ANNE WANNER'S Textiles in History   /  scan books

Thesis of Anne Wanner-JeanRichard: Kattundrucke der Schweiz im 18. Jahrhundert, ihre Vorläufer, orientalische und europäische Techniken, Zeugdruck-Manufakturen, die Weiterentwicklung, Basel, 1968
       
 
     
 
Kattundrucke der Schweiz im 18. Jahrhundert
ihre Vorläufer, orientalische und europäische Techniken, Zeugdruck-Manufakturen, die Weiterentwicklung
Basel, 1968

section 3
 
content scan    
 
   
 
III. Farbstoffe und Druckanweisungen
1. Farbstoffe für die örtliche Färbung von Baumwollgeweben....................34
2.
Krapp- und Türkischrot..........................................................................37
3.
Indigo und Probleme der blauen Farbe................................................ 38
4.
Färbevorschriften.............................................................................. ....41
5.
Über die Druckmethoden ......................................................................45
6.
Zur Datierung und Gruppierung der europäischen Druckstoffe............ 46


Anmerkungen zu Text und Abbildungen:
1 bis 193 =
Hinweise, die sich auf den Text beziehen
200 bis 340 =
Nachweis von abgebildeten und besprochenen Stoff-Beispielen
 
 
       
   
  III. Farbstoffe und Druckanweisungen

1. FARBSTOFFE FÜR DIE ÖRTLICHE FÄRBUNG VON BAUMWOLLGEWEBEN (115)
 
       
 
       
34 Bis zur Entdeckung des ersten synthetischen Farbstoffes im Jahre 1856 durch den Engländer William Henri Perkins standen für die Gestaltung buntfarbener, baumwollener oder leinener Stoffe auf indische Manier nur tierische und pflanzliche Produkte zur Verfügung. Drei Schildlausarten, nämlich Kermes, Cochenille und Lac-Dye sind die einzigen Tiere, die in diesem Zusammenhang von Nutzen sind.

Demgegenüber enthält fast jede Pflanze textilfärbende Verbindungen. Allerdings besitzen sie nicht immer genügend Farbstoff, sind manchmal in der Natur spärlich vorhanden und lassen sich oft schlecht anpflanzen. Daher kann man von allen färbenden Pflanzen nur ungefähr drei Dutzend verwenden.
Von diesen färbt sozusagen eine einzige direkt in wäßriger Lösung. Leider wird die Farbe dieser Pflanze Curcuma sehr unecht.

Die meisten Pflanzenfarben waren seit dem Altertum bekannt. Als letzte namhafte Entdeckung mag die des Engländers Bancroft erwähnt werden, der die gelbfärbende Eigenschaft der Rinde einer nordamerikanischen Eiche erkannte und sie Quercitron nannte. Ihre Färbekraft war ungefähr viermal so groß wie die des Gelbholzes und 8 - 10mal so groß wie die von Wau.
Am 3. Oktober 1775 bekam der Erfinder ein Monopol für den Import und Verkauf dieser Rinde in England, das erst 1799 erlosch.
Außer der eben erwähnten Curcuma sind alle diese Farben sogenannte Beizenfarben; denn sie benötigen zur Fixierung auf der Faser eine Beize. Eine weitere Ausnahme, auf die später genauer eingegangen wird, ist der Küpenfarbstoff Indigo. Beizen sind Lösungen von Metallsalzen. Ohne auf mehr oder weniger komplizierte chemische Formeln einzugehen, kann der Vorgang allgemeinverständlich folgendermaßen beschrieben werden:

Die Beize wird entweder unverdickt auf den Stoff gemalt oder verdickt darauf gedruckt. Das Metallsalz, die Beize, lagert sich in Form seiner Hydroxide oder als basisches Salz in das Textilgut
  ein. Während sich bei animalischen Faserndie Hydroxide infolge der Basizität der Faser direkt bilden, verlangt die Vorbeize der Baumwolle eine anschließende Behandlung im Kuhkotbad, wobei der in den Exkrementen enthaltene Ammoniak die Beizsalze in ihre Hydroxide überführt. Beim nachfolgenden Färbeprozeß reagieren die Farbstoffe mit den Metallhydroxiden unter Bildung unlöslicher Komplexen, den sogenannten «Lacken». Je nach Verhalten gegenüber Licht und Seife wird dieser als echt (grand oder bon teint) oder als falschfarbig (petit teint) bezeichnet.

Im 18. Jahrhundert hatte man zwar das Wesen des chemischen Vorganges noch nicht klar erkannt, doch gibt uns eine Färbeanweisung aus dem Jahre 1773 (116) eine sehr einfache und dennoch anschauliche Erklärung. Da heißt es:
«Alaun ist eine Art von einfressendem Mittel, welches, wenn es auf das Zeug kommt, Krapp daselbst befestigt, bindet und die feinsten Teilchen verhindert, daß sie nicht so leicht verfliegen können.»

Zu Beginn der Zeugdruckentwicklung waren in Indien und auch in Europa nur die Aluminium- (Alaun-) und die Eisenbeize bekannt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entdeckte man bei uns die Eigenschaften der Zinnbeize, später der Kupfer- und der Chrombeize. Weil vor allem für die frühe Epoche Fabrikantenrezepte nur spärlich vorhanden sind, lassen sich genaue Daten nicht angeben.
Die Beizen allein oder miteinander gemischt und mehr oder weniger konzentriert ergaben mit verschiedenen, färbenden Pflanzen eine ganze Reihe von Nuancen. Mit Krapp und Aluminium entstand zum Beispiel ein sehr echtes Rot in allen Schattierungen. Krapp und Eisen bildeten dunkelbraune bis schwarze Töne. Durch Mischen von Aluminium und Eisen wurden die Musterungen violett.
Auch Blauholz (Campèche) ließ sich mit Aluminium, Eisen, Kupfer, Zinn und Chrom verbinden. Bei solchen Verbindungen waren die Ergebnisse, nämlich Violett, Grau, Schwarz, Grünblau usw., nicht ganz echtfarben.
       
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115 Bei der Ausarbeitung der technischen Angaben gewährten Herr Dr. G. Ebner, Basel, und Herr P. R. Schwartz, Mülhausen, wertvolle Hilfe.
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116 G. SCHAEFER und R. HALLER, Krapp und Türkischrot, in: Ciba-Rundschau Nr. 47, Basel 1940, S.1723.
       
 
       
35 Neben den Farbstoffe bildenden Pflanzen benutzte die Färberei auch gerbstoffhaltige Drogen, in Indien Myrobalane, in Europa Galläpfel und Sumach (Schmack). Mit Eisenbeize färbten diese grau bis schwarz, mit Alaun gelb bis rot.

In Indien malte man den Alaun häufig mit dem Pinsel und in diesem Falle ging die Fixierung des Metalls ziemlich leicht vor sich. Für unsere europäischen Handwerker war ein solches Vorgehen nicht nur zu langwierig und zu mühsam, sondern auch zu kostspielig. Aber, um mit Modeln schneller und wohlfeiler arbeiten zu können, mußte das Problem der Verdickung der Beizmittel gelöst werden. Verschiedene Rezepte zeigen, daß man dazu hauptsächlich Gummi benützte. Es ist offenbar nicht gelungen, mit dem Druck das Metall ebensogut zu fixieren wie mit dem Pinsel. Bemerkt doch Jean Ryhiner, der Basler Indienneur, in seinem Manuskript von 1766 (105):
«Aussi voyons-nous que les étoffes teintes sont toujours plus vives que les impressions teintes parce que les mordants purs opèrent mieux que les mordants d'impression mêlés de la matière étrangère. A cela il n'y a cependant point de remède, c'est un mal nécessaire.»

Beizen waren entweder farblos (Aluminium) oder mehr oder weniger gefärbt (Eisen). Die farblosen wurden leicht getönt, damit der Drucker seine geleistete Arbeit überprüfen konnte. Beim Waschen verschwanden diese Kolorierungen, und ein farbloses Tuch kam ins Farbbad. Hier entwickelten sich die verschiedenen Nuancen gleichzeitig. Dazu berichtet Jean Ryhiner in dem erwähnten Manuskript.
«La teinture bon teint, c'est la chaudière de garance, dans laquelle une pièce peut se teindre en noir, rouge et violet à
  la fois et dans le même bain, si elle est chargée des mordants propres à ces trois couleurs.» Eine ganz ähnliche Beschreibung hatte bereits Plinius gegeben (vgl. S. 9). Die Entwicklung der Farbtöne in einem einzigen Farbbad beruht also auf sehr alter Tradition.

Nach dem Krappbad benutzte man zur Reinigung der Weißböden Kuhkotbäder. Dies war nötig, weil der Krapp flüchtig auch die ungeheizten Stellen tönte. In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden die Tücher auch vor dem Färben in Kuhkotbädern präpariert. Der Chemismus dieser Operation ist nie vollkommen geklärt worden. Möglicherweise erleichterte der Ammoniak der Exkremente die Überführung der Beizsalze in ihre Hydroxide, und vielleicht neutralisierte der Kot die nicht fixierten Teile der Beizen, die im Farbbad auf die weiß zu bleibenden Teile des Gewebes fallen konnten.

Alaun ist ein Doppelsalz (Kalium/Aluminiumsulfat), das sich besser unverdickt zum Pinseln als verdickt zum Drucken eignet.
In Europa suchte man daher eine Beize, die bessere Resultate liefern würde, das heißt, mehr Metalloxid in der Faser bildet. Man erfand das Aluminium-Acetat, und zwar durch Umsetzung des Alauns mit Hilfe von Bleiacetat (Bleizucker). Diese Rotbeize wurde von allen Druckereien gebraucht; es ist die beste, die man je zur Verfügung hatte. Doch läßt sich nicht mehr ermitteln, wo und wann diese bedeutende Entdeckung gemacht wurde (2. Viertel 18. Jahrhundert ?).
Die Beize für Schwarz nannte man «schwarze Brühe». Auch sie war ein Acetat und wurde hergestellt, indem man altes Eisen in Wein- oder Holzessig eintauchte und es eine Zeitlang darin liegen ließ.
       
 
       
36 Im beginnenden 19. Jahrhundert wurde es mit den neuen Errungenschaften auf dem Gebiete der Chemie möglich, gewisse färbende Oxide, wie zum Beispiel das Manganbraun, direkt auf der Faser zu erzeugen. Man lernte auch, die örtliche Färbung auf eine abgewandelte Art zu erzielen. Das Tuch wurde zunächst ganz in Beize getränkt und dann eine beizenzerstörende Substanz (rongeant) darauf gedruckt. Wann und wo diese Methode entdeckt wurde, ist unbekannt. Jean Ryhiner erwähnt sie bereits 1766 als geläufig.

