ANNE WANNER'S Textiles in History   /  scan books

Thesis of Anne Wanner-JeanRichard: Kattundrucke der Schweiz im 18. Jahrhundert, ihre Vorläufer, orientalische und europäische Techniken, Zeugdruck-Manufakturen, die Weiterentwicklung, Basel, 1968
       
 
     
 
Kattundrucke der Schweiz im 18. Jahrhundert
ihre Vorläufer, orientalische und europäische Techniken, Zeugdruck-Manufakturen, die Weiterentwicklung
Basel, 1968

section 4
 
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IV. Die Druckstoffe des 18. Jahrhunderts
1. Indische Tücher....................................................48
2.
Europäische Stoffe nach indischem Vorbild .........49
3.
Die Blaudrucke ....................................................50
4.
Beizengefärbte Stoffe ..........................................52
5.
Die Bodendrucke .................................................53
6.
Camaieux und Sablés ..........................................55
7.
Mehrfarbige Stoffe ...............................................56
8.
Indiennes ordinaires oder Mignatures ..................58
9.
Zusammenfassung ...............................................59

Anmerkungen zu Text und Abbildungen:
1 bis 193 =
Hinweise, die sich auf den Text beziehen
200 bis 340 =
Nachweis von abgebildeten und besprochenen Stoff-Beispielen
 
 
       
   
  IV. Die Druckstoffe des 18. Jahrhunderts

1. INDISCHE TÜCHER
 
 
 
48 Die Indiennes waren nicht nur wegen dem neuartigen Baumwollgewebe und den faszinierenden Farben begehrt, sondern auch wegen den Motiven aus der orientalischen Pflanzenwelt, die auf den Stoffen zur Wiedergabe gelangten.
Der eigene Stil dieser Blumen- und Früchte-Malereien liegt darin, daß der indische Künstler alle größeren Flächen mit Punkten und Kreisen verzierte und so die ehemaligen Naturformen zu flächenhaften Dekorationsmotiven umgestaltete. Am Schwung und an der Lebendigkeit der Umrißführung erkennt man leicht, daß mit dem Pinsel auf den Stoff gemalt worden ist.

Indische Stoffe in japanischen Sammlungen (219) zeigen diese Eigenheiten. Liebevoll wurde jedes kleinste Detail behandelt, und man bemühte sich, jede einzelne Fläche durch verschiedenste Ornamentierungen zu beleben. Ein anderer Stoff, der von Indien nach Holland gelangte (220), weist viele eigentümliche Blüten auf, die hauptsächlich in roten und blauen Tönen gehalten sind.
Verschiedene kleine Blätter entsprechen natürlichen Formen. Die großen Blätter dagegen weisen in ihrem Inneren zahlreiche Punktverzierungen auf, und anstelle der Blattrippen treffen wir Blütenranken.

Mit Pinsel bemusterte Stoffe aus dem Orient kommen in schweizerischen Sammlungen nur selten vor. Ein schönes Beispiel wird im Historischen Museum Basel aufbewahrt (221, vgl. Kat.
BS 1). Der indische Stoff ist hier zu einer Schürze verarbeitet worden. Reihen von Phantasieblumen und verschiedenen Blattformen wechseln ab mit Streifen, in denen Lebensbäumchen übereinander angeordnet erscheinen.
Teile einer Blumenranke, die in derselben Pinseltechnik auf den Stoff appliziert wurde, treffen wir auf einem Fragment, das im Kunstgewerbemuseum Zürich aufbewahrt wird (222, vgl.Kat.
ZH 1); im selben Museum wurde ein Teilstück eines mit Blumenvasen und Blättern dekorierten Stoffes gefunden (223, vgl.Kat. ZH 2). Auch hier ist die Musterung mit dem Pinsel klar erkennbar.
Alle diese Beispiele sind sicher im frühen 18.Jahrhundert entstanden, stimmen sie doch mit den Beschreibungen
  eines Beaulieu oder eines Coeurdoux überein. Wir können sogar vermuten, daß dieselben Gestaltungsweisen bereits im 17. Jahrhundert in Indien bekannt waren; denn es ist anzunehmen, daß die Formen während Generationen in der gleichen Art immer wieder verwendet worden sind.

Gegen das Ende des 18. Jahrhunderts scheint sich jedoch auch der orientalische Stil zu verändern: die Formen werden härter und weniger kleinteilig. Auch gibt es nun Tücher, bei denen alle Spitzen der Blattrippen in feine Krümmungen auslauten, ja geradezu als Dornen ausgestaltet sind (224, vgl.Kat.
BS 2, und 225). Die zackigen, stacheligen Blätter erwecken den Eindruck, sie seien dürr. Und doch entdeckt man bei längerer, eingehender Betrachtung Phantasietiere, die auf den Ranken spazieren. Die vielen Zacken und Spitzen weisen auf eine Beeinflussung durch andere orientalische Länder hin. Ob hier Persiens Formengut eine Rolle spielte?

Die orientalische Ziertechnik wird in Indien bis auf den heutigen Tag weiter gepflegt. Für die Entwicklung der Drucktechnik könnte Europa einen gewissen Einfluß ausgeübt haben. Allerdings wissen wir aus mehreren Beschreibungen, daß der Druckvorgang in Indien schon früh bekannt war (8).

Auf Stoffen, die im beginnenden 19. Jahrhundert entstanden, erscheinen neben Blumen auch Figuren des religiösen Lebens. So werden im National Museum von New Delhi sogenannte «palampores» oder Tempelbehänge aufbewahrt, die mit Darstellungen aus dem Leben Krishnas oder anderer Gottheiten verziert sind (155). Ganz ähnliche orientalische Götter zeigt ein Baumwolltuch, das im Schloß Colombier (NE) ausgestellt ist. Es kann sich hier nur um ein Tuch handeln, das aus Indien in die Schweiz gelangte. Vor allem die Wiedergabe eines Wesens zwischen Mensch und Tier (
NE 5), erscheint für unsere Begriffe seltsam. In der indischen Kunst dagegen tritt dieses Wesen häufig als Symbol der Macht auf. Der Neuenburger Druck scheint unfertig, und es ist gut möglich, daß ein letzter Arbeitsgang, mit einer weiteren Farbe, hier nicht zur Durchführung gelangte.
       
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155 In New Delhi waren im Dezember 1965 zwei solche Behänge ausgestellt und folgendermaßen beschriftet: Temple hanging: showing scenes from Bhagavata, South India, 19th Century.... A special class of South Indian Calicos are the palampores (temple hangings) of Masulipatam, Cuddapah and North Arcot, in which scenes from the epics or from the life of Krishna are usual subjects...»
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219 Indische Tücher, Osumi, Chintz anciens, Tafel 25, S. 73
220 Pinselmusterung, Den Haag, Holland
221
BS 1 Pinselmusterung, Schürze, Hist. Mus. Basel 1958.168
222
ZH 1 Pinselmusterung, Kunstgewerbemuseum Zürich 47a
223
ZH 2 Pinselmusterung, Kunstgewerbemuseum Zürich 26c
224
BS 2 persische Pinselmalerei: Hist. Mus. Basel 1931.80
225 persische Pinselmalerei: Mülhausen
       
 


219 Detail aus Indischem Tuch,
Osumi, Chintz anciens,
Tafel 25, S. 73, Collection Kumagai


220 Detail aus Stoff mit Pinselmusterung,
Den Haag, Kostümmuseum, Holland, o.Nr.





225 Bemaltes Tuch mit persischem Einfluss, Ende 18. Jh. Musée de l'Impression Mulhouse
       
 
219 Detail aus Indischem Tuch, Osumi, Chintz anciens,
Tafel 4, S. 39, Collection Kumagai
 



NE 5 Tuch, Indien oder Nachahmung in Neuenburg; 2. Hä.18. Jh., Schloss Colombier; Nr. 352.
       
 
     
  2. EUROPÄISCHE STOFFE NACH INDISCHEM VORBILD
       
49 Die indischen Motive wurden in Europa während des ganzen 18. Jahrhunderts nachgeahmt, und zwar übernahmen die Stecher die Formen so, wie sie in Persien oder Indien vorkamen, und gaben sich keine große Mühe, im Sinne der orientalischen Ornamente selber Neues zu erfinden. Bei der Datierung dieser nachgeahmten Stoffe kann man höchstens feststellen, daß es sich bei den technisch unbeholfenen um frühe und bei raffinierteren Drucken um spätere Stücke handeln muß. Der Entstehungsort von Stoffen läßt sich manchmal anhand von Musterbüchern (Zeichnungen) und bei Holzstempeln nach dem Auffindungsort (Sammlung) rekonstruieren.

