ANNE WANNER'S Textiles in History / publications

Kirchengewänder und Altartextilien, aus Ausstellungskatalog "Klosterarbeiten aus dem Bodenseeraum", Bregenz 1986, S. 73-85, in german language, by Anne Wanner-JeanRichard:

     
     
  Anmerkungen und Literatur:
1 Walther, Silja, Vom Sinn der Arbeit im Benediktinerkloster, in: Heimatwerk, Nr. 3. 1977
2 Kroos, Renate, Farbe liturgisch (katholisch), in: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte 7. Band, Seite 54, München 1981
3 Suter, Robert Ludwig, Kirchenparamente in blauer Farbe, in: Von Farbe und Farben, Albert Knoepfli zum 70. Geburtstag, Zürich 1980
4 St. Aubin de, Charles Germain, Designer to the King 1770, Art of the Embroiderer, translated and annotated by Nikki Scheurer, Commentaries by Edward Maeder, Los Angeles 1983
5 Heinz, Dora, Meisterwerke barocker Textilkunst, in: Ausstellungskatalog, Wien 1972
6 Suter, Robert Ludwig, 3 gestickte Kaseln, Werk der Luzerner Ursulinen, in: Der Geschichtsfreund“, 134. Band, Seite 167, 1981, und: Kunigunda von Fleckenstein 1651-1707, eine Luzerner Blumenmalerin mit der Nadel, in: Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern Nr. 6, S. 36-46, 1988
7 Reinle, Adolf, Luzerner Volkskunst, in: Schweizer Heimatbücher, S. 11, Bern 1959
8 Suter, Robert Ludwig, Johanna Baptista Herzog von Beromünster, in: Heimatkunde des Michelsamtes, 1982
9 Suter, Robert Ludwig, Scholastica An der Allmend, eine Luzerner Paramentenstickerin der Barockzeit, in: ZAK, Band 25, Heft 3, 1968, und: Aus Seide und Goldfaden, Kirchenzierden in den Sakristeischränken der Stiftskirche Beromünster, Einsiedeln 1992
10 Suter, Robert Ludwig, Die Altarornate des Stiftes Beromünster, in: ZAK, Bd. 30, S. 13, 1973
11 Poeschel, Erwin, Stift St. Gallen, Paramente, in: die Kunstdenkmäler des Kantons St. Gallen, Band 3, Seite 270
12 Bock von, Gisela, Perlenstickerei in Deutschland, bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, Diss., Bonn 1966
13 Vokabular der Textiltechniken, Deutsch, hgg. Vom Centre International d’Etude des Textiles Anciens, Lyon, 1971
14 Stummel, Helene, Die Paramentik von Standpunkt des Geschmackes und Kunstsinnes, S. 17, Kevelaer 1905
15 Flüeler, Sr. M. Augustina, Paramente, Zürich 1949, Seite 17, 19

Publikationen R.L.Suter, vgl. auch
Bibliography of articles by Can. Rudolf Ludwig Suter (1912-1995):
 
     
  EINSTIMMUNG

Die vorliegende Untersuchung möchte den vielfältigen Hintergründen, dem Zusammenspiel von Material, Technik, Formen, Bildern und religiösem Kult nachgehen, die schliesslich zu den Pracht-Stoffen für Priestergewand und Altar führen. Da verschiedene Textilarbeiten auch in Klöstern entstanden, seinen einige Gedanken zur Arbeit im Kloster vorangestellt.

Die Arbeit ist Bestandteil des klösterlichen Lebens, ebenso wie das Gebet und die Lesung (Meditation, Studium). Arbeit bedeutet Selbstversorgung im Haus, im landwirtschaftlichen Bereich oder im Garten, dazu gehören Handarbeit und sinnvolles Kunsthandwerk. Oft ist sie auch von Bedeutung als zusätzlicher Broterwerb, da in manchen Fällen Selbstversorgung und Spenden zum Unterhalt nicht genügen.

Bereits Benedikt von Nursia hielt im 5. nachchristlichen Jahrhundert die Bedeutung der Arbeit in einer Regel fest. Für den Mönchsvater ist das Eingehen des Individuums ins Ganze, in die Einheit der Familiengemeinschaft des Klosters von entscheidender Wichtigkeit, auch die Arbeit im Kloster muss der Gemeinschaft dienen und muss somit frei sein von
 

Rivalitätsproblemen. Ein Wettbewerb der Leistungen ist hier nicht denkbar. Begabte sollen ihr Handwerk in aller Demut ausüben. Ist aber einer auf sein Können stolz, so muss er sein Handwerk aufgeben und darf nicht wieder dazu übergehen, bevor er sich gedemütigt und vom Abt aufs Neue die Erlaubnis erhalten hat (vgl. Regel Kap. 57).

Auf diese benediktinische Regel geht auch die eindrückliche Beschreibung der klösterlichen Arbeitsauffassung von Sr. Hedwig aus dem Kloster Fahr zurück, die unter ihrem bürgerlichen Namen Silja Walther (1) weit herum bekannt ist. Nach ihren Ausführungen wird die Arbeit im Kloster zum Ausdruck und Beweis der Hingabe an Gottes Willen. Sie bedeutet nicht Selbstverwirklichung sondern ergeht als eine Daseinsbestimmung an den Menschen. Die Regel des hl. Benedikt versteht unter Arbeit weiterhin einen Lehrgang der Nachfolge Christi und nicht zuletzt bedeutet Arbeit Gehorsam: Arbeiten nach bestem Können, ohne zaudern und ohne Murren. Das Schweigen bei der Arbeit wird zum Bedürfnis, erhöht die Qualität.