Später, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, wurden Mittel gefunden, um die Farbe von uni gefärbten Tüchern zu entfernen (enlevage). In die entstandenen weißen Stellen ließen sich andere Applikationsfarben «rentrieren», oder es wurden Beizen eingedruckt und nachher gefärbt.
Natürlich versuchten die Drucker immer wieder, die eher umständliche Färberei zu umgehen und direkt mit den erwähnten Applikations- oder Tafelfarben zu operieren. Dazu wurden verdickte Absude von Farbpflanzen benutzt, die meistens mit Alaun versetzt waren. Auf diese Weise gelang nur eine sehr schwache Fixierung, und die Farben hielten sozusagen nur wegen ihrer Verdickung auf dem Gewebe. Später versuchte man einen Dämpfprozeß anzuwenden, wie er am Ende des 18. Jahrhunderts in England für Wolle erfunden worden war: Beize und Farbstoff wurden in verdicktem Zustand gedruckt und das Tuch sodann dem heißen Wasserdampf ausgesetzt. Damit ließ sich eine recht gute Fixierung erreichen, und der Textildruck erhielt einen mächtigen Auftrieb.

Vor dem Erscheinen der synthetischen Farbstoffe war es weder in Indien noch in Europa möglich, eine relativ lichtechte grüne Farbe anders zu bilden als durch Überlagerung von Gelb auf Blau. Der gelbe Farbstoff verschwand aber nach einigen Waschungen, und das Blau kam erneut zum Vorschein, ein Faktum, das sich an alten «Indiennes» immer wieder beobachten
  läßt. Erst im Jahr 1808 soll Widmer, ein Neffe Oberkampfs, ein solides Grün entdeckt haben (117). Er mischte den Indigo mit einer Zinnbeize und druckte die Masse genau gleich wie das «bleu fayencé» (vgl. S. 40) auf das Gewebe. Im folgenden Gelbbad bildeten sich die grünen Töne ebenfalls durch Überlagerung von Gelb auf Blau. Weil das Gelb aber durch eine Beize auf dem Gewebe fixiert war, konnte die Intensität der Farbe beim Waschen nicht vermindert werden.

Ein Hauptproblem blieb die Verdickung der Beizen. Man verwendete zuerst Gummi, wie in Indien, später kam Amlung dazu. Jean Ryhiner, der Basler Fabrikant, berichtet im Jahre 1766, sein Vater hätte als erster in der Schweiz dieses Produkt bereits im Jahre 1747 gebraucht: «Wegen Theure des Gommy probiert und reüssiert folgende Farben mit Amlung zu machen». Alle Konkurrenten ahmten sein Verfahren nach.
Nach Fixierung des Metalloxids auf der Faser wurde durch langes Klopfen und Waschen erreicht, daß sich die Verdickung vom Tuche lösen ließ. Das richtige Verdicken stellte eine Kunst dar, und davon hing die Qualität der Ware ab.

Vor der Erfindung der synthetischen Farbstoffe waren Krapp und Indigo die beiden Hauptpfeiler für die Erzielung des echtfarbenen Stoffdruckes. Diese
beiden Pflanzen und ihre Verwendung sollen daher in den beiden folgenden Kapiteln näher beschrieben werden.
       
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117 Vgl. J. PERSOZ, Traité théorique et pratique de l'impression des tissus, 1846.
   
       
 
     
  2. KRAPP UND TÜRKISCHROT  
       
37 Eine echte rote Farbe gewann man aus den Wurzeln der Rubia tinctorum oder Krapp-Pflanze. Diese Tatsache war seit dem Altertum bekannt, und ein Anbau in Europa läßt sich bereits zur Zeit Karls des Großen feststellen. Im 43. Kapitel seiner Landgüterordnung heißt es nämlich, daß neben Leinen und Wolle auch Waid, Kermes und Krapp gezogen werden sollten (118).

In den Niederlanden waren Krapp-Kulturen seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert hoch entwickelt. Im Elsaß besaß man seit 1729 eigenen Krapp, und in Südfrankreich geht der Anbau auf den Armenier Jean Althen zurück, der die Pflanze um 1760 in Avignon einführte. Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827) versuchte Krapp auf seinem Gute Neuhof auf dem Birrfeld (Schweiz) anzupflanzen. Ihm fehlten jedoch die Helfer und auch die Erfahrung, und so mußte sein Unternehmen fehlschlagen (119). Im 2.Viertel des 19. Jahrhunderts, um 1868 und 1869, verlor der Krappanbau seine Bedeutung, da es nun möglich war, das Alizarin künstlich herzustellen.

Mit Krapp ließ sich sehr dauerhaft färben, und wenn der Baumwollstoff vor dem Färben mehrmals geölt wurde, erhielt man ein haltbares und leuchtendes Rot. Dieses sogenannte Türkischrot wurde in der Unifärberei gebraucht und in dem Moment für die Druckerei bedeutend, als es gelang, die Farbe an bestimmten Stellen wieder wegzuätzen.
Ursprung und Chemismus des Türkischrots sind bis heute unbekannt. Man weiß, daß das Prinzip des Ölens schon früh in Kleinasien und Griechenland angewandt wurde; wahrscheinlich muß aber doch Indien als Ursprungsland der Methode angesehen werden. So beschreibt Roques im Jahre 1678 ein Ölen des Tuches vor dem Anbringen der Beizen (141): «...ensuite le met tremper dans l'huile de gingely pendant cinq jours si c'est en temps de chaleur et doublement dans le froid...»

Die Bedeutung dieser Operation ist unklar. Haller meint in einer Abhandlung (120), das Öl diene lediglich als Dispersionsmittel des Farblackes (Aluminium Kalzium-Alizarat), der sich auf der pflanzlichen Faser bildet, und sei chemisch nicht an der Entstehung der leuchtend roten Farbe beteiligt.
In Frankreich entwickelte sich um die Mitte des 18. Jahrhunderts eine spezielle Methode der Türkischrotfärberei. 1747 entschlossen sich nämlich die Inhaber der Firma Fesquet, Goudard und d'Haristoy (121), griechische Färber aus der Levante nach Frankreich zu holen, und es entstanden die beiden großen Türkischrot Färbereien Darnétal bei Rouen und Aubenas im Languedoc. Im Jahre 1762 war das Verfahren so weit entwickelt, daß Frankreich eine dominierende Stellung in der Türkischrot-Färberei einnahm.
Die Franzosen müssen nun versucht haben, diese neue Färbekunst so lange als möglich geheim zu halten. Und dies gelang, selbst als die Regierung 1765 eine Anleitung unter folgendem Titel veröffentlichte (122): «Mémoire contenant le procédé de la teinture du coton rouge incarnat d'Adrianople sur le coton filé».
Aber nach und nach muß sich die Kenntnis über den Türkischrot
  Färbevorgang dennoch verbreitet haben, und neben Frankreich benützte man auch in Großbritannien, in Deutschland und in der Schweiz ähnliche Mittel zum Erreichen des leuchtenden Rots.

In Zürich war es Johann Heinrich Zeller, der in den 1760er Jahren in Nîmes gearbeitet hatte und bei seiner Rückkehr im Drahtschmidli die erste schweizerische Türkischrot-Färberei gründete. Über den Ablauf der umständlichen Prozeduren sind wir gut unterrichtet, gibt es doch mehrere Beschreibungen des Vorganges. Es scheint, die normale Krappfärberei sei intensiviert worden, das heißt, man wiederholte alle Färbevorgänge mehrere Male. Vor allem die Vorbereitungsoperationen, das Behandeln mit Ölen und Fetten und anschließend mit Kuh- oder Schafkot, wurde einige Male durchgeführt.

Zum eigentlichen Färben mit Krapp gehörte die Beigabe verschiedenster Ingredienzen. So verwendete man zum Beispiel zur besseren Fixierung des Krapp-Pigmentes Ochsenblut. Auch die Nachbehandlung des Tuches war äußerst zeitraubend. Man kochte es in pottaschehaitigen Seifenbädern und setzte es darauf beim sogenannten «Felden» dem Sonnenlicht aus (123).
Es ist deshalb verständlich, daß nur allerbeste Baumwolltücher diese Behandlung, die aus ungefähr zwanzig Arbeitsgängen bestehen konnte, aushielten. Und wir glauben gerne, daß türkischrot gefärbte Tücher den Ruf absoluter Unverwüstlichkeit genossen.

Wie bereits erwähnt, wurde der Prozeß der Türkischrot-Färberei namentlich im 19. Jahrhundert für die Zeugdruckerei bedeutend, als es gelang, türkischrot gefärbte Tücher mittels Ätzverfahren zu bemustern.
Daniel Koechlin-Schouch (1785-1871), ein Elsässer aus Mülhausen, fand zu Beginn des Jahrhunderts die bahnbrechende Methode. Er sah, daß das Rot zwar den Einwirkungen von Chlorkalklösung widersteht, jedoch nicht der freien, unterchlorigen Säure. Auf Grund dieser Tatsache konnte er eine örtliche Zerstörung des Türkischrot-Lackes bewirken, indem er eine nichtflüchtige Säure (Weinsteinsäure, auch Arsensäure) mit einem Verdickungsmittel vermischte, die Masse auf den roten Stoff aufdruckte und diesen einige Minuten in ein schwaches Chlorkalkbad legte. Hier wurde der rote Grund an den bedruckten Stellen weggeätzt. Weiter entdeckte Koechlin, daß auf dem roten Grund eine blaue Eindruckfarbe entstand, wenn der Weinsteinsäure gelöstes Berlinerblau beigegeben wurde.
Mit dem Tafeldruck von Gelb hatte er nun die Möglichkeit, seine Muster in fünf Farben zu bedrucken, oder besser, zu ätzen.

Der kaufmännische Erfolg Koechlins ging darauf zurück, daß er seine Erzeugnisse mit dem vielbegehrten Kaschmir-Muster versah. Es handelt sich um ein blattartiges Motiv, das auf nordindischen Schals häufig als Webmuster anzutreffen ist (124). Diese Tücher entwickelten sich unter dem geschickten Dessinateur Malaine zu farbenprächtigen Blumenbuketten. Eine Nachblüte dieser Ätzverfahren treffen wir in der Schweiz, zuletzt im Glarnerland (
vgl. S. 60).
       