Zwei in England aufbewahrte Zeugdrucke zeigen, wie erste Nachahmungsversuche in Europa ausgesehen haben müssen (226, 227). Die Umrißführung wurde durch die Drucktechnik sehr starr und viel von der Leichtigkeit der orientalischen Stoffe ging dadurch verloren. Die Blüten sind großdoldig und weisen dieselben Lanzett- und Glockenformen auf, wie sie auch auf indischen Stoffen anzutreffen waren.

Charakteristisch für diese Stilrichtung sind auch die länglichen Mangofrüchte. Sie sind mit Punkten, Linien und Schraffierungen kleinteilig ornamentiert. Solche frühen Nachahmungen bezeichnete man wegen ihrer Ein- oder Zweifarbigkeit als Surats oder Patnas, da sich die Handwerker an Stoffvorbilder aus jenen indischen Städten hielten.
  Mit der Entwicklung der Technik verschwinden die indischen Motive nicht, man trifft sie nun auf den farbenprächtigen Calancas, und gegen das Jahrhundertende werden sie auch in Kupferplatten gestochen. Diese Drucke, die um 1775 in England entstanden, zeigen immer noch fremdartige Blüten, doch scheinen sie europäischen Pflanzenformen näher zu stehen. Man weiß, daß die Muster hier nicht direkt nach indischen Stoffen kopiert worden sind; denn Vorbilder konnten auf fünf Kupferstichen von Jean Pillements «Fleurs de Fantaisie dans le goût chinois» und «Fleurs de Caprice» (beide 1760 in London erschienen) entdeckt werden. In diesen und auch in anderen Werken von Pillement finden sich Motive (228), wie sie auf vielen Indiennes (229) vorkommen. Seine Stiche bildeten also Zeugdruckvorlagen.

Auf einer weiteren Musterzeichnung, die ebenfalls im indischen Stil gehalten ist, kommt neben Druckanweisungen für Modelstecher der Name des Entwerfers vor. Dieser Künstler, John Munns, war in Crayford (Kent) von 1768-1784 tätig (230).

Im Schloß Colombier (NE) werden ebenfalls
Musterblätter (232, 231 - vgl. Kat. NE 16 und NE 17) aufbewahrt. Diese Blätter und einige Stoffe (233, vgl. Kat.Nr. NE 9) zeigen, daß auch in den Neuenburger Manufakturen indische Musterungen hergestellt wurden und daß der Einfluß von Jean Pillement und des englischen Musterzeichners John Munns bis hierher spürbar war.

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226 europ. Nachahmungen: V+A London 1763-1899
227 europ. Nachahmungen: V+A London T 260-1919
228 Pillement-Motive, Bauer, Rocaille, Taf. 39
229 ind. Motive, Engl. printed Textiles, Taf. 13, V+A London, T 62-1933
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230 Musterzeichnung, Engl. printed Textiles, Tafel 14, V+A London 7275-297
231
NE 16 Musterblatt, Schloß Colombier NE, Photo 239
232
NE 17 Musterblatt, Schloß Colombier NE, Durchzeichnung
233
NE 9 Pfauenstoff, Berthoud, les Indiennes Neuchâteloises

 
230 Musterzeichnung, Engl. printed Textiles, Tafel 14, V+A London 7275-297

 
ZH 75 Herrenweste, ev. England; 2. Hälfte 18. Jahrhundert.
Schweiz. Landesmuseum Zürich; Dep. 2300.
       
 
231 NE 16 Musterblatt, Schloß Colombier NE, Photo 239




NE 15, Musterblatt, Schloß Colombier NE, Photo 238

233 NE 9 Pfauenstoff, Berthoud, les Indiennes Neuchâteloises
 
     
  3. DIE BLAUDRUCKE
       
50 Die Reservetechnik auf Indigogrund ist eine der ältesten Musterungsarten. Schon die ägyptische Kindertunika (200) war auf diese Weise verziert worden. Auch bei den indischen Perlencollier-Motiven, die in ihren Zusammensetzungen bisweilen an Spitzenimitationen des 17. Jahrhunderts erinnern, handelt es sich um Punktreserven.
Stoffe mit solchen Punktmusterungen stehen am Anfang von Entwicklungreihen. Oberkampf, der 1758 nach Paris kam, traf dort ein solches Zierverfahren an: mit Holzstempeln, aus denen runde, ovale oder viereckige Formen herausgeschnitten waren, druckte man den Schutzbrei auf den Stoff, und es entstanden primitive geometrische Musterungen.

Im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich befindet sich ein blaues Kinderkleid, das nach einer Inschrift (156) um 1740 datiert werden kann (234 vgl.
Kat. ZH 4). Wir haben hier eine einfache Verzierung mit Punkten vor uns. Die weißen Ornamentierungen der Reservemusterung entsprechen den dunklen Stellen eines Holzstempel-Abzuges, wie zum Beispiel Kat. BS 35 (237, 238) wiedergibt.
Bei dieser Technik bedruckte man bekanntlich diejenigen Stellen, die weiß bleiben sollten, mit einer Schutzmasse, und nur der unbedruckte Stoff nahm im Indigobad die blaue Farbe an.

Die Vorhänge eines Puppenbettchens im Historischen Museum Basel (235,
BS 3) zeigen, daß mit dieser Reservetechnik auch großblumige Kompositionen hergestellt werden konnten. Kleinteiligkeit ist also keineswegs eine charakteristische Eigenschaft der Reservedrucke.

Einige Stempel im Basler Historischen Museum können zu ähnlichen Musterungen verwendet worden sein. Mit ihrer kunstvollen Ausgestaltung beweisen sie, daß man es in der Blaudrucktechnik in Basel zu hoher Meisterschaft gebracht hatte.
Zwei Kissenbezüge (236, vgl. Kat.Nr.
BS 4), ebenfalls in Basel

  aufbewahrt, haben im Mittelstück Motive in Reservemusterung, während die Randbordüre blaue Blumenranken wiedergibt. Man hatte also nicht das Motiv, sondern den Grund mit der Schutzmasse versehen, und auf diese Weise war ein Porzellandruck (vgl. S. 38) entstanden.

Eine derartige Porzellandrucktechnik verlangte vom Handwerker besonderes Geschick, und man begreift die Unternehmer, wie zum Beispiel die Engländer, oder bei uns die Ryhiner, die nach Möglichkeiten suchten, die blaue Farbe direkt aufdrucken zu können. Vielleicht haben wir in einem Basler Holzmodel einen solchen Direktdruck-Stempel vor uns.

Anlaß zu dieser Vermutung gab der folgende Vergleich: in London und in Krefeld werden Teile eines großblumigen Druckstoffes aufbewahrt (239). Es handelt sich um einen Porzellandruckstoff, den Hilde Kümpers (157) um 1700 datiert. Sie glaubt, er sei in Augsburg bei den Neuhofer entstanden. Das relativ grobe Motiv läßt sich aber auch gut zu den Basler Blumen- und Streifenkompositionen in Beziehung bringen, die wir auf den Reservedrucken angetroffen haben.

Der Stoff paßt ohne weiteres in die Reihe der Basler Druckstoffe. Die Lokalisierung nach Basel wird noch bestärkt durch den Fund eines Holzstempels, der mit den anderen
Reservestempeln im Historischen Museum Basel aufbewahrt wird (240 vgl. Kat. BS 36) und in Motiven und in der Größe ziemlich genau mit dem Rapport des Londoner Stoffes übereinstimmt (158).
Eine eingehende Betrachtung zeigt jedoch, daß Stempel und Stoffdruck nicht
zusammengehören. Am auffallendsten sind die Abweichungen bei den feinen Punktmusterungen. Bei verschiedenen anderen Stempeln konnte festgestellt werden, daß es ausnahmslos ins Stempelholz eingelassene Metallstifte sind, die diese Ornamentierungen hervorrufen.
 