 
     
  PARAMENTIK

Liturgie und Kunst stehen in der katholischen Kirche in enger Beziehung zueinander. Einerseits will der glaubende und betende Mensch zur Verherrlichung Gottes das Beste aufbieten was menschliches Können zu schaffen vermag, andererseits soll die sakrale Kunst den Sinn des Menschen auf Gott hin lenken. Der Mensch des Barockzeitalters sieht in der Kirche das Abbild des himmlischen Jerusalems und findet in ihr schon auf Erden das Unterpfand himmlischer Herrlichkeit.

In der Liturgie wird die Kunst zum Werkzeug der Verdeutlichung der überirdischen Wirklichkeit. Das Göttliche wird in ihr durch das Menschliche ausgedrückt, und weil der Mensch in Bildern denkt, wird so das Unsichtbare durch das Sichtbare verdeutlicht. Besonders in der Abendmahlsfeier (Messfeier, Eucharistie) vollzieht sich das Werk der Erlösung des Menschen, deshalb strebt das kirchliche Tun diesem Höhepunkt zu.

Die vornehmsten Kultgeräte sind Kelch und Patene. Der Messkelch ist zur Aufnahme des Weines bestimmt und auf der tellerförmigen, schmucklosen Patene liegt die Hostie des Priesters. Das Ciborium, ein turmartiges Gefäss, nimmt die Hostie für die Gläubigen auf. Altar und Geräte, die liturgische Person und die Kirche selber können mit kostbaren Stoffen reich verziert sein. In ihrer Gesamtheit bezeichnet man solche Textilien als Paramente, ein Begriff, der vom lateinischen „parare“ (zubereiten) herkommt. Im Folgenden sei kurz auf einige der bedeutendsten Formen eingegangen:

Während der Messe liegt das kaum verzierte, rein leinene Corporale unter dem Kelch. Es ist etwa 45 x 50 cm gross und wird, in neun Felder gefaltet, später in der taschenartigen Bursa aufbewahrt. Mit der Palla wird die Patene während der Messe bedeckt, und das Kelchvelum verhüllt Kelch, Patene, Palla.

Auch die Altarbehänge können verziert sein. Solche Antependien gehörten früher zum unerlässlichen Bestand, sind aber im 19. und 20. Jahrhundert nicht mehr üblich. Die liturgische Gewandung bezeichnet die Verschiedenheit des Priesters und trägt zudem zur Würde des feierlichen Brauches bei. Allen geistlichen Würdenträgern gemeinsam ist die Albe. Wenn keine Kasel getragen wird, kann man sie durch ein Chorhemd ersetzen. Die Albe ist ein Untergewand und muss aus reiner Leinwand gefertigt sein. Am Saum ist sie oft mit Spitzen besetzt oder mit Weissstickerei verziert, und der Umfang kann 3 – 3,5 m betragen.
 

Ein Gürtel, das Cingulum, aus Leinen, Hanf oder Seide hält diese Stoffmenge zusammen.

Die Kasel ist ein Obergewand, in welchem Bischöfe und Priester die Messe zelebrieren, und wohl das bekannteste Messgewand. Nur beste, kostbarste Gewebe verwendete man bei der Verarbeitung. Aus dem Jahre 889 ist eine Vorschrift bekannt, nach welcher alle Priester eine Kasel aus Seide vorrätig haben sollen. Inventare vom 13. bis 15. Jahrhundert melden viel Seide, daneben aber auch Leinen, Baumwolle, Wolle. Aus dem 18. Jahrhundert stammen die Kaseln aus Stroh und in Deutschland, Oesterreich und in der Schweiz auch solche aus Leder. Die Kaseln entwickelten sich aus der Profantracht der griechischen/römischen Welt. Bis zum 13. Jahrhundert waren die Glockenkaseln kreisrund mit Kopföffnung in der Mitte (casula bedeutet kleines Haus). Danach lässt sich das Bestreben verfolgen, die sakralen Gewänder zu kürzen. Zunächst geschah dies seitlich, das Zusammenraffen des Stoffes auf den Armen wurde wohl als immer mühsamer empfunden. Im 17. Jahrhundert kürzte man die Kaseln vorne und hinten und zudem erhielten sie ihre charakteristische bassgeigenartige Form.

Neben der Kasel gehören auch Dalmatik und Tunicella zu einem Ornat (dies ist die Gesamtheit der für ein feierliches Hochamt verwendeten Gewänder). Es sind dies die Obergewänder der Diakone und Subdiakone, also die Assistenten des zelebrierenden Priesters. Sie sind wie die Kaseln seitlich offen, haben aber Aermel. Zugehörig zu dieser Gruppe ist das Pluviale, auch Chormantel oder Rauchmantel. Bischöfe und Priester tragen diesen halbkreisförmigen Mantel dann, wenn die Kasel, die ja Messgewand ist, nicht gebraucht werden kann, also für Prozessionen, Einsegnungen, Sakramentspendung.

Die liturgischen Abzeichen bilden ebenfalls Bestandteil des Ornats und sind oftmals aus dem selben Stoff verfertigt: Der Manipel, ein ca. 1 m langes Band, wurde auf dem linken Arm getragen und die etwa 2 – 2,5 m lange Stola um den Hals gelegt.
Das Pallium kommt dem Papst und den Erzbischöfen zu. Es besteht aus einem etwa 6 cm breiten Ring um Nacken und Brust, vorne und hinten hängt ein Streifen gleicher Breite herab. Als Kopfbedeckung sei die Mitra erwähnt. Diese versteifte Mütze, die auf der Rückseite mit zwei Behangstreifen verziert ist, gehört zum Papst, zu Bischöfen, Kardinälen und Äbten.
 