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118 Vgl. ALFRED LEIX, Färberei im Mittelalter, in: Ciba-Rundschau Nr. 1, Basel 1936, S. 18.
119 G. SCHAEFER, a.a.O., S. 1719.
120 R. HALLER, Vom Türkischrot zum Alizarinrot, in: Melliand Textilberichte 1938, Nr. 5, 6, 7, 9, 10.
121 KARL REINKING und SABRI ATAYOLU, Zur Entstehung und Frühgeschichte des Türkischrots, in: Melliand Textilberichte, Heidelberg 1937, S. 382, 459, 532.
122
KARL REINKING und SABRI ATAYOLU, a.a.O., S. 459;
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ebenso: E.BANCROFT, Englisches Färbebuch, Bd. 2, S. 247.
123 G. SCHAEFER, Zur Geschichte der Türkischrot Färberei, in: Ciba-Rundschau Nr. 47, Basel 1940, S. 1723.
124 Das Ornament wird meistens als Palmette bezeichnet. Doch handelt es sich nicht um ein Palmblatt. Genaue Ausführungen über den Ursprung des Motives finden sich in: JOHN IRWIN, Shawls, Victoria and Albert Museum, London 1955.
       
 
     
  3. INDIGO UND PROBLEME DER BLAUEN FARBE  
       
38 Eine haltbare blaue Farbe lieferten die Blätter und Stengel der anderthalb Meter hohen Indigofera anil. Die Pflanze war bereits bei alten Schriftstellern wie Vitruv, Dioskorides und Plinius (125) als Farbstoff lieferant bekannt. In Europa selber wurde sie jedoch im Gegensatz zu Krapp nie angebaut, aber Waid! Man importierte Indigo seit dem 12. Jahrhundert aus dem Orient; aber erst mit dem Aufkommen des Ost- und Westindienhandels treffen wir ihn als eines der Haupthandelsgüter. Große Bedeutung erlangte vor allem Westindien mit Großplantagen in Santo Domingo.

Während sich der rote Farbstoff aus der getrockneten und pulverisierten Krappwurzel gewinnen ließ, gestaltete sich die Herauslösung des Indigoblaus wesentlich komplizierter. Eine Beschreibung über die Herstellung des Farbstoffes finden wir bereits in den Reisenotizen des Marco Polo (1254-1324). Das Verfahren fiel ihm im Königreich Koulam, an der Malabar-Küste in Westindien auf, denn er schreibt (126):

«Auch haben sie sehr guten Indigo in großem Überfluß. Sie ziehen ihn aus einem Kraute, das mit den Wurzeln ausgerupft und in Wasserkübel geworfen wird, worin man es liegen läßt, bis es fault. Darauf pressen sie den Saft aus. Dieser wird der Sonne ausgesetzt und verdunstet. Dann läßt er eine Art Teig zurück, welcher in kleine Stückchen von der Form geschnitten wird, wie wir ihn zu uns gebracht sehen.»

Marco Polo hatte zwar das Wesen des Vorganges nicht ganz begriffen, doch sah er wenigstens deutlich, daß es sich bei diesem blauen Farbstoff nicht um ein Mineral handelte. Kurz zusammengefaßt läßt sich der Gewinnungsprozeß etwa folgendermaßen beschreiben (127):
In den Blättern und Stengeln der Indigopflanze ist ein Glukosid des Indoxyls, das Indigotin, vorhanden. Während einer 9-14 tägigen Gärung, der man diese Pflanzenteile unter Wasser aussetzte, spaltete sich das Glukosid in seine Komponenten Indoxyl und Traubenzucker. Die wäßrige Indoxyllösung wurde nach Abschluß des Gärprozesses in einen tiefer gelegenen Behälter, die Schlagkufe, übergeführt, in welchem sie durch Schlagen mit Ruten, Stöcken und Schaufeln der Einwirkung von Luftsauerstoff ausgesetzt wurde. Dabei oxydierte das Indoxyl zu Indigo, der sich infolge seiner Unlöslichkeit am Grunde der Kufe niederschlug.
Die Flocken des Farbstoffs wurden abgetropft, mit Wasser gewaschen, in besonderen Behältern gekocht und schließlich in Kästen oder hohen, gut gelüfteten Trockenhäusern getrocknet.
  Seit 1897 war die Indigo-Einfuhr überflüssig; denn auch für diesen Farbstoff war die synthetische Zusammensetzung gelungen. 1913 war das Naturprodukt fast ganz verdrängt, und seit 1930 sind auch die Indigokulturen in Britisch-Indien so gut wie verschwunden.

Ebenso umständlich wie die Gewinnung des Indigoblaus gestaltete sich dessen Applikation auf das Gewebe. Ursprünglich konnte man die blaue Farbe nicht direkt auf das Gewebe drucken. Der Umweg über die Blauküpe, in welcher der wasserunlösliche Indigo reduziert wurde, war nötig. Für die Reduktion gab es verschiedene Mittel. Die Gärungsküpe mit Kalk hatte den Nachteil, daß sie stark erhitzt werden mußte. Die kalte Küpe mit Eisenvitriol (128) war für Reservemusterungen geeigneter. Auch Reduktionen mit Operment und mit Eisensulfat wurden im Laufe der Zeit entwickelt.

Bei den Färbungen mit Indigo ist nun der Umstand wesentlich, daß die blaue Farbe keiner Beize bedarf, um sich im Gewebe festsetzen zu können. Es färbten sich also alle Gewebeteile blau, die mit dem Farbbad in Berührung kamen.
Sollte jedoch nur eine bestimmte Zeichnung die blaue Farbe annehmen, so mußte man den ganzen übrigen Stoff mit einem Schutzkleister abdecken. Die eigentlichen Reserve- sowie die Porzellandrucke waren blau-weiß, also bloß zweifarbig.
Es lassen sich zwei verschiedene Musterungsarten unterscheiden :
Der Handwerker konnte mit einem Mustermodel arbeiten und damit den Schutzkleister auf den Stoff bringen. Nach der Färbung im Indigobad erschien der Grund blau und die Musterung weiß. Bedruckte der Arbeiter dagegen den Grund mit der Schutzmasse, so nahm im Farbbad nur die ausgesparte Zeichnung die blaue Farbe an.
Die Schutzmasse mußte die bestimmten Gewebeteile gut schützen. Sie durfte weder springen noch vom Indigobad zerstört werden. Natürlich gab es verschiedenste Vorschriften für die Zusammensetzung einer solchen Masse. Als Beispiel sei hier das Rezept von Emmanuel Ryhiner wiedergegeben (129):
In 15 l Wasser gab er 125 g Gummi und 2 kg Stärke. 500 g Schweinefett und 125 g weiße Kreide wurden hinzugefügt, je 3 kg Kaolin und weißer Alaun gehörten mit zur Mischung, 500 gr Kupfersulfat und 3/g l Terpentinöl vervollständigten die Druckmasse.
Auch Graf von Zinzendorf (130) erwähnte in seinem Reisebericht die Reservefärberei. In Herisau war er mit dieser Methode in Berührung gekommen.
       
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125 Vgl. KARL REINKING, Über die Kenntnis des Indigos und der Küpenfärberei im Altertum, in: Melliand Textilberichte, Mannheim 1924, S. 733; VITRUV, Lehrbuch über Baukunde, Buch VII, Kap. 8 und 13; DIOSCURIDES, Lehrbuch über Arzneimittel, Buch V, Kap. 107; Plinius, Historia Naturalis, Buch 35, Kap. 2 7. Vgl. W. A. VETTERLI, Zur Geschichte des Indigo, a.a.O., S. 3420.
126 Vgl. KARL REINKING, Über das Auftauchen des Indigo in Europa, in: Melliand Textilberichte, Mannheim 1924, S. 187; Marco Polo - Ausgabe des Guttenberg-Verlages 1908, S. 475.
127 Ausführliche Beschreibung des Prozesses bei: R. HALLER, Die Gewinnung des Indigo, in: Ciba-Rundschau Nr. 93, Basel 1950, S. 3422; P. R. SCHWARTZ, Contribution à l'histoire de l'application du bleu d'Indigo dans l'indiennage Européen, in: Bulletin de la Société industrielle de Mulhouse, No II, 1953, S. 63;
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FRIEDRICH ZIMMERMANN, Der Indigo, in: Melliand Textilberichte, Mannheim 1923.
128
H.CASSEBAUM, Der Ursprung der Indigofärberei. V. Vitriolküpe und Zeugdruck, in: Melliand Textilberichte 3/1966. Der Autor gibt in diesem Aufsatz eine klar geordnete Übersicht über die Erwähnung der Vitriolküpe in der schriftlichen Überlieferung. Auf Grund seiner Vergleiche schließt er auf einen Ursprung in England oder Norddeutschland um 1700. Außerdem findet er, daß es seit 1734-1749 möglich war, diese Vitriolküpe direkt auf den Stoff zu drucken. Das mißfarbene Eisenhydroxyd wurde mittels verdünnter Schwefelsäure herausgelöst.
129 RYHINER, a.a.O., S. 123; R. HALLER, Über den Ursprung der Zeugdruckerei in der Schweiz, in: Textilrundschau Nr. 6, St. Gallen 1951, S. 302.
130 KARL VON ZINZENDORF, a.a.O., S. 210.
       
 
       
39 In seinen Aufzeichnungen finden wir die Beschreibung einer Schutzmasse, die auf das Gewebe appliziert wird und verhindert, daß im folgenden Farbbad die blaue Farbe in die mustertragenden Stellen eindringt. Der betreffende Abschnitt lautet:

«Eine andere Gattung ist das Kaltblau, welches die Herisauer Fabrikanten dem Streiff zu Glarus, dieser aber den Holländern abgestolen, und welches in der Schweiz sonst nirgends gemacht wird. Es ist dazu erforderlich:
1. eine gewisse Erde, Huberde genannt, die von Waldshut hergebracht wird, und davon Schaffhauser Kaufleute Vorrath haben. Diese Huberde, so an sich selbst sehr fein, wird noch feiner zermahlen und damit die Leinwand-Stücke oder Baumwollen-Stücke, welche die kaltblaue Farbe bekommen sollen, gleichsam überzogen.
Sodann walkt man sie; weiter druckt man darauf die Blumen, so entweder weiß oder farbigt seyn sollen.
Ferner streuet man auf manche dieser Farben Sand; hierauf werden die Tücher an gewisse viereckichte Gestelle angehangen, und vermittelst derselben in die kalte Farbe-Blau-Butten völlig eingetaucht, bleiben einige Zeit darinn liegen, und werden sodann gleichwie die englischblauen durchs klare Wasser gezogen, wodurch die blaue Farbe von den Blumen ganz weggehet und die Blumen hervorkommen.»