234 Kat. ZH 4 , Detail aus Kinderkleid, Landesmuseum (vgl. Anm. 156) 17626



238
BS 35 Holzstempel, Hist. Mus. Basel

 

 
239 Porzellandruck, Kümpers, Krefeld; sowie V+A 1695-1899
 
240 BS 36 Holzstempel, Hist. Mus. Basel
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156 In dem Kinderkleid befand sich ein Zettel mit der folgenden Notiz: «Die Röckli sind von unserem Großvater sei.: Hans Jakob Zinggeler. Er ist geboren 1740. Er wird 2-3 Jahre alt gewesen sein, als man ihm die Röckli gemacht hat.» Diese Angaben beziehen sich nicht nur auf das indigoblaue Kleid, sondern auch auf ein gleichgroßes in Krappfarben.
157 HILDE KÜMPERS gibt in ihrem Werk: Kunst auf Baumwolle, Dortmund 1961, unter Nr. 124 Angaben über den in Frage stehenden Porzellandruck: «Baumwollenes Gewebe mit Reservedruck und Indigofärbung. Grund: Naturfarben. Muster: Mittelblau. Schmalseite 63 cm. Ranken mit stilisierten Blüten, Blättern und Früchten. Augsburg um 1700; wahrscheinlich Neuhofer. GSK 01189.»
158 Briefliche Mitteilung von Donald King, Deputy Keeper, Department of Textiles, Victoria and Albert Museum, London.
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234
ZH 4 Kinderkleid, Landesmuseum (vgl. Anm. 156) 17626
235,
BS 3 Vorhänge Puppenbett, Hist. Mus. Basel 1894.129
236
BS 4 Kissenbezug, Hist. Mus. Basel 1887.93
237
BE 21 Holzstempel, Hist. Mus. Bern 2070
238
BS 35 Holzstempel, Hist. Mus. Basel
239 Porzellandruck, Kümpers, Krefeld; sowie V+A 1695-1899
240
BS 36 Holzstempel, Hist. Mus. Basel
       
 
       
51 Erscheinen die feinen Punkte weiß, so kann es sich nur um indirekten Druck handeln (also Reserve- oder Porzellandruck), erscheinen sie dagegen blau, so haben wir einen Direktdruck vor uns.
Da der Londoner Stoff viele weiße, feine Punktierungen aufweist, muß es sich hier um einen Porzellandruck handeln.

Versuchen wir nun, uns den ursprünglichen Holzstempel zum Londoner Stoff zu vergegenwärtigen: Er müßte zum großen Teil aus einer flachen Holzplatte bestanden haben, in die nur wenige Formen eingetieft waren, also alles, was auf dem Stoff dunkel erscheint. Der Basler Holzstempel ist gerade umgekehrt gebildet; mit ihm konnten Direktdrucke mit ähnlichen Musterwirkungen wie beim Neuhofer-Stoff hergestellt werden. Vielleicht hat Oberkampf mit diesem Stempel seine neue Methode demonstriert (69). Er hätte also das Motiv eines damals weitherum bekannten Porzellandruckes - Augsburger Herkunft - übernommen und mit seinem Direkt-Druckverfahren in kürzerer Zeit ähnliche, jedoch wohlfeilere Stoffe fabriziert.

Sehr schön wäre es, wenn sich für diese Überlegungen stichhaltige Beweise finden ließen. Bis heute ist dies jedoch nicht der Fall. Unser Stempel könnte ebensogut von einem Stoffdrucker des 19. Jahrhunderts kopiert worden sein, hatte man doch in diesem Jahrhundert auch nach Webmustern Stempel geschnitten und diese als mittelalterlich ausgegeben
(vgl. S. 4). Diese Ausführungen sollen veranschaulichen, wie verschiedenartig die Schlüsse sind, die sich beispielsweise auf Grund eines einfachen Stempels ziehen lassen, und wie wenig eindeutige Beweise wir besitzen.
  Direkten Blaudruck in einer späteren Entwicklungsphase treffen wir auf einer im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich aufbewahrten Schürze (241, vgl. Kat. ZH 7). Verschiedene Blattmotive und Blumensträuße sind von kleinen blauen Punkten wie von einem Schleier umgeben.
Die feinen Blüten und Ranken einer Damenjacke im Historischen Museum Basel (242, vgl. Kat.
BS 5) weisen auf Druck mit Kupferplatten. Es ist nicht ausgeschlossen, daß hier die Drucktechnik mit bleu fayencé angewendet wurde. In diesem Fall könnte der Stoff für die Damenjacke von England nach Basel gelangt sein, und wieder einmal müssen wir uns klar vor Augen halten, daß der Aufbewahrungsort über den Entstehungsort nur wenig aussagen kann.

Nicht in jeder Manufaktur führte die Entwicklung von eher groben Reservemusterungen zu feinen Kupferplatten-Erzeugnissen. Die Reservetechnik geriet nach der Erfindung des Druckblaus keineswegs in Vergessenheit. So begannen die Betriebe des Kantons Glarus zum Beispiel erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts mit der Fabrikation von Zeugdrucken. Sie hatten die Technik von den Genfern übernommen, die für diese Methode berühmt waren (159).

Im 19. Jahrhundert war die Reservetechnik noch in Gebrauch, und namentlich in abgelegenen Gebieten, zum Beispiel im Tessin, oder im Kanton Graubünden, entstanden diese blau-weißen Baumwollstoffe weiterhin. So müssen wir also zwischen frühen und späteren Reservedrucken unterscheiden. Die letzteren sind meistens in größeren Ausmaßen erhalten und zeichnen sich durch eine kräftige dunkelblaue Farbe aus
(vgl. S. 70).
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159 JOHANN HEINRICH STREIFF (1709-1780) eröffnete 1740 in Glarus eine erste Druckerei. Er ließ den Genfer Koloristen Fazy in seinen Betrieb kommen, welcher ihm bei der Einführung des Blaudruckes behilflich sein sollte.
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241 ZH 7 Porzellandruck, Schürze, Landesmuseum 8843
242
BS 5 bleu fayencé, Damenjacke, Hist. Mus. Basel 1905.104
 
 
241 ZH 7 Porzellandruck, Schürze, Landesmuseum 8843
 
241 ZH 7 Detail von Porzellandruck
 
 
236 BS 4 Kissenbezug, ev. Basel oder Zürich, Mitte 18. Jh., Hist. Mus. Basel 1887.93

235
BS 3 Vorhang von Puppenbett, Hist. Mus. Basel 1884.129
       
 
     
  4. BEIZENGEFÄRBTE STOFFE
       
52 Für blau-weiße Musterungen war eine einheitliche Behandlung mit Indigo nötig. Demgegenüber verlangten die Stoffe mit Dunkelkonturen, braunen, roten oder violetten Tönungen eine Behandlung mit Beizen und Krapp. Wir haben damit Stoffe vor uns, die man zunächst mit Musterstempeln und Beizen behandelte, und die ihre Farbtönungen im anschließenden Krappbad durch örtliche Färbung erhielten. Sie sollen im Folgenden als beizengefärbte Stoffe bezeichnet werden.

Frühe Beispiele lehnen sich in der Formgebung noch an orientalische Stoffe an. Ryhiner bezeichnet sie ja auch als «Patna» oder «Surat». Aber in Europa malte man die Beizen vermutlich nie, sondern druckte sie von Anfang an auf den Stoff.

Bei zwei Stoffen aus dem Victoria and Albert Museum in London (226, 227) treffen wir Blüten, die von natürlichen Formen weit entfernt sind und Blätter, die auf einem der Beispiele wie Streumotive wirken. Die einzelnen Formen erinnern zwar an Orientalisches, aber die starre Wiedergabe der Motive, die durch den Holzmodeldruck bedingt ist, macht es unmöglich, diese Stoffe mit echten, gemalten indischen Stoffen zu verwechseln.

Ähnliche, einerseits starre und andererseits doch an indische Formen erinnernde Motive finden wir auf zwei Stoffbeispielen des Basler Historischen Museums (243, vgl. Kat.
BS 7 ), und ganz entsprechende Formen weist ein in Genf aufbewahrter Holzstempel auf. Blüten und Blätter sind streumusterartig über den Grund verteilt (244, vgl. Kat. GE 11), und man kann sich gut vorstellen, daß hier mit anderen Stempeln noch rote Farbe eingepaßt worden ist.

Weitere Stoffbeispiele zeigen, daß auch ganz naturalistische Pflanzenformen vorkommen können. In einem Kleid, das im Schweizerischen Landesmuseum Zürich aufbewahrt wird, wurde ein Zeugdruckfutter mit Glockenblumen und Nelkenmotiven gefunden (245, vgl. Kat.
ZH 14). Stilistisch nicht weit davon entfernt ist das Stoffmuster mit Nelke und Erdbeere. Dabei soll es sich um einen der ersten in Neuenburg entstandenen Zeugdrucke des Unternehmers Jean Labran handeln (246, vgl. Kat. NE 2).