       
  FARBEN

Die Farben (2) der Paramente sind nicht zufällig gewählt, und verfolgt man die Entwicklung der Priestergewänder, so lassen sich die Farben betreffend, drei Hauptabschnitte unterscheiden:

Im Mittelalter gab es mehrere Verzeichnisse über Gottesdienstliche Verordnungen, z.B. in Rom die „Ordines Romani“ seit dem 8. Jahrhundert, die „Consuetudines“ der Klöster vom 10. bis 12. Jahrhundert. Ein einheitlicher Gebrauch der Farbe lässt sich aus diesen Quellen nicht ableiten. Ambrosius hatte im 4. Jahrhundert bestimmten Heiligengruppen einzelne Farben zugewiesen, z.B. Weiss für die Jungfrauen, Rot für die Märtyrer, Violett für die Bekenner. Man kann aber nicht nachweisen, dass sein Text den Gebrauch entsprechend gefärbter Paramente anregte.

Seit dem 12. Jahrhundert nahm die Kirche vermehrt materielle Werte in ihren Dienst, um besser das Ideal des Gottesstaates auf Erden verwirklichen zu können. Nun diente die Farbe als Hinweis auf bestimmte Glaubensinhalte. In Rom legte Innozenz III. seine Farbregeln ca. um 1200 in der Schrift „de sacro altaris mysterio“ fest. Diese Regeln waren vor allem für Rom gedacht und beanspruchten nie Rechtsverbindlichkeit für andere Kirchen. Innozenz III. fasste vielfältige Einzelregeln zusammen und fügte eine Liste von Begründungen bei, die er durch zahlreiche Bibelzitiate belegte. Bei ihm kommen folgende Farben vor: Weiss für Christus und Marienfeste (ausser Passion), Engelfeste, für die Geburt Johannes des Täufers und für alle Bekenner-, Jungfrauen-, Allerheiligenfeste. Rot ist die Farbe für Pfingsten, für die Passion Christi, für Apostel- und Märtyrerfeste, Schwarz für Busszeiten wie Advent, Fastenzeit, Karfreitag, Totenmessen, Violett für den Tag der unschuldigen Kinder und für den Sonntag Laetare. Schliesslich verwendete er Grün mit der Nebenfarbe Gelb für alle festlosen Tage des Kirchenjahres.

Pius V. wollte nach der Glaubensspaltung der Reformation die Einheit der Kirche im Kultus erneut sichtbar machen und 1570, am Konzil von Trient, verfasste er im Missale Romanum verbindliche Regelungen. Diese Ordnung, die gleichermassen galt für Dom-, Stifts-, Pfarrkirchen und für Kapellen, Welt-
 

und Ordensgeistliche, Frauen- und Ritterorden, stützte sich auf die Regeln von Innozenz III. Die Farben Weiss, Rot und Grün wurden unverändert aus der römischen Tradition übernommen. Violett und Schwarz stehen nebeneinander.
Obwohl für die Einführung ein halbes Jahr vorgeschrieben war, geschah dies vielerorts nur zögernd. In Deutschland nahm man die Regeln erst ab 1600 langsam auf, Frankreich hatte seine eigene Farbordnung im 17. Jahrhundert, die erst im 19. Jahrhundert aufgehoben wurde. Auch durften Farben, die auf eine mindestens 200jährige Gewohnheit zurückgingen, beibehalten werden, übrige Abweichungen bedurften kurialer Genehmigung.

Das im Mittelalter häufig gebrauchte Blau war 1570 aus dem römischen Farbkanon gestrichen worden. In Spanien bleib aber Blau für Marienfeste bis heute beliebt. Auch in der Schweiz sind blaue Messgewänder erhalten geblieben. So findet sich bereits 1330 die folgende Eintragung in den Inventarbüchern der Luzerner Hofkirche: „ein allt Blauw geföglet (?) Sametin mesgwand mit einem gespängelten Crütz, gaben die Edlen von Turn vnd Moss“ (3) oder 1550 im Kloster Einsiedeln: „ein plaw Messgwand mit bärlin (Perlen) lut: Ave Maria gratia plena“.

Unter den erhaltenen blauen Paramenten seien das sogenannte Zwingli Messgewand (Seidengewebe Italien 14. Jahrhundert) in Engelberg, das Drachenmessgewand (18. Jahrhundert) in der Luzerner Hofkirche, eines der Messgewänder (1708) vom Stift Beromünster erwähnt.

Rosa als Nebenfarbe von Violett war seit 1729 zugelassen. Seit Renaissance und Barock trat in Süddeutschland und Österreich die plastische Goldstickerei stark in den Vordergrund. Im Rokoko deckte sie vielfach den Stoff und seine Farbe fast ganz zu. Solche bunten Paramente wurden gern an Allerheiligen getragen.

Die Ostkirche gebrauchte die Farben freier. Für Hochfeste verwendete sie helle, leuchtende Töne, für Trauer- und Fastenzeiten dunkle Farben.
 
     
  GEWEBE

Seidengewebe wurden vom 17. bis 19. Jahrhundert zwar in Klöstern verarbeitet, man webte die Stoffe aber nur selten in solchen. Die Kunst der Seidenweberei hatte sich in einzelnen, besonders dafür geeigneten Städten entwickelt. Komplizierte technische Einrichtungen gehörten zu diesem Gewerbe, Erfindungen wurden häufig gemacht und Nachrichten darüber sind vorhanden. Die ganze Entwicklungsgeschichte der Seidenweberei ist gut bekannt, was unter anderem die zeitliche Bestimmung der erhaltenen Gewebe erleichtert.