Die Reservemethode erwies sich als ungeeignet, wenn auf dem Gewebe neben Blau- auch Rottöne vorkommen sollten. Wie bei den Porzellandrucken mußte dann alles, was die blaue Farbe nicht annehmen durfte, mit der Schutzmasse abgedeckt werden, und wir begreifen, daß die Handwerker vor allem für solche Fälle einfachere Methoden zu entwickeln suchten. Das Ziel war, eine echte Druck- oder Pinselfarbe herzustellen und auf diese Weise die zeitraubenden Reserven zu umgehen.

Auch hier läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, in welchem Land, in welchem Jahr und von welchem Handwerker die blaue Druckfarbe zum erstenmal angewendet worden ist. Dieselbe Ungewißheit besteht für die Erfindung des Pinselblaus, und H.Cassebaum, der sich vor kurzer Zeit mit dem Problem befaßte (131), kam der Lösung ebenfalls nicht wesentlich näher. Er stellt in seinem Artikel die Dokumente zusammen, die Angaben über das Operment Pinselblau enthalten - Operment oder Arsenik ist in diesem Falle das Reduktionsmittel für den Indigo -, woraus hervorgeht, daß man diese Technik in vier Gegenden weit zurück verfolgen kann, nämlich in Indien, in Norddeutschland, in England und in Neuenburg.
  Im folgenden Kapitel werden wir sehen, daß die Nachrichten, die wir bis heute über die indischen Methoden kennen, in den technischen Einzelheiten nicht immer eindeutig abgefaßt sind. In einigen Berichten kommen zwar Ausdrücke wie Pinsel und Malen in Zusammenhang mit der blauen Farbe vor, doch läßt sich daraus nicht schließen, das Operment-Pinselblau sei bereits den Indern bekannt gewesen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Hinweis in einer Urkunde vom 1. April 1690 im Staatsarchiv Bremen (56). Unter anderem steht hier: «... Cattun durch einen Mann drucken lassen, welcher diese Kunst selbst in Ostindien erlernet...». War es in jenen Jahren üblich, daß holländische oder auch andere Handwerker sich die nötigen Fertigkeiten in Indien selbst aneigneten? In einem solchen Fall hätte ein Operment-Pinselblau-Rezept - würde ein solches im 17. Jahrhundert in Indien existiert haben - ohne weiteres seinen Weg in unsere Gegenden gefunden.

Doch verlassen wir dieses Feld der Vermutungen und versuchen wir in Europa Tatsachen zu finden.
J.Persoz äußert sich in seinem Werk, das 1846 erschienen ist, sehr vorsichtig über ein Blau aus Neuenburg (132), obwohl dieser Professor der Universität Straßburg ein Blaudruckmuster besessen haben soll, das der Neuenburger Jean Labran um 1730 herstellte (133). Demzufolge müßte der Direktdruck mit Blau in Neuenburg bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts bekannt gewesen sein. Persoz glaubt außerdem, daß die Kenntnis über die Brauchbarkeit des Arseniks als Reduktionsmittel im Orient oder in Europa habe erfunden werden können. Zu jener Zeit sei es nämlich gebräuchlich gewesen, allen bekannten Farben, mit Grund oder ohne Grund, Arsenik beizusetzen.

Für diese Annahme sowie für das frühe Vorkommen des Direktdruckes in Neuenburg finden sich bis heute keine weiteren Anhaltspunkte. Norddeutschland mit seinem Nachbarn Holland war ein wichtiges Gebiet für die Entwicklung des Zeugdruckes nach indischer Art. Cassebaum erwähnt einen Bremer Färber namens Nikolaus Kulenkamp, der sich 1733 in den Niederlanden aufgehalten haben soll. Mit seinem Einverständnis druckte man 1756 ein Schreiben über die Unterschiede in der Beständigkeit von Indigo und Waid (134).
In diesem Zusammenhang wird das Operment-Pinselblau genannt, und wir haben damit die älteste bekannte druckschriftliche Erwähnung der Farbe. Aber schon elf Jahre früher läßt sich die Pinselfarbe im Manuskript des Basler Fabrikanten Ryhiner nachweisen. In einer bei Dollfus-Ausset
       
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131 H. CASSEBAUM, Der Ursprung der Indigofärberei. VI. Das Pinselblau, in: Melliand Textilberichte 6/1966. In diesem Artikel stellt der Autor die Dokumente zusammen, die Angaben über das Operment-Pinselblau enthalten.
132 In diesem «Traité théorique et pratique de l'impression des tissus» schreibt er: «On ne saurait déterminer l'époque à laquelle on a pour la première fois imprimé de l'indigo...» P. R. SGHWARTZ hebt diese Stelle in seinem Artikel über den Druck mit Indigo (a.a.O., S. 65) speziell hervor.
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133 Aus den Ausführungen von P.R.SCHWARTZ in seinem Artikel über den Indigo (a.a.O., S. 65 und Anmerkung 10) läßt sich vermuten, daß Labran, Hersteller des Druckmusters mit Labran identisch ist, auf den die Neuenburger Zeugdruckindustrie zurückgeht.
134 H. CASSEBAUM erwähnt folgende Schrift: D. G. Schrebers Sammlung verschiedener Schriften, welche in die ökonomischen, Policey- und cameral- auch andere Wissenschaften einschlagen, Zweiter Teil, Halle 1756, S. 2 76, 346.
       
 
       
40 nicht veröffentlichten Stelle dieser Schrift (135) ist von einem Antony Brüning, Brünings Farbenmacher in Bremen die Rede:
«Extract der Correspondenz mit Antony Brüning, Brünings Farbenmacher von Bremen. 1745 offerierte er uns seine Farben...
Als man ihm nun meldet, daß man das Englischblau zu haben wünscht, so meldet er, er würde es um eine angemessene Discretion so man vorher einsenden müsse, lehren, doch leget er dieses blau Recept seinem Brief bei und fordert, wenn es probat gefunden 40 Gulden dafür...»

Demnach war es bereits im Jahre 1745 möglich, Pinselblau-Rezepte zu erwerben. Bei Ryhiner finden sich seit 1746 denn auch mehrere datierte Rezepte, wie zum Beispiel dieses folgende (136):
In 18 l Wasser gab man 7 Pfund Pottasche und 3 Pfund ungelöschten Kalk. 2 ½ Pfund Indigo wurden beigefügt, ebenso 12 Pfund Gummi und 2 ½ Pfund Schwefelarsen (Operment).

Aus den Aufzeichnungen des Basler Fabrikanten geht nun allerdings nicht hervor, wie streng die Besitzer ihre Geheimnisse hüteten und wie großen Seltenheitswert die Pinselblau-Rezepte besaßen.
Bei einem anderen Autor (137) finden wir folgende Notiz aus dem Jahre 1758:
«Man kann aus Holland, aus Hamburg und anderen Orten allemal Leute haben, welche das Cattundrucken vollkommen verstehen ... wenn man ihnen einen guten Gehalt reichet... Alle Zubereitungsarten bey denen Manufacturen und Fabriken, können keine undurchdringlichen Geheymnisse seyn, sondern durch Geld und Mühe sind sie allemal zu erfahren...»

Was die Mühe betrifft, so erinnern wir uns an den Thurgauer Bernhard Greuter, der bei Streiff in Glarus alles wagte, um hinter die Geheimnisse der Färberei zu kommen, und sich oft auf den Dachboden schlich, um das Ansetzen der Farbküpen zu erspähen. Offenbar mit Erfolg; denn er mußte fliehen und sich verbergen und soll in der Herisauer Färberei Merz und Schiess seine ersten Versuche mit der blauen Farbe durchgeführt haben. Das genaue Jahr des Ereignisses ist nicht bekannt, aber wir haben den Bericht des Grafen von Zinzendorf aus dem Jahre 1764. Nach dem Besuch beim Unternehmer Merz schreibt er (138):
«Eine andere Gattung ist das Kaltblau, welches die Herisauer Fabrikanten dem Streif zu Glarus, dieser aber den Holländern abgestolen...» und über das Blau selber berichtet der Graf:

«Das englische Blau ist am geschwindesten fertig. Es wird der Indigo unter einem Mühlstein zerrieben, mit Goldglätte, einer Art Gift vermischt, im warmen Wasser aufgelöst, so fort gedruckt; und so bald alles gedruckt wird, streuet man Sand, mit dem die Druckerstube ganz erfüllt ist, auf das Gedruckte, damit sich kein Staub daran hänge. Man druckt nur mit einem Model, und wenn das Stück fertig, werden die ganzen 16 Stab lang durch ein klares fließendes Wasser gezogen, da denn die zuvor graue Farbe sich im kalten Wasser auflöset, erst grün, in Zeit von einer Viertelstunde aber schön blau wird.»
  Hier sei auch noch beigefügt, auf welche Art und Weise der Berner Unternehmer, der 1753 eine Manufaktur in Lörrach errichtete, in den Besitz des begehrten Geheimnisses kam. Von Zinzendorf berichtet (139):
«Er (Kupfer) gieng nach Engelland, und als er einstens unter dem Tower zu London spazierte, rufte ihm ein Gefangener bey seinem Namen. Dieser Gefangene hatte ehemals als Junge in seiner Fabrike gestanden und sollte nun wegen einer Schuld von 50 Pfund Sterling im Gefängnisse verderben. Er befreyete ihn, dafür ihm dann jener zur Danksagung das Geheimnis mit dem Blau drucken, welches er erst kürzlich in Engelland erlernet hatte, entdeckte; welches Geheimniß die Frau Küpferin zu Bern, als gedachten Kupfers zu Lorach Schwiegertochter, auch hat.»

Das direkt applizierbare Blau wird auch Englischblau genannt. In den überlieferten Schriften versteht man darunter sowohl Pinselblau als auch Druckblau (131).
Offenbar ließ sich das Operment-Pinselblau zunächst nur mit dem Pinsel auftragen, bis man, vermutlich in England, ein besonderes Chassis entwickelte, welches das Drucken ermöglichte.

Auch für die Vitriolküpe war um 1740 eine Methode zur Verdickung gefunden worden. Hier bestand die Hauptschwierigkeit darin, daß beim direkten Auftragen immer nachträglich das mißfarbene Eisenhydroxid entfernt werden mußte. Wahrscheinlich löste man das Problem in England durch eine Nachbehandlung mit verdünnter Schwefelsäure. In diesem Fall war nur das Drucken möglich, und Persoz bezeichnet einen solchen Blauton als «bleu fayencé».
Die Methode erwies sich bei vielfarbigen Stoffen als ungünstig, weil besonders die Beizenfarbstoffe gegen die anschließend notwendige Schwefelsäurebehandlung nicht beständig sind. Daher verwendete man die Vitriolküpe vor allem für einfarbige Musterungen, im besonderen für Kupferplattendrucke.