Einmalig an einem Neuenburger Beizendruck (247, vgl. Kat.
NE 3) ist die Tatsache, daß auch der zugehörige Stempel (vgl.Kat. NE 20) erhalten ist. Dieser ist mit der Zahl 1742 bezeichnet.
Natürlich kann es sich um eine gewöhnliche Nummer handeln, aber auch die Möglichkeit einer Jahrzahl ist nicht ausgeschlossen. Die Blüten, die eine Mischung von indischen und natürlichem Vorkommen zeigen, könnten gut in jenem Jahre entstanden sein. Allerdings wirkt die gesamte Darstellung viel magerer und kümmerlicher als die der übrigen Patnas.

  Ein ebenfalls einzigartiger Fund konnte in Genf gemacht werden: in einer Privatsammlung findet sich nämlich nicht nur ein Stoff mit rot-violett-braunen Blumensträußen, sondern außerdem in einem Musterbuch zwei Abzüge auf Papier, welche die Umrisse zu den genannten Blumensträußen wiedergeben (248, 249 vgl.Kat. GE 1). Wir sehen hier augenfällig, welche Bedeutung der Anwendung verschiedener Stempel zukam;
denn während der Umriß-Stempel dünn und mager wirkt, haben wir im fertigen Muster auf dem Stoff naturalistische, ja fast vollplastisch wirkende Blumen vor uns.

Blumenmotive in ziemlich grober Ausprägung finden sich auf einer Schürze des Schweizerischen Landesmuseums (250 vgl. Kat.
ZH 19). Auch sie sind in Krapptönen gehalten und gehören somit noch zur Gruppe der Patnas. Diese weniger feine Ausführung muß nicht unbedingt auf eine frühe Entstehung weisen. Es kann sich auch um ein frühes Produkt einer neuen Entwicklungsreihe handeln. Vielleicht entstand dieser Druckstoff, wie die späten Reservedrucke, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in einer der neu aufkommenden Glarner Manufakturen.
Dagegen muß die Schürze des Historischen Museums Bern (251, vgl. Kat.
BE 2) in einem Betrieb mit langjähriger Erfahrung entstanden sein; denn hier sind Blüten und Blätter sehr naturnahe gebildet, und das starre und flächenhafte Element ist weitgehend verschwunden.

In der zweiten Jahrhunderthälfte ist das indische Motiv auch auf einfarbigen Stoffen anzutreffen. Ein dunkelbraunes Damenkleid des Schweizerischen Landesmuseums zeigt auf fein gemustertem Grund Blumensträuße mit verschiedenen orientalischen Blütenformen (252, vgl. Kat.
ZH 61), und im gleichen Museum treffen wir auf einem Haubenfutter Blumen, die ebenfalls nicht durchwegs an unsere europäische Flora erinnern (253, vgl. Kat. ZH 16).
Druckmuster auf Wollgeweben finden wir erst seit den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts. Die Wolle war nämlich für den speziellen indischen Färbevorgang nicht geeignet, weil sie den Krapp auch ohne Beizen annahm und auf diese Weise natürlich keine guten Weißböden entstanden. Erst nach der Erfindung des Dämpfens war es möglich, auf Wolle zu drucken. Wohl zum
erstenmal hatte man diese Methode am Ende des 18. Jahrhunderts in England angewandt. Die verdickte Beizenmischung wurde mitsamt dem Färbematerial auf den Stoff gedruckt und dieser darauf heißen Wasserdämpfen ausgesetzt. So kam die richtige Fixierung zustande. Einige bedruckte Wollstoffe aus dem Kanton Graubünden müssen daher im beginnenden 19. Jahrhundert entstanden sein. Sie zeigen auf weißem oder rotem Grund großformatige Blumen- oder Früchtemotive in dunkler Farbe (254, vgl. Kat.
GR 21).

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243 BS 7 Krappfarbener Kissenbezug, Hist. Mus. Basel 1906.3148
244
GE 11 Holzstempel, Museum Genf N 455 GE 11
245
ZH 14 Krappfarbenes Rockfutter, Landesmuseum IN 8673
246
NE 2 Muster mit Nelke und Erdbeere, Schloß Colombier NE 411
247
NE 3 Krappfarbenes Stoffmuster, Schloß Colombier NE
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248 GE 1 Stoff mit Blumenstrauß, Raymond Deonna, Genf
249 Stempel auf Papier, Raymond Deonna, Genf
250
ZH 19 Schürze, Landesmuseum 7684
251
BE 2 Schürze mit Blumenmotiven, Hist. Mus. Bern 8027
252
ZH 61 Damenkleid mit Blüten, Landesmuseum 18763
253
ZH 16 Haubenfutter mit Blumenmuster, Landesmuseum 2452
254
GR 21 wollener Damenrock, Rät. Museum XII lBc8
 
 
243 BS 7 Krappfarbener Kissenbezug, Hist. Mus. Basel 1906.3148
 
244 GE 11 Holzstempel, Museum Genf N 455
 
245 ZH 14 Krappfarbenes Rockfutter, Landesmuseum IN 8673
 
246 NE 2 Muster mit Nelke und Erdbeere,
Schloß Colombier NE 411
 
247 NE 3 Krappfarbenes Stoffmuster, Schloß Colombier NE
 
247 NE 20 Holzstempel, Neuenburg, Schloss Valangin (NE), bezeichnet mit 1742
       
 
 
  5. DIE BODENDRUCKE
       
53 Auch die Bodendrucke sind normalerweise beizengefärbte Stoffe, doch erscheint hier der Grund dunkel. Sie waren deshalb wohlfeiler als die Beizendrucke mit weißen Böden; denn die Herstellung eines dunklen Grundes erforderte geringere Sorgfalt und nahm außerdem weniger Zeit in Anspruch.
Der dunkle Grund entstand mit Stempeln, bei denen die eigentlichen Musterungen ins Holz eingetieft waren und später auf dem Stoff weiß erschienen. Man konnte den Stoff auch ganz mit Beize tränken und dieselbe zur Musterung an den gewünschten Stellen wieder entfernen (rongeant). Im 19. Jahrhundert endlich wandte man auch das Ätzverfahren an, das heißt, die Tücher wurden zunächst uni gefärbt und die Muster später herausgeätzt. Im Unterschied zu den Blaudrucken bleiben nun diese Musterungen nicht immer weiß. Konturlinien und verschiedene Farben wurden in weiteren Arbeitsgängen eingepaßt.

Dunkle Grundierungen kommen auf Leinwandstoffen vor, die um die Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden. In einem Falle (255, vgl. Kat.
ZH 23) handelt es sich um einen Kinderkleidstoff im Schweizerischen Landesmuseum, der anhand einer Inschrift um 1740 entstanden sein muß. Dieses Beispiel zeigt die geringe Sorgfalt in der Ausführung besonders deutlich.

Einige Druckstoffe, die aus Bündner Sammlungen in verschiedene Museen gelangten, lassen sich wegen folgenden Merkmalen zu einer Gruppe zusammenfassen: sie zeigen alle auf dunklem Grund farbige Blüten, die aber die ausgesparten Umrißformen nicht ganz ausfüllen, so, daß zum Braun des Bodens und zu den Rottönungen der Pflanzenformen der helle Stoff als weiteres Element dazukommt (256, vgl.Kat.
ZH 26). Es ist möglich, daß diese Stoffe in einer kleineren Druckerei beispielsweise des Engadins, entstanden. Vielleicht zeigen sie auch eine frühe Entwicklungsstufe der Glarner Manufakturen. Glarner wären in diesem Falle auf ihrem Weg nach Süden
  durch bündnerisches Gebiet gekommen und hätten einen Teil ihrer Stoffe schon hier abgesetzt.

Das Landesmuseum Zürich besitzt eine Decke, die mit einem großen Stück eines Bodendrucks abgefüttert ist (257, vgl. Kat.
ZH 32). Die Musterung ist wesentlich feiner und sorgfältiger ausgeführt als bei der eben besprochenen Gruppe. Einzig in der Anordnung der Blumenranken besteht eine gewisse Übereinstimmung, und wir fragen uns: verkörpert dieser Stoff eine spätere Entwicklungsstufe jener Druckmuster mit hellem Element, oder ist der Stempel das Produkt eines fremden, vielleicht ausländischen Handwerkers, der sich eine Zeitlang in einer Glarner Manufaktur aufhielt? Leider gibt es keine Anhaltungspunkte für diese Vermutungen.