Die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert ist geprägt von einer Verlagerung der Schwerpunkte. Lange hatte Italien mit Lucca, Venedig, Mailand, Genua eine führende Stellung eingenommen. Hier entstanden zuerst die prachtvollen Samte. Auch haben die italienischen Seidenstoffe der Renaissance ein gemeinsames Leitmotiv, dem man im 19. Jahrhundert den Namen Granatapfelmuster gab. Historiker bezeichnen dieses grossteilige Pflanzenornament, das mit dem botanischen Granatapfel kaum übereinstimmt, als den ersten primär europäischen Seidenstil. Das Motiv des Granatapfels kommt auch in der Malerei, im Zeugdruck, in der Stickerei vor.

Ludwig XIV., der 1661 die Macht übernahm, und sein Minister J.B. Colbert setzten sich zum Ziel, dass die französische Kunst ganz Europa als Vorbild dienen sollte. Zu dieser Zeit hatte sich das seit dem Mittelalter nur wenig veränderte italienische Musterrepertoire allmählich erschöpft. Colbert sorgte nun dafür, dass jede Gattung des Kunstgewerbes nicht nur ästhetisch einwandfrei war, sondern auch einen technischen Höhepunkt erreichte. Ein staatliches Reglement von 1667 garantierte für die Seidenstoffe aus Lyon makellose Qualität. Lyon und Tours erfreuten sich besonderer königlicher Gunst und wurden zum Zentrum der französischen Seidenindustrie. Ausserhalb Frankreichs entstehende Seidenmanufakturen konnten ihnen nicht gleichkommen, weil dort der direkte Kontakt mit Paris fehlte, wo die Mode jeweils entstand.

So blieben Lyon und Tours das ganze 18. Jahrhundert hindurch die grossen Nutzniesser von Ludwigs Kunstpolitik. Bedeutende technische Neuerungen in der Weberei stammen aus Lyon: ein Webstuhl, auf welchem sich grosse polychrome Musterungen herstellen liess, erfand Claude Dangon zwischen 1605 und 1607. Die sogenannten „Points rentrés“, ein Webverfahren, welches zum ersten Mal malerische
 

Farbübergänge ermöglichte, gehen auf den bedeutenden Musterzeichner Jean Revel (1684-1771) zurück, Joseph Maria Jacquard entwickelte 1808 einen Aufsatz zum Webstuhl, mit welchem sich auf ein und demselben Webstuhl verschiedene Muster ohne die aufwendige Neueinrichtung weben liessen. Der Zugjunge erübrigte sich und dies bedeutete eine schnellere und billigere Arbeitsweise.

Der Kontakt mit fremden Ländern hinterliess Spuren in den Musterstilen. Frankreich war die letzte Kolonialmacht, die ihren Handel mit dem fernen Osten organisierte, und 1664 gründete Colbert die „Companie des Indes Orientales“.
Von China importierte Stoffe waren dermassen begehrt, dass die Einfuhren zu wiederholten Malen verboten werden mussten, um die eigene Industrie zu schützen. Um die Käuferschaft dennoch zufrieden zu stellen erfand man eigene Chinoiserie-Motive, welche, wie man heute glaubt, zu den sogenannten bizarren Stoffen führten. Zwischen 1695 und 1720 entstanden so die seltsamen asymmetrischen Flächengliederungen mit Mischformen von Blumen und Phantasietieren. Später verarbeitete man chinesische und japanische Motive von Lackarbeiten direkt in die Textilkunst. Seit den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts erscheinen Pagoden, Pavillons, Zierbrücken, auch Chinesen mit Spitzhüten, sowie phantastische oder natürliche Blumen durchmischt mit Sonnenschirmchen, Tieren, affenartigen Wesen.

Weitere Motive des 18. Jahrhunderts sind die Spitzennachahmungen. In einer ersten Form am Anfang des Jahrhunderts, bilden sie oft Hintergrund für achsensymmetrische Palmettenfiguren in Vasen, seit ca. 1740-1775 begleiten die gewebten Spitzen wellig aufsteigende Blüten und Blattranken. Jean Revel hatte zwischen 1730-40 einen neuen Naturalismus in den Seidenstil gebracht, den man auch im übrigen Europa nachahmte.

Die englische Musterzeichnerin Anna Maria Garthweite (1690-1763) wurde besonders berühmt für ihre grossen Blüten, für ihre Lilien und Glyzinien. Gegen das Ende des Jahrhunderts verlieren diese Ranken ihre Üppigkeit und werden häufig begleitet von Vertikalstreifen. Die Motive erscheinen kleinteiliger und reduzieren sich auf Streifen- oder Streumuster. Während des Directoire (1795-99) liebte die Mode vorwiegend ungemusterte Stoffe.

       
 



Detail of vestment of J.Ignaz Am Rhyn, Beromünster
similar to fabbrics as designed by Jean Revel, 1742



Detail of Chasuble, fabbric with imitation
of white lace , end of 18th c.

