ANNE WANNER'S Textiles in History / publications

 
  Tablecloths with Embroideries
Slides of the collection of Textile Museum St.Gallen, Switzerland
  Together with an article in german language,
by Anne Wanner-JeanRichard, concerning the tablecloth with scenes of the life of Napoleons I., around 1900, Textile Museum St.Gallen, Inv.Nr. TM 41527 
  Published in: Textilkunst 4, Dezember 1986, S. 203-206.
Photographs added in March 2008

  Aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert haben sich im Textilmuseum St.Gallen einige bestickte Tischdecken mit allen Merkmalen der Ostschweizer Handstickerei erhalten. Doch ist der genaue Entstehungsort unbekannt und ebensowenig weiss man, wer diese arbeitsintensiven Stickereien ausführte.
  Szenen aus dem Leben von Berühmtheiten, sind umrahmt von Medaillons mit den bekannten weissen, reliefierten Plattstickereien, mit Nadelspitzen, Durchbrucharbeiten und Hohlsäumen. Kleine Blümchen, vor allem Vergissmeinnicht, und Rokoko Ornamente behielten ihre Beliebtheit bis in die 1920er Jahre.   Als Vorlagen für figürliche Darstellungen dienten Illustrationen aus bekannten und damals beliebten Büchern.
St. Galler Dessinateure, welche Zugang zu diesen Werken hatten, zeichneten diese Bilder wohl zum Nachsticken für einheimische Stickerinnen um.
           

Das Flötenkonzert, Szene aus dem Leben von Friedrich dem Grossen.

Nach einer Illustration von Adolf Menzel.

Die Stickerei findet sich heute in Stuttgart.


  Details aus der Tischdecke mit Szenen aus dem Leben Napoleons I., um 1900,
Textilmuseum St.Gallen, Inv.Nr. TM 41527
       
           

     

     
     
     

           

           
  zu dieser Tischdecke erschien ein Aufsatz:
in: Textilkunst 4, Dezember 1986, S. 203-206
  Tischdecke mit Szenen aus dem Leben Napoleons I., um 1900, Textilmuseum St.Gallen, Inv.Nr. TM 41527    zu den Stickereien: Anne Wanner
zu den Spitzen: Marianne Gächter
 
  Die runde leinene Tischdecke mit einem Durchmesser von 145 cm ist mit 8 bildlichen Darstellungen aus Napoleons Leben verziert. Vier in Sticktechnik ausgeführte Szenen behandeln kriegerische Ereignisse: Aegyptenfeldzug 1798/99, Friede zu Tilsit 1807, Völkerschlacht zu Leipzig 1813 und Szene mit Inschrift: c'est l'Empereur (das ist der Kaiser).

Diese Bilder schmücken 4 Kreuzarme, welche sich aus einer Kreisform herausgebildet haben. Dazwischen wurden 4 weitere Begebenheiten in Nadelspitze eingefügt: Napoleons Sieg in Austerlitz 1805, ein Feldzug, der Kaiser im Familienkreis, die Krönung der Kaiserin. Als Vorlage zu diesem letztgenannten Bild diente die monumentale Malerei "Sacre de Joséphine" von Jacques-Louis David (1748-1825). Die Figurengruppen aus Nadelspitze sind alle symmetrisch eingerahmt von reichem Rocaillen- und Rankenwerk, Füllhörnern mit Früchten und dazu das Emblem Napoleons: die Biene im Lorbeerkranz. Zu Füssen der bildlichen Darstellung befindet sich, in Medaillonform gefasst, der gekrönte Adler. Zwischen den einzelnen Bildern sind Portraits zu sehen, wiederum mit Lorbeerkranz und mit dem Adler. Dargestellt sind: Napoleon Bonaparte, Josephine Bonaparte-Beauharnais, Marie-Louise von Habsburg, Napoleon II. König von Rom.
  Die Technik: den Grundstich der Nadelspitze bildet der Schlingstich. Bei der vorliegenden Arbeit gibt es Variationen zum Schlingstich (modes) und vielfältige Jourarbeiten. Den "Fond" bilden einerseits weitmaschige, picotierte Stege, andererseits in feinster Technik ausgeführte "Jours", aber auch regelmässig strukturierte Flächen. Alle Figren sind eingefasst mit erhöhten Konturen, d.h. Leinengarne sind zusammengebündelt und eng mit Schlingstich umnäht. Die Uebergänge sind sehr exakt gestaltet, was bei Arbeiten , die dem 19. Jahrhundert zugeschrieben werden, eher selten ist. Viele kleine Kreisformen sind zusätzlich appliziert (auch point d'esprit genannt).