Interessant ist eine Gruppe von Bodendrucken, die sich stark an französische Motive anlehnt und die ins ausgehende 18. Jahrhundert datiert werden muß. Das Motiv des Wellenbandes, das mit Blumensträußen oder Blütenranken abwechselt, finden wir auf einem Stofffragment, das in Mülhausen aufbewahrt wird und den Firmenstempel «Bovet, Robert & Cie de Neuchâtel» aufweist. Der Stoff ist somit als Neuenburger Fabrikat gekennzeichnet (258, vgl. Kat.Nr.
M 1). Ein krappfarbener Druckstoff mit ganz wenigen Abweichungen wird im Victoria and Albert Museum in London aufbewahrt. Hier weist die Firmenmarke aber auf eine Entstehung in Frankreich und trägt die Bezeichnung «J. P. Meillier & Cie, Beautiran». London datiert diesen Stoff um 1795.
Unser Schweizer Fabrikat ist in diesem Fall ebenfalls im ausgehenden 18. Jahrhundert entstanden. Man muß in Neuenburg den französischen Stoff gekannt und ziemlich genau kopiert haben. Wir sehen also, daß man sich in jenen Manufakturen stark von den Dessins der berühmten Konkurrenzfirmen des Auslandes beeinflussen ließ.
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255 ZH 23 Krappfarbenes Kinderkleid, Landesmuseum 17625
256
ZH 26 Haubenfutter mit Blumenmuster, Landesmuseum 1247
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257 ZH 32 Decke mit dunklem Grund, Landesmuseum 4957 c
258
M 1 Stoff mit Firmenaufdruck, Mülhausen 954.438.1
 
 
255 ZH 23 Detail von krappfarbenes Kinderkleid, Landesmuseum 17625
 
256 ZH 26 Haubenfutter mit Blumenmuster, Landesmuseum 1247
 
 
258 M 1 Stoff mit Firmenaufdruck, Mülhausen 954.438.1




257
ZH 32 Decke mit dunklem Grund, Landesmuseum 4957c
       
 
       
54 Es hat sich außerdem ein Stempel-Andruck auf Papier erhalten, der aus der Firma Ch.Burckhardt vom Segerhof in Basel stammt und im dortigen Historischen Museum aufbewahrt wird. Das Blatt zeigt ebenfalls den gewundenen Streifen mit einer Blumenranke (259, vgl. Kat.Nr. BS 29). Das baumwollene Futter einer Taufdecke, aufbewahrt im Rätischen Museum in Chur (260, vgl. Kat.Nr. GR 11) zeigt denselben Dekorationsstil, und es ist nicht ausgeschlossen, daß dieser Futterstoff aus der Gegend von Basel oder Mülhausen nach Graubünden gelangte.

Auch das krappfarbene Tuch, das im Schweizerischen Landesmuseum deponiert ist, gehört in diese Gruppe. Mit dem Bovet-Fabrikat verglichen, stellt es gewissermaßen eine Stilisierung des Motives dar (261, vgl. Kat.Nr.
ZH 39) und mag aus einer kleineren Druckerei stammen.

Das Motiv mit den Wellenbändern war also im ausgehenden 18. Jahrhundert sehr beliebt, so daß die Manufakturen voneinander kopierten oder sich doch gegenseitig stark beeinflußten.

Neben den krappfarbenen Tüchern gibt es Stoffe mit anderen Grundtönungen. So existiert im Historischen Museum Basel ein Bettüberwurf in Grün mit Blumen und Streifendessin (262, vgl. Kat.Nr.
BS 14); im Rätischen Museum Chur findet sich ein Blumenmotiv auf Blau als Futter in einem Mieder (263, vgl.Kat.Nr. GR 5), und das Landesmuseum Zürich besitzt eine Schürze mit hellbraunem Fond (264, vgl. Kat.Nr. ZH 41). Bei Druckstoffen mit hellen Streifen auf dunkelbraunem bis schwarzem Grund kann es sich um "Indiennes de Deuil" handeln. Die hartumgrenzten Motive weisen auf Metallformen, und die verschiedenen Streifenanordnungen lassen auf Druck mit Rouleaux schließen. Solche Zeugdrucke sind ins 19. Jahrhundert zu datieren.
  Bei einer Decke, die im Rätischen Museum Chur aufbewahrt wird, ist nicht eindeutig erkennbar, wo gefärbt und wo gedruckt wurde (265, vgl.Kat. GR 14). Da ganz ähnliche Stoffe in japanischen Sammlungen (266) vorkommen, ist es schwierig, den Ursprungsort dieser Drucke festzulegen.

Wir wissen zwar, daß die Glarner Fabrikannten ihre nachgeahmten Tücher in alle Erdteile exportierten
(vgl. S. 60,61) und könnten daher annehmen, das Churer Tuch und die japanischen Beispiele stammten aus jenem Kanton. Doch dürfen wir nicht vergessen, daß in Indien selbst heute noch Stoffe bedruckt werden. In jenem Lande wurde denn auch ein neuer Druckstoff erworben, der in seiner Musterung mit unseren in Frage stehenden Stoffen verwandt erscheint. Die Wahrscheinlichkeit ist somit groß, daß es sich beim Churer Beispiel um einen indischen Druck aus dem beginnenden 20. Jahrhundert handelt.

Holzmodel, die zur Herstellung von Bodendrucken dienten, konnten nur sehr wenige gefunden werden. Vielleicht wurden sie schnell unbrauchbar. Oft trug nicht mehr der Holzgrund die Farbe, sondern eine eingelegte Filzschicht (267, vgl. Kat.
BS 43), die bewirkte, daß die Grundfarbe schön regelmäßig auf dem Stoff erschien
.
Von den vielen Modeln, die die Blüten wiedergeben, die man in einem zweiten Arbeitsgang beifügte, sind praktisch keine erhalten. Einzig bei einem Stempel, der in Genf aufbewahrt wird (268, vgl. Kat.
GE 18) und auf welchem die Konturen einzelner Blüten zur Darstellung gelangen, kann es sich um einen zu einem Bodendruck gehörenden Stempel handeln.
  ___________
259 BS 29 Stempel-Aufdruck auf Papier, Hist. Mus. Basel 1930.733
260
GR 11 Taufdecke mit Krappfutter, Rät. Museum XII 3 C 6
261
ZH 39 Krappfarbenes Tuch, Landesmuseum 19211
262
BS 14 Grüner Bettüberwurf, Hist. Mus. Basel 1926.24
263
GR 5 Blaues Futter in Mieder, Rät. Museum XII 1Bb1
  __________
264 ZH 41 Schürze mit hellbraunem Grund, Landesmuseum 8845
265
GR 14 Decke, Rät. Museum XII 304
266 indische Decken, Osumi, Chintz anciens Tafel 44,45
267
BS 43 Holzstempel, Hist. Mus. Basel
268
GE 18 Holzstempel, Museum Genf B 2348
 
 
259 BS 29 Stempel-Aufdruck auf Papier, Hist. Mus. Basel 1930.733
 
260 GR 11 Taufdecke mit Krappfutter, Rät. Museum XII 3 C 6
 

 

268 GE 18 Holzstempel, Museum Genf B 2348

267
BS 43 Holzstempel, Hist. Mus. Basel
       
 
 
  6. CAMAIEUX UND SABLÉS
       
55 Camaieux und Sablés gehören, soweit ihre Farben braun, rot oder violett sind, ebenfalls zu den beizengefärbten Stoffen. Bei den Camaieux kann eine Farbe in mehreren Abstufungen vertreten sein, und auf dem oft sehr feinen Baumwollstoff gelangen meistens Kupferplatten zur Anwendung (269, vgl. Kat.Nr. ZH 54). Einige Stoffe mit fein punktiertem Grund können manchmal gewisse Verwandtschaft mit den Patnas aufweisen. Bei diesen Sablés treffen wir nämlich alle Entwicklungsstufen an, von frühen Beispielen mit an Indisches erinnernden Formen bis zu den feinen einfarbigen Kupferplattendrucken, die sich auch als Camaieux bezeichnen lassen (270, vgl. Kat.Nr. ZH 60).

Zunächst sei auf einige Holzstempel hingewiesen, bei denen die Punktierungen nicht sehr fein erscheinen, da keine Metallstifte angebracht worden waren.
Bei einem Genfer Sablé ist die unregelmäßige Grundmusterung aus der Maserung des Stempelholzes hervorgegangen. Ein Stempel aus Chur (271, vgl. Kat.Nr.
GR 31) sieht so aus, als ob der Handwerker Bedenken wegen zu großen leeren Flächen gehabt hätte; vielleicht wegen den Flecken, die beim Drucken entstehen könnten. Wohl aus diesem Grunde füllte er die Zwischenräume mit Punkten aus. Erst das Basler Beispiel mit indischem Motiv und Sable-Grund (272, vgl. Kat.Nr. BS 40) weist auf einen Stecher, der sein Handwerk beherrschte.