Der Vorgang muß seit 1749 bekannt gewesen sein; denn P. C.Floud (140) entdeckte in Amerika solche Stoffe in einem Musterbrief von 1749, und weitere von ihm gefundene Zeugdrucke in «bleu fayencé» weisen auf England als Ursprungsland dieser Drucktechnik. Allerdings beruht diese Annahme lediglich auf der Tatsache, daß die meisten erhaltenen Beispiele aus jenem Land stammen. Auf dem Kontinent finden sie sich in Frankreich, währenddem Ryhiner in seinem Manuskript nur die Opermentblau-Drucktechnik erwähnt.

Abschließend nochmals zum Ausdruck Englischblau:
Ganz offensichtlich bezieht sich der Name weder auf die Art des Auftragens (Pinseln oder Drucken), noch auf die Beschaffenheit des Reduktionsmittels (Vitriol, Operment). Englischblau muß eher als Sammelbegriff aufgefaßt werden für die Verfahren, den Indigo als Küpe direkt örtlich aufzutragen. Es gibt also bei den blaugemusterten Stoffen des 18. Jahrhunderts zwei Hauptgruppen, nämlich die reservegefärbten Stoffe und die englischblau gemusterten (Druck oder Pinsel).
       
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135
Vgl. P. R. SCHWARTZ, l'application du bleu d'Indigo, a.a.O., S. 66.
136 JEAN RYHINER, a.a.O., S. 128; R. HALLER, a.a.O., S. 302 erwähnt ein anderes, jedoch sehr ähnliches Rezept.
137 H. CASSEBAUM erwähnt folgende Abhandlung: J.H.G.
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VON JUSTI, Vollständige Abhandl. von denen Manufacturen und Fabriken, Kopenhagen, Erster Teil 1758, Zweyter Teil 1761.
138
KARL VON ZINZENDORF, a.a.O., S. 210.
139 KARL VON ZINZENDORF, a.a.O., S. 296.
140 P.G.FLOUD, Origins of English Calico Printing, a.a.O., S.348.
       
 
     
  4. FÄRBEVORSCHRIFTEN
       
41 Über den Färbevorgang im frühen und mittelalterlichen Indien ließen sich kaum genaue Auskünfte finden. Für das ausgehende 17. und 18. Jahrhundert sind wir dagegen besser unterrichtet. Dies sind die Jahre, in denen sich europäische Drucker ungemein um die orientalischen Verfahren interessierten. Im folgenden sei daher auf einige Rezepthandschriften hingewiesen, die durch Orientreisende, Kaufleute oder Missionare nach Europa gelangten oder in Europa selber entstanden.

Kürzlich konnten die bis jetzt ältesten handschriftlichen Aufzeichnungen in der Pariser Nationalbibliothek wiedergefunden werden. Es handelt sich um einen Bericht, verfaßt von Monsieur Roques, einem Agenten der «Compagnie Française des Indes» (141).

Aus der Schrift selber geht hervor, daß der Autor an der Westküste Indiens ansässig war und seine ersten Beobachtungen über Druckstoffe dort niederschrieb. Er reiste später nach Seronge und berichtet über die Kattunstoffe, die er auf seinem Wege dorthin antraf. Für uns ist die Reise bedeutungsvoll, weil damit in seinen Ausführungen ein neuer Abschnitt beginnt, den er folgendermaßen überschreibt:
«Départ d'Amedabat pour Seronge le premier avril 1678». Das Manuskript ist somit sicher im Jahre 1678 entstanden.

Zur Technik der orientalischen Verzierungen erfahren wir in einem Kapitel «des peintres et peintures en chittes», daß in Westindien die Beizen mittels Stempeln auf ein sorgfältig vorbereitetes Tuch gebracht wurden. Der Autor gibt genaue Angaben zur Beschaffenheit dieser Holzmodel:

«Auparavant que le peintre se serve d'aucun moule de ceux que vous avez choisis, visitez-les bien attentivement, voir s'il n'y a point quelque pointe ébréchée ou qu'il n'ait couvert quelque défaut avec de la cire; de plus les comparer s'ils ont bien leurs proportions dans les carres cela est aussi très important, car s'ils sont plus étroits d'un bout que d'autre ils gâtèrent votre chitte, parce qu'il est impossible qu'ils ne fassent des chemins embourbés entre les fleurs, et ne peuvent suivre la droite ligne. II vaut mieux faire la dépense pour en avoir des neufs.»

Obwohl der Titel des Kapitels Ausführungen über Maler und Malerei verspricht, wird des langen und breiten über Stempel und Druck berichtet. Offenbar bedeutete für Monsieur Roques «peinture» und «Impression» dasselbe.
  Aus dem Bericht geht außerdem hervor, daß eine ständige Kontrolle der Arbeiter nötig war, um zu guten Resultaten zu kommen. Fehlte eine Überwachung, so wirkte sich das meistens auf die Qualität der Kattune aus. Roques sagt zum Beispiel über die Stoffe einer kleineren Ortschaft:
«... il s'y fait quelques chittes en pagnes pour femmes, mais mal peintes et grossières qui se débitent dans le même lieu...»

Mit größter Sorgfalt behandelte man offenbar die Stoffe, die für den Export nach Persien oder Europa bestimmt waren. So beschreibt unser Gewährsmann die Tatsache, daß man den Handwerkern oft besonders gut gearbeitete Stempel überließ, die nur für Aufträge der Kompagnie verwendet werden durften. Und an einer anderen Stelle weist er folgendermaßen auf den Handel mit Kattunstoffen:

«Ceux qui font plus valoir le trafic de ces toiles sont les français, anglais, et arméniens, mais particulièrement ces derniers qui en font emplette de deux mille courge tous les ans, et quelquefois bien davantage pour mettre en chittes jafracanis, pour Perse, Bantam et Ménilles; les Français et Anglais n'ont point de règle assurée tantôt plus tantôt moins.»
Während an der Westküste Holzmodel geläufige Arbeitsmittel darstellten, muß an der Ostküste die Pinselmethode häufiger angewendet worden sein.

Der Holländer Daniel Havart berichtet nämlich ungefähr um 1680 über die Arbeitsweisen in Palakollu in Golconda, an der Koromandelküste. Über das Bemalen finden wir bei ihm die folgende Stelle (142):
«Dies Bemalen der <Chitsen> geschieht stets mit der größten denkbaren Langsamkeit, ebenso wie die Schnecken, welche man nicht voran kommen sieht und derjenige, welcher die <Geduld> figürlich abmalen wollte, braucht als Vorbild nur solch' einen Chitsenmaler von Palicol abzubilden...
Erst bekommen sie die rohe Leinwand (er meint das Baumwolltuch), dann waschen sie dieselbe, so daß sie weiß wird, darauf stampfen sie etwas <Karkyal>, welches in Milch eingetragen wird und darin wird die Leinwand gelegt und hernach getrocknet. Hernach wird die Leinwand geklopft, damit dieselbe glatter und voller wird, dann wird darauf mit einem Schwamm herumgearbeitet und es wird Farbe gemacht von einer gewissen Art Rotholz, womit dann die erste Bemalung mit dem Schwamm geschieht und wenn man nun verschiedene Conturen haben will, so zum Beispiel rot, lila, grün, dann werden
       
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141 Im Oktober 1965 entdeckte P.R.SCHWARTZ ein Manuskript in der Bibliotheque Nationale in Paris (FR 14614). Es handelt sich um die Schrift des Monsieur Roques, Angestellter der Compagnie des Indes, der 1678 berichtet, daß er in verschiedenen Textilzentren Indiens Untersuchungen angestellt habe. Wichtig sind für uns die zwei Kapitel, die er den «Toiles Peintes» widmet. Das Manuskript wurde bis heute nicht veröffentlicht, doch schreibt P.R.SCHWARTZ darüber in: l'impression sur coton à Ahmedabad (Inde) en 1678, in: Bulletin de la Société Industrielle de Mulhouse, Nr.I, 1967; und erwähnt
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die Schrift in seiner Anmerkung 2 zur Wiedergabe des Manuskriptes des Duc de Bourbon (vgl. Anm. 149). Für die vorliegende Arbeit stellte er freundlicherweise eine Kopie der Roques-Handschrift zur Verfügung.
142 A.JENNY-TRÜMPY, Handel und Industrie des Kantons Glarus, Glarus 1902, gibt die deutsche Übertragung der betreffenden Stelle wieder. In einem noch unveröffentlichten Text des Engländers John Irwin, werden die beiden Holländer Daniel Havart und Hendrik Adrian van Rheede als früheste Berichterstatter über die indische Musterungsart, erwähnt.
       
 
       
42 alle jene Stellen mit Alaunwasser bestrichen, welches jeder nach seinem eigenen Verfahren sich bereitet, und hernach weiter gemalt nach dem Beispiele, welches sie vor sich liegen haben.»

Ein weiteres holländisches Manuskript aus dem Jahre 1688 verfaßte Hendrick Adrian van Rheede in Pulicat. Sein Bericht ist wie derjenige von Havart eher kurz und verallgemeinernd.
Ausführlich und von großer Bedeutung ist dagegen eine Schrift, die in der Zentralbibliothek des Pariser «Museum Nationale d'Histoire Naturelle» gefunden werden konnte. Es handelt sich um ein dünnes Heft von 12 Seiten. Neben dem Text sind darin 11 sehr gut erhaltene Stoffmuster enthalten. Hier findet sich eine genaue technische Beschreibung der Indiennefabrikation, die dazu eine einmalige Erscheinung unter den bekannten Rezeptschriften - von Stoffmustern begleitet ist. Allerdings fehlen Datum und Autorenname, aber P. R. Schwartz, der dieses Manuskript genau untersucht und veröffentlicht hat (143), legt überzeugend dar, daß als Verfasser nur Antoine de Beaulieu (1699-1764) in Frage kommen kann.

Dieser Marineoffizier stand von 1726-1739 im Dienste der Indischen Kompagnie und hielt sich fünfmal in Pondichéry auf. Vermutlich wurde seine zweite Reise vom 29. Juli bis zum 27. September 1734, die er als zweiter Leutnant mitmachte, für die Entstehung des Manuskriptes ausschlaggebend. Im Jahre 1760 erschien der Bericht Beaulieus in gedruckter Form, und damit zum erstenmal überhaupt ein gedruckter Zeugdruckbericht. Der Chevalier de Querelles (144) hatte jene Beschreibung als erstes Kapitel in seiner Abhandlung «Traité sur les toiles peintes» verwendet. In zwei weiteren Kapiteln beschreibt er die Druckweise in Frankreich und in anderen Ländern.