Die ganze Spitzenarbeit ist aus vielen einzelnen Elementen kaum sichtbar zusammengesetzt. Die Formengrpuppen sind von der Arbeitstechnik her nicht voneinander zu unterscheiden. Dies lässt auf ein grösseren Atelier schliessen, auf eine Manufaktur, evtl. in Belgien. Die Art der Nadelspitze erinnert an die Spitzen, die als "Point de gaze" bezeichnet wird. In dieser Technik entstanden Spitzen in Belgien, besonders in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, aber auch noch nach 1900.

  Die Weissstickereien lassen sich mit Ostschweizer Feinstickereien des 19. Jahrhunderts vergleichen. Unter dem Einfluss von französischen Spitentechniken und deutschen Ajourarbeiten (Point de Saxe) hatte sich die feine Sticktechnik im Gebiet von St.Gallen seit den 1760er Jahren zu immer grösserer Vollkommenheit entwickelt bis zu einem Höhepunkt in den Jahren 1830-1850. Mit dem Aufkommen der Maschinenstickerei in der Mitte des 19. Jahrhunderts verlagerte sich die Handstickerei in das Apenzelle Bergland, und es entstanden weitere, besondere Werke der Stickkunst. Hier nannt man das Zusammenfassen und Zusammenziehen von Fäden zu Gruppen "Höhlen" und die Ergebnisse "Zughöhlarbeiten". Zusätzlich schnitt man sehr oft Stoffstücklein aus dem Grundgewebe und setzte in einem weiteren Arbeitsgang Spitzenstiche ein. Um Figuren oder ganze Bilder darzustellen, bediente man sich der "Figurenstiche". Das "Pelzlen" bedeutete wohl ganz allgemein das Fülllen eines Grundes mit Stichen. Daneben gab es: "Strümpflistich, Nettistich, Wasserstich, Würfelstich, Chruuse, Eebääler (Einbeinler) ...". Leider werden diese Stiche nicht mehr geübt, und es ist deshalb nicht möglich, die unterschiedlichen Figurenstiche der Napoleondecke mit diesem Namen zu bezeichnen.
     

           
  Heute noch bekannt sind dagegen schmale Hohlsäume, die nicht in Fadenrichtung verlaufen und Krummleiterli heissen. In der Ostschweizer Stickerei findet man sie bereits auf Arbeiten der Jahrhundertmitte, und im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts verwendete man sie besonders häufig für dekorative Linienmusterungen. Ein für die Pariser Weltausstellung von 1889 gearbeitetes Taschentuch (heute in der Sammlung des Textilmuseums St.Gallen) ist ausschliesslich mit "Krummleiterli" gemustert. Die Umrahmungen der gestickten Napoloneszenen zeigen diese Ziertechnik zusammen mit "Zughöhlarbeiten ".

Unterstützt von seiner ersten Gemahlin Joséphine hatte Napoleon schon früh die Bedeutung der Kunst zur Hebung seiner Stellung erkannt. Er förderte eine Reihe von jungen Malern und
  beeinflusste damit die Kunst seiner Zeit. Von 1805 -1807 war Jacques-Louis David Hofmaler Napoleons. Er und seine Schüler werden als Begründer des europäischen Klassizismus und des Naturalismus im 19. Jh. angesehen.

Für die gestickte Darstellung der Teedecke scheint das neue Verhältnis zu Natur und Umgebung, der Drang nach realistische naturgetreuer Darstellung wichtiger als Klassizismus oder Historienmalerei. So wird denn beim schlafenden Soldaten im Heuhaufen, bei der Gänsemagd, die den Weg erkärt, beim Reiter, welcher in Aegypten die Pyramiden bewundert, ja selbst bei den Soldaten vor Napoleons Zelt, nicht der Kriegsschauplatz oder die Schlacht zum Haupttema, sondern vielmehr die Landschaft, die das Ereignis einbettet.
  Die Fragen nach Entstehungszeit und Herkunft der feinen Handarbeit lassen sich nicht eindeutig beantworten. Dem Anschein nach wurden die Szenen nach Vorlagen aus napoleonischen Tagen gestaltet. Spitzentechnik und Eigenheiten der Stickerei allerdings verweisen auf des Ende des 19. Jhs. Zu dieser Zeit stellte man in der Ostschweiz Stickereien im grossen Ausmass für den Export her. Neben Massenartikeln wurden auch Einzelbestellungen für ausländische Fürstenhäuser ausgeführt. Die Napoleondecke könnte sehr wohl zu Ende des 19. Jhs nach ausländischen Vorlagen in der Ostrscheweiz gestickt worden sein. Die noch unfertige Arbeit hätte man nach Frankreich oder Belgien gesandt und dort mit den Spitzenbildern ergänzt.
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content Last revised 29 March, 2008