Stoffe mit Punktierungen mittels Holzstempeln kommen ziemlich häufig vor. Ein Beispiel, das aus den Niederlanden stammen soll, befindet sich im Victoria and Albert Museum in London (273). Ganz ähnliche Musterungen weisen zwei Haubenfutter aus Zürich (274, vgl. Kat.Nr.
ZH 57) und Basel (275, vgl. Kat.Nr. BS 11) auf. Erwägen wir, daß auch der technisch am sorgfältigsten gearbeitete Stempel mit Punktmusterung aus Basel stammt, so haben wir vielleicht mit derartigen Sablés eine Spur der Basler Produktion wiedergefunden. Die Ähnlichkeit mit dem holländischen Stoff spricht dafür, daß dieser Basler Stil von dort her beeinflußt sein kann.
Mit Metallstiften ließ sich eine regelmäßigere und feinere Punktierung erzeugen, als dies mit dem bloßen Stempelholz möglich war. Wir sehen dies auf zwei Stempeln, die in Chur aufbewahrt werden und sich mit einem italienischen und
  einem französischen Kattunpapier vergleichen lassen (276, 277, vgl. Kat.Nr. GR 34) nach Haemmerle sind sie um 1750 und um 1770 entstanden. Kattunpapiere wurden mit Stoffdruckmodeln hergestellt, ein Vergleich zwischen Papier und Stempelabzug ist somit ohne weiteres möglich. Wir entdecken bei den schweizerischen und den ausländischen Stempeln eine erstaunliche Übereinstimmung des Stiles. Wenn es sich nicht um Nachahmungen handelt, so müssen die Model im Ausland entstanden sein.
Eine genaue Bestimmung ist aber nur auf einem Zeugdruck möglich, auf dem auch die Firmenbezeichnung wiedergegeben ist. Dies ist der Fall bei einem französischen Stoff von A.Quesnel aus Darnétal bei Rouen (278).

Auch mit diesem Stoff lassen sich unsere beiden Druckmodel vergleichen. Deren Blumenarrangements sind allerdings nicht so kunstvoll zusammengestellt, und bei den Blättern fehlen die fein ausgebildeten Details. Der Zeugdruck aus Rouen ist im Jahre 1765 fabriziert worden (160). Ein anderer französischer Sablé (279) soll aus der Firma Eaupiet, Pouchet & Cie Belmare in Rouen und aus dem Jahre 1780 stammen.
Wieder einmal zeigt dieses Beispiel, daß am selben Ort und ungefähr gleichzeitig sowohl qualitativ hochstehende Arbeiten als auch weniger kunstvolle Zeugdrucke entstanden. Dabei ist die Feststellung beachtenswert, daß der bessere Stoff offensichtlich früher hergestellt wurde als der weniger komplizierte Kattundruck.

Für unsere beiden Churer Stempel läßt sich daher lediglich sagen, daß ihr Stil nach Frankreich weist und mit dortigen Produkten der zweiten Jahrhunderthälfte vergleichbar ist.
Da die Model in Chur aufbewahrt werden, könnte es sich auch um provinzielle Nachahmungen französischer Produkte handeln. Es ist ebenfalls denkbar, daß ein Bündner Handelsherr die Holzformen im Ausland erworben hat; schließlich könnten ausländische Drucker, die mit ihren Holzmodeln umherzogen, diese aus irgendwelchen Gründen im Kanton Graubünden liegen gelassen haben.
Mit letzter Gewißheit läßt sich die Geschichte dieser Druckstöcke nicht rekonstruieren.

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160 Angabe in: JUVET-MICHEL. Der französische Zeugdruck, in: Ciba-Rundschau Nr. 28, Basel 1938, S. 1.
269 ZH 54 Camaieux, Landesmuseum 19109
270
ZH 60 Stoff mit Kupferplatten bedruckt. Landesmuseum 2478
271
GR 31 Holzstempel, Rät. Museum
272
BS 40 Holzstempel, Hist. Mus. Basel
273 Stoffbeispiel mit Punktmuster, V+A London 460-1887
  _______
274 ZH 57 Haubenfutter mit Punktmuster, Landesmuseum 3594
275
BS 11 Haubenfutter mit Punktmuster, Hist. Mus. Basel 1899.188
276
GR 34 Holzstempel mit Metallstiften, Rät. Museum
277
Kattunpapier, Haemmerle, Buntpapiere, S. 157
278 Stoffmuster mit Punktmusterung, Ciba 147, Titelblatt
279 Stoffbeispiel mit Punktmusterung, Ciba 147, S. 24
 
 
271 GR 31 Holzstempel, Rät. Museum

 




272 BS 40 Holzstempel, Hist. Mus. Basel
 
274, ZH 57 Haubenfutter mit Punktmuster, Landesmuseum 3594





275, BS 11 Haubenfutter mit Punktmuster, Hist. Mus. Basel 1899.188
 
276 GR 34 Holzstempel mit Metallstiften, Rät. Museum

 



270,
ZH 60 Stoff mit Kupferplatten bedruckt. Landesmuseum 2478
       
 
 
  7. MEHRFARBIGE STOFFE
       
56 Bisher haben wir zwei Stoffgruppen, nämlich eine mit Blau-Tönungen und eine zweite mit Rot-Braun-Violett-Tönungen auseinandergehalten. Natürlich war es möglich, Krapp- und Indigoverfahren miteinander zu kombinieren. Dabei entstanden vielfarbige Musterungen, die manchmal auch als Calanca bezeichnet werden und die zu den kostbarsten Druckstoffen gehören, die im 18 Jahrhundert entstanden sind.

Ihre Herstellung gestaltete sich sehr kompliziert; vor allem der Grund, der weiß bleiben sollte, verlangte von den Handwerkern größte technische Geschicklichkeit. Aber nicht alle Calancas sind von gleicher Qualität. Nur für die Calanca Fins wandte man ein Maximum an Sorgfalt an. Man wählte ein besonders feines Baumwollgewebe und bedruckte es mit allen zur Verfügung stehenden Farben.
Bei den Demi-Calancas dagegen fehlen einige Farbtöne und es konnten auch zweitklassige Gewebe verwendet werden.

Eine Datierung oder gar Lokalisierung dieser Stoffe, die in fast allen Ländern Europas fabriziert und nach allen Ländern exportiert worden sind, ist ein aussichtsloses Unterfangen. Die folgenden Ausführungen versuchen daher lediglich, verschiedene Stoffe miteinander zu vergleichen, auf stilistische Ähnlichkeiten hinzuweisen und von der technischen Seite her auf bestimmte Eigenheiten einzugehen.

Eine Herrenweste, die im Schweizerischen Landesmuseum aufbewahrt wird (280, vgl. Kat.Nr.
ZH 75), zeigt Blumensträuße und Ornamente, die sich mit der bereits bekannten Musterzeichnung von John Munns (230) vergleichen lassen. Beide Male sehen wir doppelt geführte Konturlinien, und auf der Zeichnung wie auf dem Stoff sind die einzelnen Formen mit kleinsten Ornamenten verziert. Der Stoff der Herrenweste könnte somit ein englisches Produkt sein.

Ein Genfer Druckstoff (281, vgl. Kat.Nr.
GE 3) weist in der Gestaltung seines ornamentalen Bandes Ähnlichkeiten mit John Munns' Zeichnung auf. Hier gibt es aber außer dem Band Körbe mit Früchten und Blumen, die nicht mehr an Indisches erinnern, sondern naturalistisch wiedergegeben sind. Wahrscheinlich ließ man sich aber bei der Gestaltung dieses Zeugdruckes vom englischen Stil beeinflussen.
Konturlinien, die doppelt geführt sind, treffen wir auch auf
  einem Baumwollstoff, der im Musee de l'Impression in Mülhausen aufbewahrt wird (282, vgl. Kat.Nr. M 2). Wir haben hier einen der seltenen Stoffe vor uns, die einen Stempel mit Firmenbezeichnung aufweisen. Es läßt sich die Inschrift: Manufr ... de JDF ...... uchatel en Suisse entziffern.
Der Stoff wäre somit bei Jacques Deluze in Neuenburg entstanden. Diesen Stoff datiert man in Mülhausen ins erste Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts.
Obwohl wir es hier also mit einem späteren Neuenburger Produkt zu tun haben, zeigt sich immer noch der Einfluß der englischen Gestaltungsweise.