Ein weiterer Autor schildert den indischen Musterungsvorgang ebenso anschaulich und ziemlich übereinstimmend mit Beaulieu. Es handelt sich um einen Brief, den der Jesuitenmissionar Père Coeurdoux 1742 an Père du Halde schrieb (145).
Dieser Brief, vom Missionar in Indien verfaßt und nach Europa gesandt, zeigt deutlich die große Arbeit und die hohe Handwerkskunst, die hinter den indischen Kattunmustern steckt.

Der eigentliche Musterungsvorgang, der in den Manuskripten mehr oder weniger ausführlich zur Sprache kommt und von der einen zur anderen Schrift in Einzelheiten unterschiedlich beschrieben wird, kann folgendermaßen zusammengefaßt werden:
  Nur ein möglichst glattes und geschmeidiges Gewebe war für die Indienne-Musterung geeignet. Der Stoff mußte also sorgfältig ausgewählt und vorbereitet werden. Durch Waschen entfernte man die Weberschlichte, und die gewünschte glatte Oberfläche ließ sich dadurch erreichen, daß der Stoff mehrmals gefaltet und in diesem Zustand geschlagen wurde. Zwischen dem Waschen und dem Schlagen erfolgte die Behandlung mit Öl und mit einem gerbsäurehaltigen Stoff. Während Roques zwei Arbeitsgänge beschreibt, erwähnt Coeurdoux ein einziges Bad. Er tauchte den Baumwollstoff in eine wäßrige Lösung, die aus Büffelmilch und pulverisierten Myrobolanen zusammengesetzt war. Es heißt bei Coeurdoux (146):

« Passez cette poudre par le tamis, & mettez-la dans deux pintes ou environ de lait de Buffle, augmentant le lait & le poids du Cadou, selon le besoin & la quantité des toiles. Trempez-y peu de tems après la toile autant de fois qu'il est nécessaire, afin qu'elle soit bien humectée de ce lait, vous la retirerez alors, vous la tordrez fortement, & la ferez sécher au Soleil.
Le lendemain vous laverez légérement la toile dans de l'eau ordinaire, vous en exprimerez l'eau en la tordant, & après l'avoir fait sécher au Soleil, vous la laisserez au moins un quart-d'heure à l'ombre.»

Öl oder Fett diente wahrscheinlich als Dispersionsmittel für den Krappfarbstoff und der gerbsäurehaltige Stoff war nötig zur Bildung der schwarzen Musterkonturen. Eisenbeize, mit Pinsel, Stempel oder Schablonen, wurde nämlich auf das Tuch gebracht, und die betreffenden Stellen färbten sich mit der Gerbsäure zusammen sofort schwarz. Nachdem die nachher roten Musterungen mit Alaun versehen worden waren, kam der vorbereitete Baumwollstoff ins Krapp-Farbbad. Ein anschließendes Bleichen im Kuhkotbad war nötig. Coeurdoux berichtet uns darüber wie folgt (147):

«Comme la toile y a été plongée entièrement, & qu'elle a dû être imbibée de cette couleur, il faut la retirer sans craindre que les couleurs rouges soient endommagées par les opérations suivantes. Elles sont les mêmes que celles dont nous avons déjà parlé; c'est-à-dire, qu'il faut laver la toile dans l'étang, la battre dix ou douze fois sur la pierre, la blanchir avec des crottes de Mouton, & le troisième jour la savonner, la battre, & la faire sécher enjettant légérement de l'eau dessus de tems en tems. On la laisse humide pendant la nuit, on la lave encore le lendemain, & on la fait sécher comme la veille. Enfin à midi on la lave dans de l'eau chaude pour en retirer le savon, & toutes les
       
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143 Manuskript des Officier de Marine, Antoine de Beaulieu, veröffentlicht von P. R. SCHWARTZ im Artikel: La Fabrication des Toiles Peintes aux Indes au XVIII® siede, in: Bulletin de la Societe Industrielle de Mulhouse, Nr. III 1957, S. 137.
144 Der genaue Titel der Rezeptschrift des Chevaliers de Querelles lautet: «Traité sur les toiles peintes dans lequel on voit la manière dont on les fabrique aux Indes, et en Europe, on y trouvera le secret du bleu d'Angleterre de bon
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teint, applicable sur la Toile avec la Planche ou le Pinceau.» Das Rezeptbuch wird erwähnt bei P. R. SGHWARTZ im Artikel: La Fabrication des Toiles Peintes aux Indes au XVIIIe siècle, a.a.O., S. 138.
145 Lettres Edifiantes et Curieuses, écrites des Missions étrangères, par quelques Missionnaires de la Compagnie de Jésus, rec. 26, Paris 1743.
146 Lettres Edifiantes, a.a.O., S. 175.
147 Lettres Edifiantes, a.a.O., S. 210.
       
 
       
43 ordures qui pourroient s'y être attachées, & on la fait bien sécher.»

Für blaue Töne wurde ein Reserveverfahren mit Bienenwachs und Indigo angewendet, wie es schon seit alten Zeiten bekannt war. Und Grün-Tönungen erhielt man, indem gelbe Farbe über das Indigoblau gemalt wurde. Dazu meint Coeurdoux (148):

«II reste à parler de la couleur jaune, qui ne demande pas une longue explication. La même couleur qui sert pour le vert en peignant sur le bleu, sert pour le jaune, en peignant sur la toile blanche. Mais cette couleur n'est pas forte adhérente, elle disparoît après avoir été lavée un certain nombre de fois. Cependant, quand on se contente de savonner légérement ces toiles, ou de les laver dans du petit lait aigri, mêlé de suc de Limon, ou bien encore de les faire tremper dans de l'eau, où l'on aura délayé un peu de bouze de Vache, & qu'on aura passée au travers d'un linge, ces couleurs passageres durent bien plus longtemps.»

Zur Technik müssen wir ergänzend beifügen, daß die beiden Holländer wie auch Beaulieu und Coeurdoux immer von einem Pinselverfahren sprechen. Diese Tatsache bestärkt unsere Annahme, daß man in Ostindien die Beizen effektiv auf den Stoff malte.
Der frühere Berichterstatter Beaulieu wird bei Coeurdoux nirgends genannt; jedoch erwähnt der Missionar, man habe schon vor seinem Bericht versucht, indische Methoden in Europa bekannt zu machen.
So konnte man kürzlich feststellen (149), daß zum Beispiel der Herzog von Bourbon während seiner Amtszeit als Premierminister Ludwigs XV., von 1723-1725, Berichte und Drogen aus Indien kommen ließ. Nach seinem Rücktritt zog er sich auf sein Schloß in Chantilly bei Paris zurück und stellte hier Indiennes her, obwohl in Frankreich das Druckverbot noch in Kraft war.
Die Methoden von Chantilly sind in einer Handschrift (149) festgehalten. Daraus geht hervor, daß man indische Verfahren übernommen hatte, diese aber auf unsere speziellen europäischen Verhältnisse abstimmte. Bei uns waren ja die indischen Drogen nicht ohne weiteres erhältlich. Auch konnten die Europäer den nötigen Zeitaufwand nicht erbringen. Dennoch wird beim Herzog von Bourbon das indische Pinselvorgehen erwähnt:
  «Si l'on veut de l'ouvrage fin, il faut calendrer la toile lorsqu'elle est engallée, on posera après le dessin que l'onjugera à propos et on le dessinera à la plume ou au pinceau avec les couleurs ou les mordants dont nous parlerons dans la suite.»
Doch gerade anschließend geht der Autor sorgfältig auf das Drucken mit Modeln ein:

«Si l'on veut un ouvrage plus commun on l'imprimera avec des planches de cette sorte, on étalera la toile engallée et desséchée sur une table bien solide sur laquelle il y aura du gros drap en double afin que les planches s'impriment plus également, on prendra de la couleur noire sur un coussinet avec la planche et on l'appliquera ensuite sur la toile, on en frappera à plusieurs endroits sur la planche si elle est grande afin qu'elle marque partout, on imprimera de suite et de la même manière tout ce qui doit être noir, après on fera la même chose pour le rouge foncé que l'on appliquera avec une contreplanche, c'est-à-dire une seconde planche qui ne porte que sur les endroits où il doit y avoir du rouge, et où la première n'a point porté, il en sera ainsi des autres planches, dont chacune ne doit porter que sa couleur...»

Eine wichtige Quelle für das Vorgehen in Europa ist das Manuskript des Basler Indienneurs Johannes oder Jean Ryhiner (1728-1790).
Die Niederschrift der erstmals von einem kundigen Unternehmer verfaßten Beschreibungen (105) erstreckt sich über mehrere Jahre. Der Anfang des Manuskriptes fällt in das Jahr 1766, die letzten Eintragungen datieren von 1783, und von den Rezepten, die in großen Mengen vorhanden sind, gehen einige bis auf das Jahr 1738 zurück.

Ryhiner gibt einen kurzen Überblick über die Entwicklung der Druckkunst, beschreibt dann alle notwendigen Arbeiten, erwähnt Maschinen, Werkzeuge und Gebäude, spricht von Fabrikation und Handel und stellt schließlich auch Rezepte über die Herstellung verschiedener Farben zusammen.

Schon zu Beginn seiner Schrift lesen wir, daß sich für Europa die Malmethode, wie sie in Indien angewendet wurde, nicht lohnt. Bei Ryhiner druckte man also alle Beizen oder Reserven mittels Holzstempeln auf.
       
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148 Lettres Edifiantes, a.a.O., S. 213.
149 P. R. SCHWARTZ, La Fabrique d'Indiennes du Duc de
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Bourbon, 1692-1740, au château de Chantilly, in: Bulletin de la Société Industrielle de Mulhouse, Nr. I 1966.
       