 
       
  STICKEREI

Die grossen Strömungen und Entwicklungslinien in der Stickkunst sind heute noch recht unbekannt, denn Angaben in alten Inventaren erscheinen meistens nur stichwortartig und Fakten aus Rechnungsbelegen sind vielfach dürftig. Sticker blieben in den meisten Fällen anonym, ihre Arbeiten signierten sie sehr selten und so wird es fast zu einem Ding der Unmöglichkeit ganze Werkverzeichnisse anzulegen. Die Ergebnisse einiger neuerer Untersuchungen seien im Folgenden kurz genannt, und dabei die Entwicklung in der Schweiz besonders berücksichtigt:

Im 18. Jahrhundert war der französische Hof auch für die Stickerei von grosser Bedeutung, ja tonangebend. In der Pariser Stickerzunft waren im Jahre 1779 262 Sticker registriert, davon blieben
jedoch im Revolutionsjahr 1789 nur gerade elf übrig. Der offizielle Stick-Entwerfer von Louis XV. war der aus Frankreich stammende Charles Germain de St. Aubin. Seine Theorien mit genauen Angaben zu Sticktechniken seiner Zeit sind in seinem Buch „L’Art du Brodeur“ erhalten. Das Besondere an diesem Werk sind die Beschreibung von Techniken (4).

Reine Vorlagenwerke, Sammlungen von Mustern, gab es seit dem 16. Jahrhundert. Das Sticken hatte im 18. Jahrhundert einen hohen Stellenwert erlangt, dieser Zeitvertreib bedeutete gleichviel wie erzogen und kultiviert zu sein und war eine der wenigen Arbeiten, welche auch reiche Leute tun durften.
 

Währendem sich die weltliche Stickerei im 18. Jahrhundert vor allem in Frankreich zu hoher Perfektion entwickelte, hat die Stickerei im kirchlichen Bereich eine lange Tradition. Sie wurde häufig im Kloster geübt und Kirchengewänder und Textilien des Altars sind eines der wichtigsten Anwendungsgebiete.

Über Sticker in Österreich und in Wien gibt es einige Untersuchungen. Daraus geht hervor, dass manchmal bürgerliche Frauen für Kirchen arbeiteten (5). Gewisse einfachere Techniken, wie die sogenannten Gobelinarbeiten konnten ungelernte aber geschickte Frauen ohne weiteres ausführen. Vielleicht verlangten sie auch weniger für ihre Arbeit und wurden damit zur ernsthaften Konkurrenz für gelernte Handwerker. Goldreliefarbeit hingegen, welche als die schwierigste Sticktechnik galt, übertrug man gerne Berufsstickern. Unter ihnen sei der bürgerlich Sticker Joh. Jak. Ellermansperger, geb. 1670, erwähnt, welcher unter anderem in Klosterneuburg arbeitete, oder der 1715 in Würzburg geborene Wilhelm Jacob Seberth. Von 1749 bis zu seinem Tode 1765 war Seberth Weltpriester in Wien und daneben muss er gestickt haben, denn von ihm signierte Kaseln sind erhalten. Andere gestickte Paramente werden ihm zugeschrieben, weil deren ungemein reiches Bildprogramm mit vielen theologischen Bezügen auf einen Geistlichen als Schöpfer hindeutet.
 
 





Detail of Chalice Veil, embroidered by
a sister of the convent of Gnadenthal for
Jost Ranuntius Segesser von Brunegg





Detail of Chalice Veil, embroidered by
Scholastica An der Almend, 1696, in Beromünster, Switzerland

 

Klosterfrauen
führten ebenfalls Seidenstickereien aus. So entstand um 1700 im Ursulinenkloster in Wien ein prachtvoller Rosenornat, der auf eine hoch qualifizierte Stickkunst in diesem Kloster hinweist. Ursulinen werden besonders häufig als Schöpferinnen besonderer Stickereien genannt. In vielen Städten in Europa bis nach Irland (Blackrock, Cork) wurden sie für ihre Förderung der Handarbeit bekannt. Der Orden der Ursulinen geht zurück auf eine Vereinigung, welche 1535 in Brescia (Italien) entstand. Im beginnenden 17. Jahrhundert hatten die meisten Niederlassungen die Augustinerregel angenommen und waren zum kanonischen Orden geworden. Von Dôle in Frankreich aus erfolgte 1634 eine Gründung in Freiburg i. Ue. und von hier aus entstand 1659 eine Niederlassung in Luzern, die ihrerseits ein Haus in Freiburg i.Br. gründete. Diese Dôler Kongregation sieht in der sorgfältigen Mädchenerziehung und Töchterausbildung ihren Hauptzweck und die Mädchenschulen entwickelten sich zum Gegenstück der jesuitischen Knabenschulen.

In Luzern errichteten die Ursulinen in den Jahren 1676-81 ihr Kloster Maria Hilf am Abhang der Musegg. Der Orden bestand bis 1847. Canonikus R.L. Suter befasste sich in mehreren Studien mit dem Werk dieser Ursulinen und Innerschweizer Stickerinnen. Er fand urkundliche Belege, nach welchen die Schwestern selber Stickereien und schöne Arbeiten verfertigten.

Bereits im Jahre 1664 sind Maria Sibylla und Anna Margarita Pfyffer für solche Arbeiten genannt. Ein weiterer Bericht von 1693 erwähnt Leinenarbeiten: „von der Wol Ehrw. Frauw Prudentia Pfifferin“ vnden herum vnd vorn an den  Aermeln gar shöne viertellbreite spitz gemacht worden.“ Im gleichen Jahr habe die genannte Prudentia Pfyffer ein Humerale geschenkt (6) „welches sie selbst vm und vm gestickt, vnd also gar sauber gezieret hat“.