Halten wir den im Historischen Museum Basel aufbewahrten Stoff mit Blumen und Früchten (283, vgl. Kat.Nr.
BS 15) neben die obigen Beispiele, so sehen wir, daß die doppelten Konturlinien sowie die feinen Ornamentierungen keineswegs für alle Stoffe charakteristisch sind, und es ist wohl möglich, daß sie eine besondere Stilrichtung kennzeichnen.

Auch beim Druckstoff mit den großen farbigen Blumen und Trauben aus dem Schweizerischen Landesmuseum (284, vgl. Kat.Nr.
ZH 74) sind die Begrenzungslinien nicht doppelt. Dagegen kommen, wie beim Basler Druckstoff, Schraffierungen ziemlich häufig vor. Die wenig feine Gestaltung der einzelnen Blüten läßt sich mit den Blumendarstellungen eines Fabrikates aus Rouen (285) vergleichen. Der zart karrierte Hintergrund erinnert dagegen entfernt an einen Stoff aus dem Victoria and Albert Museum in London, der in Deutschland entstanden sein soll (286).

Ein Zeugdruck, der nach Hilde Kümpers bei Schule in Augsburg entstanden ist (287), scheint in seinen Blumenranken mit größerer Leichtigkeit gestaltet, als dies bei den übrigen Stoffen der Fall ist. Möglicherweise hat man hier die blaue Farbe von Hand eingeschildert und so eine malerische Wirkung zu erzielen vermocht. Zwei Druckbeispiele des Schweizerischen Landesmuseums zeigen eine ähnliche malerische Gestaltungsweise (288, vgl. Kat.Nr.
ZH 64, ZH 80).

Ebenfalls bewegt und leicht, fast wie mit dem Pinsel auf Papier gemalt, sind die Drucke auf einigen Stoffbeispielen schweizerischer Museen. Im Gegensatz zu den oben genannten Kattunstoffen sind hier die Formen feiner und zarter.
  _________
280 ZH 75 Herrenweste mit Blumenornamenten, Landesm. Dep.2300
281
GE 3 Stoffbeispiel mit Blumenmustern, Raymond Deonna, Genf
282
M 2 Stoffbeispiel mit Firmenaufdruck, Mülhausen 954.404.1
283
BS 15 Stoffbeispiel mit Blumen und Früchten Hist. Mus. Basel
284
ZH 74 Stoffbeispiel mit Blumen und Trauben, LM 5121a
  _________
285 Stoff mit Blumen aus Rouen, Ciba 147, S. 27
286
Stoffbeispiel mit gepunktetem Hintergrund,
V+A London 1670-1899
287 Stoffbeispiel aus Augsburg, Kümpers, Abb. 125, Krefeld 01195
288
ZH 64, ZH 80 Calanca mit malerischen Blumenmotiven, Landesmuseum 6716c/4031
 
 
280 ZH 75 Herrenweste mit Blumenornamenten, Landesmuseum Dep.2300
 

283 BS 15 Stoffbeispiel mit Blumen und Früchten Hist. Mus. Basel
 


288 ZH 64 Calanca mit malerischen Blumenmotiven, Landesmuseum 6716c/4031
 
288 ZH 80 Calanca mit malerischen Blumenmotiven, Landesmuseum 4031
       
 
   
57 Da die Neuenburger Handwerker die Blautöne bekanntlich auch mit dem Pinsel einmalten, könnten die vorliegenden Stoffe dort in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden sein.
Ein Stoff mit Streifenmusterung im Landesmuseum zeigt wieder eher flächige und wenig plastische Formen (289, vgl. Kat.Nr.
ZH 76). Wir zweifeln nicht daran, daß ein Druckstoff vor uns liegt. Mit dem Pinsel wurde wohl kaum gearbeitet. Im Victoria and Albert Museum befindet sich ein ähnlicher Stoff (290), der als in Holland entstanden bezeichnet wird. Der Stoff in Zürich mag demnach aus einer von den Niederlanden beeinflußten Stadt wie Basel oder von dort selber bezogen worden sein. Für Basel spricht die Drucktechnik, wissen wir doch, daß man hier die blaue Farbe mit Stempeln direkt aufdruckte.

In ähnlich flächenhaftem Stil, jedoch reicher in den Farben, ist ein Schürzenstoff gehalten, der im Schweizerischen Landesmuseum auf bewahrt wird (291, vgl. Kat.Nr.
ZH 79). Zu den großen Farbenskala kommt ein phantasievoller Formenreichtum. Man muß lange suchen, bis man die Wiederholung des Rapportes findet. Diese Tatsache sowie der Farbenreichtum deckt sich genau mit Ryhiners Beschreibung in seinem «Traité sur la fabrication des Toiles peintes» (vgl. S. 44). Vielleicht haben wir auch in solchen Stoffen Basler Erzeugnisse vor uns.

Neben diesen Druckbeispielen, für die sich stets irgendwelche Beziehungen zu anderen Stoffen haben finden lassen, gibt es eine große Anzahl von Blumenstoffen ohne besondere Stilmerkmale. Sie müssen gegen Ende des 18. Jahrhunderts entstanden sein und haben sich mit Bestimmtheit gegenseitig beeinflußt.

Von solchen Zeugdrucken kann einzig ein Schürzenstoff, der im Historischen Museum Bern aufbewahrt wird, mit einiger Sicherheit als zudem dort entstanden angenommen werden (292, vgl. Kat.Nr.
BE 8). Er weist nämlich eine gewisse Übereinstimmung mit einein Holzstempel auf (293, vgl. Kat.Nr. BE 24), der von der Firma Tschanz & Vaucher, Kirchberg bei Bern (161), ins Museum gelangt ist.
Stoffe mit Streifenmusterungen können ihre Entstehung ohne weiteres einer Rouleaux-Druckmaschine verdanken, besonders
  dann, wenn es sich um Motive mit feinen und zarten Linien handelt.
Auf einigen Beispielen scheint man allerdings einzelne Blumenstraußmotive nachträglich mit Holzmodeln, die mit Messingstiften versehen sind, beigefügt zu haben (294, vgl. Kat.Nr.
ZH 87). Verschiedene Betriebe, zum Beispiel die Bieier und die Neuenburger Unternehmen, gingen denn auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu der neuen Rouleaux-Technik über.

Die Manufakturen im heutigen Kanton Aargau sollen ihre Produktion ebenfalls rechtzeitig umgestellt haben. Vielleicht handelt es sich bei unseren Stoffen um Drucke aus dem Aargau.

Die letzte Gruppe der Calancas ist am besten dokumentiert; denn es gibt mehrere Musterblätter - einige davon sind sogar mit Datum versehen -, die Übereinstimmungen mit verschiedenen Stoffen aufweisen.
Wir sehen, daß in Neuenburg neben den bewegten Stoffen auch solche mit eher starren Blumensträußen entstanden.

Die Messingformen, die nach und nach an die Stelle der viel empfindlicheren Holzformen traten, waren weitgehend für diesen viel härteren Stil verantwortlich (295, vgl. Kat.Nr.
NE 14). Neben Neuenburg müssen ähnliche Stoffe mit Blumensträußen auch für die Genfer Produktion charakteristisch gewesen sein. In einer Genfer Privatsammlung werden nämlich neben einigen Stoffen auch mehrere Musterblätter jener Stilrichtung aufbewahrt (296).

Stempelabzüge aus verschiedenen Gegenden der Schweiz tragen ebenfalls zur genaueren Kenntnis der Calancas bei. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, daß uns diese Stempel kein ganz genaues Bild des fertigen Calanca geben können; denn nur die Umgrenzungslinien - die Zeichnung sozusagen - sind hier wiedergegeben, die Farben fehlen. Es ist daher schwer zu sagen, ob ein Stoff im Endeffekt sehr bewegt war oder ob er eher flächenhaft und starr wirkte.
Dafür wird jedoch deutlich erkennbar, daß Holzstempel weichere Konturen erzeugen als Metallstempel.
  _________
161 Diese Firmenangabe ist einem der Holzstempel im Bernischen Historischen Museum beigeheftet.
289
ZH 76 Calanca mit Streifenmusterung, Landesmuseum E 1456
290 Calanca mit Streifenmusterung, V+A London 1741-1899
291
farbige Schürze mit Blumenranken, Landesm. 4036
292
BE 8 Schürze, Hist. Mus. Bern 28563
  ___________
293
BE 24 Holzstempel, Hist. Mus. Bern 2070 P
294
ZH 87 Rouleaux-Druck, Landesmuseum 6716 a
295
NE 14 mit Messingsformen bedruckter Stoff, Schloß Colombier NE, vgl. auch Umzeichnungen
296 Stoffe mit mageren Blumenmotiven, Genava 1930, S. 201, 207, 229
 
 
294 ZH 87 Rouleaux-Druck, Landesmuseum 6716 a
 
295 NE 14 mit Messingsformen bedruckter Stoff, Schloß Colombier NE, Umzeichnung 307, 308
 
292 BE 8 Schürze, Hist. Mus. Bern 28563
 

293 BE 24 Holzstempel, Hist. Mus. Bern 2070 P
 
 
 
  8. INDIENNES ORDINAIRES ODER MIGNATURES
       
58 Diese Gruppe umfaßt Stoffe mit kleinen Motiven geometrischer Art oder mit Streublumen. Die erhaltenen Beispiele erscheinen durchwegs als Futterstoffe; man sah also in ihnen Gewebe geringerer Qualität.
Wahrscheinlich waren aber auf diese Art bemusterte Baumwollstoffe nicht von allem Anfang an zu Abfütterungen verwendet worden. Ein Stoff bedeutete im 18 Jahrhundert eine Kostbarkeit, die stets von neuem verarbeitet wurde, und die Haubenfutter, die mit geringen Stoffmengen auskamen, sind gewissermaßen die Endstation der Verwendungsmöglichkeiten eines Stoffes.