       
 
       
44 Dieser Holzmodeltechnik schenkte Ryhiner viel Beachtung: So sollte die Zeichnung genau der Stoffbreite angepaßt werden. Neben der gleichmäßigen Musterung des Grundes mußten auch die Farbakzente ausgeglichen verteilt sein und durften auf keiner Seite dominieren. Zudem war ein verhältnismäßig großer Rapport vorteilhaft, damit die Wiederholungen möglichst wenig beachtet würden.
Mit solchen Vorschriften wollte man die Herstellung möglichst prächtiger Stoffe fördern, und Ryhiner gibt ein anschauliches Beispiel für diese Haltung, wenn er in seiner Schrift (150) beschreibt, wie sich mit einem Minimum an Druckstöcken ein Maximum an Farbenpracht erreichen läßt:

«D'abord on fait au moyen de plus de mélange d'eau trois ou quatre rouges. En mêlant le noir avec ces nuances rouges, on compose les violets, depuis le pourpre jusqu'au gris de perle et encore les cafés, mordorés et muscs. Avec les mélanges des rouges avec le jaune, les oranges et citrons, ainsi que les biches: avec les violets et le jaune ou le noir, le rouge et le jaune, les couleurs de bois et feuille-morte; avec le bleu foncé et l'eau, les trois ou quatre nuances de bleu, et avec les jaunes sur ces bleus les nuances en vert. Lesquelles on peut encore varier en leur donnant une couche de violet divers ou de rouge divers. - Ces variations infinies bien ménagées par un habile dessinateur peuvent donner à un dessin des colorations fort agréablement diversifiées, sans que pour cela on ait besoin d'employer plus que neuf différentes planches, soit une pour le noir, trois pour le rouge, deux pour le violet, deux pour le bleu et une pour le jaune ... et on aura ainsi vingt-une couleurs dans un dessin avec neuf planches.»

Europäische Färbevorschriften, zum Beispiel die des Herzogs von Bourbon oder die von Jean Ryhiner - interessantere und vollkommenere Ausführungen als diejenigen des Baslers wurden bis heute nicht entdeckt - zeigen deutlich, daß am Ausgangspunkt unserer Stoffdruck-Produktion indische Verfahren standen.
  Diese müssen sich oft als ungeeignet erwiesen haben, und man entwickelte neue, speziell europäische Methoden, die einfacher waren und weniger Arbeitsaufwand erforderten.

Zwar nahm das Vorbereiten der Tücher noch lange viel Zeit in Anspruch. Das Reinigen im Wasser zu Beginn der Operationen und das ständige Waschen zwischen den einzelnen Vorgängen führte dazu, daß die Manufakturen an klaren und rasch fließenden Gewässern entstanden. Zum Ausbreiten und Bleichen der Stoffe waren weite Wiesen notwendig, die Beizen fixierten sich in speziellen Trockenkammern, und außerdem brauchte man luftige Trockenhäuser, in welchen die gewaschenen und gefärbten Tücher zum Trocknen aufgehängt werden mußten.

Was die Farbzusammensetzungen des 18. Jahrhunderts anbetrifft, so ist es heute nicht einfach zu unterscheiden, wieviel von Indien direkt übernommen wurde und welche Rezepte bei uns entstanden. Lange glaubte man zum Beispiel, das Verdicken der Beizen müsse in unseren Gegenden zum erstenmal vorgenommen worden sein.

Das Manuskript von Roques gibt uns jedoch den Beweis, daß in Westindien ein Stempelverfahren üblich war und daß man dort somit auch das Verdicken der Beizen gekannt haben muß.
Roques Ausführungen zeigen weiterhin, wie großzügig man mit dem Begriff «malen» umging - er verstand ja darunter keineswegs Pinselarbeit - und wie ungenau daher unsere Kenntnisse der frühen Methoden heute noch sind.

Wir können somit nicht behaupten, der praktische Europäer hätte den Stempeldruck eingeführt. Sicher ist nur, daß bei uns der Stempeldruck immer mehr überhandnahm und zu Kupferplatten und Rouleaux weiter entwickelt wurde. Auch auf dem Gebiet der Farbzusammensetzungen konnten Neuigkeiten entdeckt werden, so daß es schließlich gelang, die Farbe direkt auf den Stoff zu drucken.
       
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150 Jean RYHINER, a.a.O., S. 26.
   
       
 
     
  5.ÜBER DIE DRUCKMETHODEN
       
45 Im Mittelalter hatte die sich ständig wiederholende Form Merkmal der Drucktechnik bedeutet, und beim Zeugdruck des 18. Jahrhunderts schließt sich ebenfalls ein Musterrapport an den anderen an. Während aber die frühen Drucke auf Leinwand appliziert worden waren, bildete nun die Baumwolle das hauptsächlich verwendete Rohmaterial, und erst am Ende des 18. Jahrhunderts gelang es, auch Wollstoffe zu bedrucken.

Die meisten Baumwollstoffe erreichten Europa auf dem Weg über die indischen Handelsgesellschaften. Wegen der Appretur mußten die Stoffe bei uns zuerst entleimt werden. Anschließend sorgte der Kalander für einen faltenlosen Zustand des Gewebes, was für den Druck wesentlich war.

In einem Druckereibetrieb arbeiteten neben Zeichnern, Formschneidern und Druckern auch Pinselmalerinnen. Außerdem war an jedem Drucktisch ein Kind beschäftigt. Die Hauptaufgabe dieses sogenannten «garçon tireur» bestand darin, die Model mit den farbbildenden Substanzen einzustreichen, und nach dem Drucken sorgte er für die nötigen Reinigungsarbeiten.

Das Druckmodel setzte sich aus mehreren Lagen Holz zusammen, die aufeinandergeklebt wurden, um ein Verziehen zu verhindern. Meistens verwendete der Handwerker Birnbaumholz, seltener Nußbaum. Kleinere Motive zum Einpassen bestanden aus Tannen- oder Lindenholz.
Messingstifte, ins Musterrelief eingetrieben, ergaben die feinen Punktierungen. Diese sogenannten Picots werden bereits 1760 in einem ersten Buch über den Zeugdruck erwähnt, müssen aber schon vor diesem Datum angewendet worden sein (151). Seit dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts war auch die Verwendung von Messinglamellen für besonders scharf abzugrenzende Linien bekannt, und eine Art Gußform ist ebenfalls bereits in diesen Jahren hergestellt worden. Aber erst um 1843 wurde diese Technik weiter ausgebildet: Man brannte das Muster zunächst in eine Platte aus Lindenholz, goß diese darauf mit einer Metallmischung aus und konnte die so entstandene Form ohne weiteres auf einer Holzplatte befestigen.

Erste Anfänge maschineller Druckverfahren treffen wir seit dem Ende des 17. Jahrhunderts, als die Kattunmanufakturen in Europa eine immer größere Rolle zu spielen begannen. Bereits 1685 wurde in Holland von R. de Hooghe aus Amsterdam eine Plattendruckmaschine, nach Art einer Kupferstichpresse mit Handkurbelung, konstruiert (152). Aber als eigentlicher Erfinder des Kupferplattendruckes auf Baumwollstoff wird der Irländer Francis Nixon angesehen, der das Verfahren 1756 in London einführte (
vgl. S. 18). Aus einem Brief Friedrich Oberkampfs an seinen Bruder in Jouy vom 5. Januar 1770 geht hervor, daß man im Kanton Neuenburg bereits um 1770 den Druck mit Kupferplatten kannte (153), schreibt Friedrich doch unter anderem:
  «... Da hier (in Murten) ist eine Fabrike zu verkaufen. Da sie hier mit Kupfer gedruckt haben, da habe ich wollen die Platten kaufen, wenn ich nur 8 Tag ehedem gekommen wäre, so hätte ich sie bekommen, aber sie wollen haben ich solle die machine dazu nehmen, das dünkt mich zu schwer da die Wellen sind von Bois de fer gemacht aus Ghent (?).
Es ist gemacht auf das vornehmste von einem Engländer und haben in Zeit drei Jahren über 500000 Berner Franken verloren. Sie haben hier eiserne Wellen von allen Orten der Welt her und haben sie hier lassen grabieren und haben wollen so drucken wie der M. Göttin aber sie haben es hier an das Wasser gemacht. Doch haben sie schöne Arbeit gemacht mit ihren Kupferplatten, sozusagen so schön als England. Es sind 9 Platten hier, 4 für Schnupftuch und 5 andere Muster, sie seien freilich nicht zum Besten gestochen ...»

Nach diesem Bericht zu urteilen, wurde die Kupferdrucktechnik in der Schweiz angewandt, bevor sie bei Oberkampf in Frankreich aufkam. In Jouy soll diese Druckart erst 1781 eingeführt worden sein.
Andere französische Unternehmen mögen sich früher mit der Technik befaßt haben, doch sind genaue Daten nicht bekannt. Vom 16. Juli 1832 ist ein Patent des Mechanikers Perrot erhalten, der in Rouen eine Druckpresse mit Holzplatten erfand: die Perrotine.
Diese Maschine konnte sowohl von Hand als auch mechanisch angetrieben werden und stellte eine Art mechanisierten Modeldruck dar. Mit ihr ließen sich drei Farben gleichzeitig aufdrucken.

Schon im 18. Jahrhundert versuchten die Zeugdrucker, ihre Technik mittels Walzen zu verbessern. Roland de la Platière reproduziert in einem 1780 erschienenen Buch eine Walzendruckmaschine mit Walzen, die mit Picots versehen sind (dessin en fil de laiton). Aber ob diese Maschine je in Gebrauch war, läßt sich nicht ermitteln. Erst im Jahre 1852 kann man eine solche Plombine oder Emetine in Mülhausen nachweisen.

In England hieß der Druck mit Holzwalzen : surface printing.

Aus dem Jahre 1783 stammt die Erfindung einer Walzendruckmaschine im modernen Sinn. Nicht nur die Walzen, sondern auch die Rakeln - mit einer wurde die Farbe auf die Walze gebracht und die andere befreite das Tuch von Unreinigkeiten - gehen auf Thomas Bells Ideen (
vgl. S. 18) zurück. Diese Maschine wurde vielfach verbessert bis zur modernen Rouleauxdruck-Maschine. Ursprünglich war sie nur für eine Farbe konstruiert worden. 1823 erfand man die «drei-händige» Maschine. 1835 gab es in England bereits Maschinen mit sechs, 1860 solche mit 12 Walzen. Heute kennt man Maschinen, die 16-farbig drucken.
       
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151 Die Picots werden im Manuskript des Herzogs von Bourbon (gest. 1740) in Chantilly (a.a.O.) als etwas durchaus Natürliches erwähnt. P. R. SCHWARTZ führt in seiner Anmerkung 20 zu diesem Manuskript aus, aus welchem Material diese Stifte bestanden haben. Er findet Stellen an welchen von Eisenpicots die Rede ist. An anderen Orten werden Messing- oder Kupferpicots genannt.
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152 Vgl. Katalog der Ausstellung: Der Textildruck, Dezember bis Januar 1951, Zürich
1951, S.9.
153 P. R. SCHWARTZ stellte mir freundlicherweise die Photokopie des Originales, das
sich in den National-Archiven in Paris befindet (Serie 41 AQ,2) zur Verfügung.
       
 
     
  6. ZUR DATIERUNG UND GRUPPIERUNG DER EUROPÄISCHEN DRUCKSTOFFE
       
46 Mit der Datierung von einzelnen Zeugdrucken stehen wir vor der schwierigsten Frage unseres Themas und wir müssen uns klar sein, daß eine genaue Entstehungszeit sich nur bei Stoffen ermitteln läßt, die einen Stempel mit Firmenbezeichnung und Druckjahr aufweisen.