Die Ursulinen arbeiteten gerne mit glänzenden Seiden- und Goldfaden. Besonders begabt war Anna Maria Marzohl (1636-1712). Von ihr heisst es in der
 

Ursulinen Chronik: “sie war unverdrossen in der Arbeit, sonderbar wohl geübt in der Arbeit, so man der gemalte Stich oder Arbeit nennt. Sie hat einen ganzen Ornat, neben vielen anderen kleinen Sachen von dieser Arbeit für die Kirche gemacht; sie hat sich also darauf appliziert, dass ihro das Gesicht vergangen, all so dass sie vor ihrem Tod schier ein Jahr blind worden“ (7).
Nach weiteren Nachrichten zu urteilen, stickten nicht  nur vereinzelte kunstbegabte Schwestern, sondern es muss sich um eine unentwegt geübte Tradition gehandelt haben, welche hochstehende Werte der Nadelmalerei ermöglichte.

Auch über stickende Zisterzienserinnen fand R. L. Suter Nachrichten. Auf dem Vorsatzblatt eines alten Druckwerkes sind die Namen von sechs Stickerinnen handschriftlich eingetragen. Diese Nonnen lebten um 1700 im Kloster Gnadenthal im Freiamt und an erster Stelle steht der Name der damaligen Äbtissin Bernarda Kündig von Luzern, der man besonderes Geschick mit dem Goldfaden nach rühmte (8). Von den hier entstandenen Kunstwerken erhielten sich einige in Muri, in der Luzerner Hofkirche, im Schweizerischen Landesmuseum, im Kloster Wettingen-Mehrerau und in der Stiftskirche Beromünster.

Den unermüdlichen Nachforschungen von R.L. Suter ist weiterhin zu verdanken, dass von der Zisterzienser Nonne Scholastica An der Almend (1647-1722) aus Olsberg ein ganzes Werkverzeichnis von Stickereien angelegt werden konnte. Sie stickte nicht nur für ihr eigenes Kloster, sondern führte kostbare Arbeiten für Äbte aus, und man rief sie auch in andere Klöster, die über eigene Stickstuben verfügten. Zum Beispiel bat der Abt von Lützel um ein Kelchvelum. Die Antwort von Scholasticas Vorgesetzter, der Äbtissin von Olsberg, vom 16. Februar 1686, lautete: „Allein müsste sie wissen auf wass weiss oder Manier sollches müsste sein. Wan Sie Eines mit der gemahlten Arbeit wollten haben, häte sie Ein bar Jahr daran zu tuon. Wann Sie es aber wollten mit der Erhochten arbeit wollten haben, würde es allsdan Ehender Zeit gemacht werden“ (9).

 
       
  HERKUNFT DER MATERIALIEN

Eng verbunden mit der Frage nach den Herstellern ist diejenige nach der Herkunft der verwendeten Materialien. In den meisten Fällen war man auf fremdländische Ware angewiesen, und gute Gelegenheit für Bestellungen und Käufe boten sich auf den grossen, regelmässig abgehaltenen Märkten. Zum Beispiel erscheinen in der Zeit zwischen 1630-1690 die Augsburger Händler Michael und Johann Jacob Pfalzer immer wieder mit Lieferungen an österreichische Stifte. Sehr bedeutsam gestaltete sich zudem der Handel mit Italien. In Wien ansässige, venezianische Kaufleute führten regelmässig Seidenstoffe ein. Beziehungen zu Mailand waren diesseits der Alpen ebenfalls vorhanden, dies zeigen zum Beispiel die ausführlichen Rechnungen von St. Peter in Salzburg: die Mailänder Brüder Falconetti lieferten von 1626-1630 mehrere Stoffe dahin und zudem fertigten sie die Ornate auch an. R.L. Suter, fand in Beromünster sehr genaue Nachrichten über Einkäufe in Mailand (10): 1635 erhielt Custos Ludwig Helmlin den Auftrag, anlässlich seiner ersten Pilgerfahrt ins Heilige Land in Mailand einen Ornatstoff zu suchen. Zwei Jahre später ersuchte man den als Beichtvater der Deutschsprachigen in Mailand weilenden Kapuzinerpater Humbert Schuffelberg zum gestickten Antependium einen ganzen Ornat zu „continuieren“.

Jüdische Seidenhändler, wie der in Wien wohlbekannte Jacob Salomon, werden häufig als Vermittler von Stoffen genannt. Die Beziehungen der Firma Salomon reichten von Süddeutschland bis nach Österreich, und wir finden sie zudem als Lieferanten von Stiften und Klöstern der Zentralschweiz. Nachrichten über reisende Seidenhändler sind auch in Beromünster erhalten: 1738 bestellte man bei J. Peter Gionnetina, mercante aus Mailand, ein Stück geblümten Samtes. In den Kustorei Rechnungen werden daneben Stoffhändler aus Lyon erwähnt, z.B. Ludig Morel & Compagnie. Vom Stift St. Gallen sind Stoffe aus Mailand ebenfalls überliefert,  z.B. der
 

auch als Mailänder Ornat bezeichnete Pfingstornat mit Wappen Stadelmann und der Inschrift: „Ex dono Parent. Placidi Stadelmann 1773“ (11).

Dora Heinz stellte in ihren Untersuchungen (vgl. Anm. 5) auch einige Angaben zu den Kosten der Paramente zusammen: eine einfarbige Kasel konnte man schon zu fl. 8 erwerben, bessere um 20 – 30 fl. In Rechnungen findet man Beträge für ganze Ornate von 2’000fl. und darüber. Als Vergleich lassen sich andere Sachwerte heranziehen.

So kostete zu jener Zeit ein Reitpferd zwischen 40 – 100 fl. und eine Kuh erhielt man bereits für 8 - 14 fl. Preisunterschiede beruhten auf verschiedenen Stoffqualitäten und auf der Art der Verzierung. Von besonderer Bedeutung war die Menge der verwendeten Silber- und Goldfäden, welche meistens teurer waren als die Arbeit. So erhielten die Nonnen in Passau für eine Stickarbeit 300 fl. Für das eigens in Nürnberg eingekaufte Stickmaterial dagegen bezahlte man 566 fl.

