museum Arbon und dem Autor im Jahre 2014 als Rekonstruktion erfolgreich ausgeführt mit freundlicher Unterstützung des Ortsmuseum Flawil, wo auch ein Vergrösserungsapparat vorhanden ist.


Zeichnungsschule St.Gallen für die Ausbildung der Vergrösserer:
Die Dauer der Prüfung beträgt für Stickereizeichner - Vergrösserer mindestens 6 Tage gemäss Regulativ vom 04. April 1893.
Diese umfasste:

    a) Auffassung des Dessins
b) Formenschönheit
c) richtige Verteilung
d) Praktische Ausführung (Technik)
e) Leistung

  1998 wird die Stickerei-Zeichenschule. gegründet 1867, in die Schweizerische Textilfachschule Wattwil SG integriert.
Die frühere Berufsbezeichnung „Vergrösserer" heisst jetzt neu „Techn. Stickereizeichner".

 


Vergrösserungsapparat
Gustav Wollner DE-PLAUEN No 1128
Patentschrift DE No 28391 vom 26.08.1884

 


Seitenansicht
Laterna Magica - Optik - Spiegel

 


Kopierpresse
ALEXANDERWERK RIEGER

 


Uebertrag der Negativzeichnung
zur positiven Stickervorlage

 
  Dank: Für die Mitarbeit und Informationen gilt ein grosser Dank an die Herren:
Dr. Heino Strobel D-Plauen, Josef Hess Saurer-Museum Arbon TG, Bernhard Holenstein Dreien SG, Schärli Urs Orts-Museum Flawil SG, Gottlob Lutz Textilmuseum Sorntal.
Und ein besonderes Dankeschön gebührt Herrn Dr. Heino Strobel für die Ergänzungen und Korrekturen.

Zusammenstellung und Fotos durch: Josef Schoch CH-9220 Bischofszell           26.Aug. 2014/JS1
         

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