Leider sind nur sehr wenige solche Zeugdrucke erhalten, und für die übrigen Beispiele sind Hilfsmittel nötig, die eine annähernde Datierung erlauben.
Anhaltspunkte können wir zum Beispiel in der Entwicklungsgeschichte der blauen oder roten Farbe finden:
Porzellan- oder Reservedrucke können im 17. Jahrhundert oder noch früher verfertigt worden sein. Für solche Musterungen gab das Verwenden der Indigoküpe den Ausschlag; denn hier ließ sich in geringerer Wärme als in der Waidküpe färben.

Das Englischblau mit Operment als Reduktionsmittel, das man pinseln oder drucken konnte, war bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bekannt, während das Druckblau aus verdickter Vitriolküpe («bleu fayencé») wahrscheinlich erst in der zweiten Jahrhunderthälfte, als die Kupferdruckplatten aufkamen, häufig angewendet wurde.
In dieser zweiten Jahrhunderthälfte erfreute sich eine weitere Farbe, das türkische Rot nämlich, in Europa großer Beliebtheit. Geätzte Stoffe mit solchem Rot und Kaschmirmusterungen sind jedoch erst nach 1811 entstanden. Die Anwesenheit von Chrom oder Mangan kann ebenfalls Hinweise bieten für die Datierung von Druckstoffen. Diese Metalle wurden nämlich erst im 19. Jahrhundert verwendet. Von geringerer Bedeutung ist dagegen das Verschwinden der Naturprodukte Krapp und Indigo (1868, 1897), da man analytisch nicht feststellen kann, ob mit natürlichem oder synthetischem Alizarin oder Indigo gearbeitet wurde.

Aus den technischen Daten ergibt sich, daß Drucke mit feinen Punktierungen schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts bekannt waren. Allerdings ist es nicht immer möglich, hölzerne Picots von Metallstiften zu unterscheiden. Messinglamellen wurden in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts verwendet. Kupferplatten waren in der Westschweiz bereits um 1770 bekannt, die Walzendruckmaschine dagegen führte man in schweizerischen Betrieben erst im 19. Jahrhundert ein.
  Weitere Datierungshilfen lassen sich aus der Entstehungsgeschichte der Betriebe ermitteln. Einige wichtige Jahreszahlen seien auch hier kurz wiederholt:
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte die Schweiz, das heißt Fazy in Genf, Deluze in Neuenburg, Kupfer in Bern und Ryhiner in Basel, wahrscheinlich wenig Konkurrenten, soviel man sehen kann hauptsächlich in den Niederlanden und in Deutschland.
In Frankreich war ja das Drucken von 1686 bis 1759 verboten, und auch in England unterlag das Gewerbe von 1700-1774 einschränkenden Bestimmungen.

In der zweiten Jahrhunderthälfte änderte sich die Situation wesentlich: In Mülhausen entstand 1746 die erste Manufaktur, und 20 Jahre später gab es hier mehr als ein Dutzend Fabriken. In Frankreich wurden die Druckverbote 1759 aufgehoben, und mehrere Zeugdruckunternehmen konnten sich entwickeln, wie zum Beispiel dasjenige von Oberkampf in Jouy.
Ebenfalls 1759 eröffnete Schüle seine Manufaktur in Augsburg. In denselbenJahren gelangen den Engländern verschiedene technische Neuerungen. Kurz, überall in Europa wurden Indienne-Manufakturen errichtet.

Diese Zusammenfassung aller bekannten Daten zeigt uns, daß genaue Hinweise recht spärlich vorkommen, und daß auch eine annähernde Datierung und Einordnung der erhaltenen Druckstoffe ein schwieriges Unterfangen darstellt.
Wir müssen nach anderen Möglichkeiten der Gruppierung und Zusammenstellung suchen. In der Literatur finden wir Bezeichnungen des 18. Jahrhunderts für die gebräuchlichen Druckqualitäten jener Zeit, und zum Teil lassen sich diese Namen auch für die erhaltenen Stoffe anwenden (154).

Ryhiner, der Basler Fabrikant, verwendete für seine frühen Erzeugnisse Namen indischer Städte, hatte er doch seine Drucke nach Vorbildern aus Patna und Surat angefertigt:

«... toiles imprimées à une et deux couleurs, dont les rouges et noirs ou deux couleurs s'appellent Patnas, et les pièces à un seul rouge ou à un seul violet Surates, du nom des villes indiennes dont on les avait tirées...»
       
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154 Zu den Stoffbezeichnungen vgl.: JEAN RYHINER, a.a.O., S. 73; JENNY-TRÜMPY, a.a.O., S. 104; H.Deonna, in: Genava 1930, a.a.O., S. 225; D. BERTHOUD, a.a.O., S. 30. Außerdem stellt der dessinateur du roi, Delormois, 1770 eine Liste auf, in seinem Buche «l'Art de faire les Indiennes à l'instar d'Angleterre». Er nennt: Calanca, demi-calanca,
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indienne ordinaire, patenace, petite facon mignature, péruvienne pour habits d'homme, double bleu, double violet, camayeux de toutes couleurs, indiennc pour deuil, indienne porcelaine, mouchoirs double face, etc. Die Liste ist auch reproduziert bei BERNARD ROY, in seinem Buch über Nantes.
       
 
       
47 Ähnliche Farbtöne wiesen die Bodendrucke auf. Ihr Grund war rot, braun, violett oder schwarz. Mit einem speziellen Bodenstempel konnten die Beizen für diese Farben aufgedruckt werden. In die ausgesparten Stellen ließen sich Blumenranken mit zusätzlichen Beiz- oder Druckfarben einpassen. Eine andere Art, Bodendrucke herzustellen, war die «Rongeant »-Methode. Hier wurde der Stoff ganz mit Beize getränkt und diese in einem weiteren Arbeitsgang an den gewünschten Orten mit bestimmten Mitteln wieder entfernt. Nach dem Färben erschien eine weiße Musterung auf gefärbtem Grund.
Im 19. Jahrhundert endlich wandte man auch das Ätzverfahren an, das heißt, die Tücher wurden zunächst uni gefärbt und die Muster später herausgeätzt. Da die Herstellung von Bodendrucken relativ einfach war, verfertigte man sie auch in kleineren, vielleicht ostschweizerischen oder glarnerischen Betrieben des 18. Jahrhunderts.

Camaieux entstanden vermutlich in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sehr oft zeigen sie feine Zeichnungen in einer oder verschiedenen Farbabstufungen, wie man sie sehr gut mit Kupferplatten herstellen konnte. Auch Ausdrücke wie «double bleu» oder «double violet» weisen auf Camaieux.
Die schönsten und kostbarsten Stoffe finden wir bei verschiedenen Autoren (154) als Calanca oder Calenca angeführt. Vermutlich liegt diesem Ausdruck das indopersische «kalmdar» oder «kalemkar» (= Pinselarbeit) zugrunde.
Innerhalb dieser Gruppe muß es verschiedene Qualitäten gegeben haben. Besere und mindere Gewebearten kamen vor, und möglicherweise unterschied man zwischen Tüchern mit bloß gefärbten Farben und solchen, bei denen weitere Tönungen aufgepinselt wurden. Neben Calanca finden wir auch die Bezeichnung «mi-Calanca», und bei «Calencas à fleurs dorées» arbeitete man zusätzlich mit Metallpulver. 1748 treffen wir das Wort Calanca auf einer Verkaufsliste in Mülhausen; allerdings ist es sehr ungewiß, ob es sich dabei schon um eine vollkommene Ware handelte, war doch zu jener Zeit der Mülhauser Betrieb noch klein. Immerhin sagt uns die Verkaufsliste weiter, daß diese Calancas doppelt so teuer waren als gewöhnliche Indiennes.

Ryhiner gibt uns über den Namen Calanca wenig Auskunft, aber aus seiner Beschreibung von mehr als 20 Farbtönen auf einem Baumwollstoff (
vgl. S. 44) geht deutlich hervor, daß man in
  seiner Manufaktur auch diesen kostbaren Artikel herstellte. Die Calancas, später «meubles riches», dienten zur Innendekoration. Heute ist allerdings die Entscheidung, ob ein erhaltener Stoff ursprünglich zu Innendekorations- oder Bekleidungszwecken hergestellt wurde, nur schwer möglich. Damit ist leider die Bezeichnung Calanca nicht für alle mehrfarbigen Stoffe eindeutig anwendbar.

Neben diesen Hauptsorten gab es eine ganze Reihe von gewöhnlichen Indiennes, die zu allen Zeiten und in allen Betrieben ohne große Unterschiede entstanden.
Die «Indiennes ordinaires» wiesen meist eine einfache Musterung in Rot und Schwarz auf. Klein ornamentierte Stoffe bezeichnete man als « Mignature» oder «Mignonnettes», aber auch «la petite façon» war ein Stoff mit winzigen Blumenmustern. Der Grund zeigte sehr viele feine Punktierungen. Bei den «Péruviennes» kamen kleine Müsterchen in mehreren Farben zur Anwendung, dabei dominierte das Schwarz. Die Bezeichnung hatte man von kleingemusterten Webstoffen übernommen, die gewöhnlich dreifarbig waren. Bei Ryhiner lesen wir jedoch, daß er solche mit mindestens 7 Farben durch Druck herstellte. Offenbar handelte es sich hier nicht um eine einheitliche Warenbezeichnung.

«Chagriné» nannte man eine Musterung, die aus kleinen, oft bunten Punkten bestand. Die «Indiennes de deuil» waren dunkel und einfarbig. Entweder erschien das Muster in Weiß auf dunklem Grund oder der Grund war weiß gehalten und schwarze Muster darauf angebracht.

Im folgenden Abschnitt wollen wir uns mit Stoffen, die in schweizerischen Museen gefunden werden konnten, auseinandersetzen. Für die Gruppierung dient in erster Linie die Farbigkeit der einzelnen Beispiele als Grundlage. Aber auch technische Einzelheiten oder Benennungen aus dem 18. Jahrhundert sollen dort beigezogen werden, wo sie zur Bestimmung eindeutig und von Nutzen sind.
Wenn immer möglich sollen die bei uns aufbewahrten Stoffe mit ähnlichen Beispielen ausländischer Museen in Beziehung gesetzt werden. Vielleicht gelingt es auf diese Weise, ein besseres Bild über Alter und Herstellungsort von verschiedenen Druckstoffen zu erhalten.
       
       

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