In den Jahren zwischen 1690 – 1730 fanden kostbare Seidenstoffe in enormen Mengen Verwendung. Mit dem Aufstieg der französischen Seidenweberei wandelten sich die Stoffmuster immer schneller und auch der Wunsch nach häufiger Abwechslung wurde namentlich in der Profankleidung immer grösser. Bereits ein Jahr nach seinem Erscheinen verlor ein Modestoff bis zur Hälfte seines ursprünglichen Wertes. Da kein Unterschied bestand zwischen Stoffen profaner und liturgischer Verwendung, nützten manche Kirchen und Klöster günstige Kaufgelegenheiten aus und in vielen Fällen wandelte man Profankleider in Paramente um. Dabei konnte es sich auch um Geschenke handeln, z. B. Gedächtnisstiftungen (Ornate aus Hochzeitskleidern usw.). Aber oft war der Hochadel nur daran interessiert, einen Teil der hohen Kosten für repräsentative Kleidung wieder hereinzubringen.

 
       
  Im 17. und 18. Jahrhundert war Goldfaden ein beliebtes Web- und Stickmaterial. Sogenanntes zyprisches Gold kannte man jedoch bereits im 11. Jahrhundert. Schmale Streifen aus getrockneten tierischen Darmhäuten wurde vergoldet und, vermutlich in feuchtem Zustand um einen feinen Faden aus Leinen, Seide oder Baumwolle, die sogenannte Fadenseele, gewunden. Im 14. Jahrhundert verarbeiteten Italiener und Spanier manchmal einen reinen Metallfaden (Goldlahn), der aus echtem Gold, mit viel Silber und wenig Kupfer gefertigt war. Im Allgemeinen zogen die europäischen Brokatwerber aber den Häutchengoldfaden vor.

Neben dem zyprischen Goldfaden gab es auch den breiter geschnittenen und stärker vergoldeten byzantinischen Goldfaden. Die grosse Zeit der golddurchwirkten Stoffe begann jedoch erst im 17. Jahrhundert mit Colberts Förderung der Seidenmanufakturen, das Gold kam im Gewebe als „or ciselé“ vor. In der Stickerei wurde aus technischen Gründen kein Häutchengold sondern nur Metallfaden verwendet. Der Goldfaden war oft ein vergoldeter Silberdraht, mit Zinkdämpfen behandeltes Kupfer diente als Silberfaden. Später, seit 1791, erleichterte das Galvanisieren die Technik des Vergoldens und Versilberns, und heute glänzen Kunststofffolien im Verein mit Aluminium.
  Zusammen mit dem Goldfaden erscheinen in prachtvollen Stickereien häufig Perlen. Die grossen echten Perlen werden auch als Orientperlen bezeichnet, die kleineren stammen meistens aus einheimischen Gewässern. (12). Die Perlmuschel bevorzugte kalkarme reine Gebirgswasser in kalten Gegenden, hauptsächlich in Wasserläufen des Böhmischen und Bayerischen Waldes, auch in Nordbayern, Schlesien und der Lüneburger Heide, zudem bis im 19. Jahrhundert in Russland. Im 17. Jahrhundert verringerten sich die Bestände durch Raubbau und lösten sich im 18. Jahrhundert vollständig auf. Die Perlenfischerei war nie sehr ergiebig gewesen, konnte man doch pro 100 Muscheln nur mit einer einzigen Perle rechnen und von 100 gefundenen Perlen war eine gut. Dagegen wiesen Glasperlen grössere Haltbarkeit auf. Seit der Renaissance lassen sich Werkstätten für Glasperlen in Deutschland und Italien verfolgen, seit dem 12. Jahrhundert ist eine Produktion in Venedig bekannt und Nürnberg hat seit 1535 eine Perlenmacherordnung.

Zusätzlich kommen in der Stickerei fast alle Materialien vor, neben Gold und Perlen, kostbare Steine, auch Glas, Metallfolien, Pailletten, usw.
 
       
  Am meisten findet in der Paramentenstickerei farbiges Seidengarn Verwendung. Voraussetzung für die Fadenbildung sind die Grégefäden (13), das sind die abgehaspelten Fäden der Kokons.
Aus mehreren leicht miteinander verdrehten Grègefäden entsteht ein weiches Seidengarn, die Filofloss-Seide. Kordonnet besteht ebenfalls aus Grège. Hier sind dicke Zwirnfäden in Gegenrichtung der einzelnen Fäden miteinander verdreht. Als Flockseide bezeichnet man die von der Oberseite der Kokons gebürstete Seide, welche mit anderen Abfallseiden versponnen wird. Aus dieser gesponnenen Seide, auch Florettseide oder Schappeseide, könne zum Sticken geeignete Garne hergestellt werden. Chenille ist ein spezielles im 18. Jahrhundert gerne verwendetes Material. Dieses borstige Material (Pfeiffenputzer) wird aus einem Gewebe hergestellt, dessen Kettfäden in Gruppen zusammenliegen. Man zerschneidet das Gewebe in Kettrichtung zu Streifen, an denen die kurzen, durchgeschnittenen Schussenden nun hangen, und verdreht sie zu Garnen.
Mit lose gedrehtem Grègefaden arbeitete man im 18. Jahrhundert am häufigsten. Die Stiche liegen meistens recht lang und parallel auf dem Gewebe, weil so der Seidenglanz am besten zur Wirkung kommt. Plattstich und versetzter Plattstich, Spannstich, hie und da Stielstich, auch Kreuzstich oder gewundene Knötchen werden angewendet, und für eigentliche Nadelmalereien ist der Spaltstich ein geeigneter Stickstich.

In der Schweiz ist eine Gruppe von Kaseln erhalten, bei denen Flockseide in langen Spannstichen locker auf der Stoffoberfläche liegt und mit Überfangstich befestigt ist. Diese Flockseiden-Applikation wird manchmal auch als Tiroler-Stickerei bezeichnet. Aber man kann nicht mit Sicherheit belegen, ob nur die Technik oder die ganzen Kaseln Importe aus Österreich darstellen.
  Typisch für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts und vielfach in der Weissstickerei aber auch in Seidenarbeiten vorkommend, ist der mittels Tambourierhäklein verfertigte Kettenstich.


Eine besondere Blüte erlebten im 18. Jahrhundert die Reliefarbeiten. In Österreich hatte man sie als schwierigste, nur von Berufsstickern ausführbare Stickarbeiten bezeichnet.
Interessanterweise verfertigte in der Schweiz Scholastika an der Allmend von Olsberg diese sogenannte „erhochte Arbeit“ schneller an, als die gemalte Arbeit.

Der Franzose St. Aubin nennt in seinem Buch (siehe Anm. 4) verschiedene, meist in Goldfaden ausgeführte Relieftechniken.
Er bezeichnet das Spannen von feinen Goldfäden über Pergamentformen als „Guipure-Stickerei“. Zusätzlich kommen hier Pailletten und Kantillen vor.

Eine weitere Relieftechnik sind sogenannte angelegte Arbeiten: starke Goldzwirne werden nebeneinander gelegt und mit Seidenfäden auf den Stoff genäht.

Bei der „Gaufrure-Technik“ (Waffelmuster) werden gut gewachste Fäden horizontal auf den Stoff gelegt und diese Polsterfäden ganz mit Webstichen überdeckt.

Auch die „Taillure-Stickerei“ ist eine Applikationstechnik, hier sind es ganze Stücke von Geweben, manchmal mit Polsterung, die auf dem Grundstoff befestigt werden.
 
 

AUSKLANG

Im 19. Jahrhundert stellte man Stoffe für Kirchengewänder oftmals industriell her. Für diese Entwicklung waren im Zuge der industriellen Revolution eingeführte technische Neuerungen entscheidend gewesen, so vor allem die Erfindung des Jacquard-Webstuhles. In Deutschland erlangten die Seidenwebereien Krefelds Bedeutung. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts entstanden dort spezielle Paramentenstoffe, die sogenannten „ornements d’église“. Hier waren vor allem zwei Arten von Motiven beliebt, nämlich historische Musterungen von alten italienischen Stoffen (Hirsch- oder Granatapfelmotive usw.) und Ornamentik mit kirchlichen Symbolen (musizierende Engel, Schriftbänder, Dornenkronen, Kreuznägel usw.).

Auch weisen kräftige Farben und Motive in Kartuschenrahmungen auf das 19. Jahrhundwert hin. Die Stoffe wurden in Klöstern und in dafür geeigneten Firmen verarbeitet. Besonders bekannt für solche Arbeiten waren die Stickstuben des Niederrheins. Im 19. Jahrhundert gaben verschiedene Autoren Werke über die Herstellung von Paramenten heraus. Helene Stummel, eine Entwerferin für Kirchengewänder, erkannte die Gefahren, die sich durch zunehmende Industrialisierung und Massenanfertigung in der Textilkunst zeigten, wenn sie 1905 schreib: „Die mechanische Genauigkeit der Maschine hat die Feinfühligkeit der Hand, das charakteristische, naiv künstlerische Gepräge der Stickerei des Mittelalters fast verdrängt, und der Geschäftsgeist hat die Stoffe durch ihre fabrikmässige Herstellung unter Anwendung aller nur möglicher Errungenschaften moderner
 



Technik auf das Niveau der vergänglichen Saisonartikel herabgewürdigt“ (14).

Schon im 17. und 18. Jahrhundert konnte man ja in Frankreich bereits rasch wechselnde Moden feststellen, und Kirchenhistoriker des 19. Jahrhunderts standen im Allgemeinen den gemusterten Seidenstoffen jener Epoche ablehnend gegenüber. Diese Haltung ist wohl mit ein Grund, weshalb die Kenntnis von Kirchengewändern und Altartextilien vom 16. – 19. Jahrhundert heute noch nicht umfassend ist. Erst in unserer Zeit geht man daran, erhaltene Kircheninventare zu studieren und nach Möglichkeiten auszuschöpfen.


In der Schweiz beschäftigen sich heute eine ganze Anzahl von Frauenklöstern mit dem Weben und Bemustern von Stoffen für den kirchlichen Gebrauch. Weil es aber schwer ist, wirklich schöne Damastgewebe herzustellen, kehrt man gerne zum Handgewebe zurück. Diese Stoffe erhalten denn vor allem in modernen Kirchenräumen, denen sie Farbe, Wärme, Kostbarkeit geben, ihre besondere Bedeutung. Sr. M. Augustina Flüeler aus dem Kapuzinerinnen-Kloster in Stans verfasste zu dieser Thematik ihr Buch über Paramente. Darin schreibt sie (16), dass zum Entstehen eines überzeugenden Sakralgewandes Stoff, Schnitt, Farbe und Dekor aus innerer Notwendigkeit wachsen und zur Einheit verschmelzen müsse. Ein solches Gewand dürfe nicht aus gewöhnlichem Stoff gemacht sein, solle aber Ausdruck der Zeit bilden.


content Last revised 17 January, 2006