Wahrscheinlich hatte eine solche Laufbahn bei Vorhängen oder anderen Dekorationstextilien begonnen. Aus den gut erhaltenen Teilen ließ sich Jahre später vielleicht noch eine Schürze anfertigen, während die besten Schürzenteile noch durchaus vollwertige Futterstoffe für Vorstecker, Mieder und Hauben ergaben.

Bei den Mignatures gibt es ebenfalls Calanca-artige Stoffe mit hellem Grund; doch kommen auch dunkle Bodendrucke und Sablés vor. Wir treffen die Blümchen über den ganzen Grund verstreut oder in Streifen angeordnet. Einige der Motive sind mit Holzstempeln aufgedruckt, bei anderen gelangten Metallstempel zur Anwendung.
  Wiederum ergänzen einige Stempel das Bild. Interessanterweise sind Mignature-Stempel häufig anzutreffen. Vor allem spätere, mit Metallformen, kommen zum Beispiel in Chur oder in Genf kistenweise vor. Ein früh entstandener, noch ganz unbeholfener Holzstempel (297, vgl. Kat.Nr. GR 37) wird in Chur aufbewahrt. Dieses Streifenmotiv läßt sich mit einem Futterstoff (298 gl. Kat.Nr. ZH 91) vergleichen.

Weitere Stempel mit Streifen-, Punkt- oder anderen Motiven lassen sich ebenfalls mit Stoffen in Beziehung bringen. Zwei Holzstempel mit Blattranken des frühen 18. Jahrhunderts, einer im Rätischen Museum Chur (299 vgl. Kat.Nr.
GR 39) und der andere im Historischen Museum Basel (300 vgl. Kat.Nr. BS 47), weisen Ähnlichkeit mit einem Basler Mützenfutter (301, vgl. Kat.Nr. BS 27) auf.

Netzmusterungen mit Blumen im Zentrum finden sich auf Stoffen sowie auf Stempeln (302, vgl. Kat.Nr.
ZH 100), und schließlich kommen einzelne, über den Grund verstreute Blümchen auf Stempeln wie auch auf Geweben vor (303, vgl. Kat.Nr. BS 45).

Mignatures des 19. Jahrhunderts sind in Neuenburger Musterbüchern, aufbewahrt im Schloß Colombier, erhalten geblieben. Die Handelsherren hatten eine Kollektion originaler Stoffe zusammengestellt, die sie auf ihren Auslandreisen mit sich führten und vorzeigten.
  _________
297 GR 37 Holzstempel, Rät. Museum
298
ZH 91 Futterstoff, Landesmuseum 14824
299
GR 39 Holzstempel, Rät. Museum
300
BS 47 Holzstempel, Hist. Mus. Basel
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301 BS 27 Mützenfutter, Hist. Mus. Basel 1897.77
302
ZH 100 Haubenfutter, Landesmuseum 19470
303
BS 45 Holzstempel, Hist. Mus. Basel
 
 

297 GR 37 Holzstempel, Rät. Museum
 
298 ZH 91 Futterstoff, Landesmuseum 14824

 
303 BS 45 Holzstempel, Hist. Mus. Basel
 
302 ZH 100 Haubenfutter, Landesmuseum 19470
       
 
 
  9. ZUSAMMENFASSUNG
       
59 Wir haben über die noch erhaltenen Stoffe des 18. Jahrhunderts verschiedene Betrachtungen angestellt. Das kleinste Problem ist deren Einordnung in die verschiedenen Gruppen, die den farbtechnischen Möglichkeiten entsprechend oder nach Besonderheiten des Motivs (indische Formwelt, Streumuster) gebildet wurden.

Die Datierung und Lokalisierung der Stoffe stellt demgegenüber eine fast unlösbare Aufgabe dar. An dieser Stelle sei nochmals betont, daß sich über das Entstehungsjahr nichts Bestimmtes sagen läßt, wenn Firmenbezeichnungen fehlen oder wenn sich keine Beziehungen zu datierten Musterzeichnungen oder Stempeln ergeben.
Es ist sogar nicht einmal gewiß, ob primitive Motive in frühere Jahrzehnte weisen als Stoffe mit Formen, die an naturalistische Pinselmalereien erinnern; denn ländliche Druckereien mit weniger fähigen Handwerkern gab es bestimmt während des ganzen 18. Jahrhunderts.

Die qualitätsvollen Calancas sind wohl kaum früher als um 1750 entstanden.
Vermutlich waren die 1780er Jahre eine Blütezeit für jene vielfarbigen, bewegten Blumenmotive; gegen das Ende des 18. Jahrhunderts nahmen dann die Stoffe mit feinen Musterungen, wie sie nur mittels Metallformen erzeugt werden konnten, überhand.

Wir sind zwar über das Vorhandensein verschiedenster Manufakturen unterrichtet, aber ein erhaltener Stoff läßt sich nur in den seltensten Fällen in ein bestimmtes Unternehmen weisen; nur dann nämlich, wenn ein Firmenstempel auf dem Stoff selbst erhalten ist, oder wenn wir ein Stoffmuster in einem lokalisierbaren Musterbuch wieder entdecken.

Wenn nun dennoch versucht wurde, einen speziellen Neuenburger, einen Basler, vielleicht sogar einen Aargauer und einen Glarner Stil bei verschiedenen Zeugdrucken wiederzuerkennen, so handelt es sich dabei um Vermutungen, die sich nur auf wenige Tatsachen stützen.
  Lokalisierungsversuche gehen auf den Wunsch zurück, vertiefte Kenntnisse über die Produktion in jenen Manufakturen zu erhalten.
Zur eindeutigen Verwirklichung dieses Wunsches müßten jedoch andere, noch unbekannte Untersuchungsmethoden gefunden werden.

In Zusammenhang mit der Lokalisierung sollen hier noch einige Worte über die Ausstellung im Schloß Colombier (NE) beigefügt werden. Zur Hauptsache sind dort Druckstoffe aus der von Claude Bovet gegründeten Indiennefabrik in Boudry (162) ausgestellt. Die meisten Beispiele stammen aus dem 19. Jahrhundert und sind nicht durchwegs in neuenburgischen Manufakturen entstanden.
Es muß eher angenommen werden, daß zum Teil fremde Muster ausgestellt sind, durch die sich die Neuenburger Unternehmer inspirieren ließen. Der Stoff von Bovet, Robert & Cie. in Mülhausen zeigt ja deutlich, welche Rolle fremden Beispielen zukam. Die Annahme, daß solche Muster aufbewahrt worden seien, ist auch glaubhafter als die Vorstellung, daß Stoffe aus der täglichen Produktion für spätere Generationen auf die Seite gelegt wurden.

Abschließend halten wir fest, daß ein Stoff wohl nur selten dort entstand, wo er auch aufgefunden worden ist. Für Stempelfunde sind vermutlich nicht dieselben Maßstäbe gültig. Zwar ist es unwahrscheinlich, daß Stempel ihren Entstehungsort verlassen haben, doch ist damit zu rechnen, daß vielfach fremde Muster und ebenso solche aus früheren Zeiten nachgeahmt wurden. Somit sagen die Stempel nichts über den Ursprung eines Motives aus, und wenn wir Näheres über die Bedeutung eines Betriebes wissen wollen, so geben auch die Holzmodel keine zuverlässige Auskunft.
Sicherste Zeugen für die Produktion einer Manufaktur sind die Musterzeichnungen. Datierte Bücher oder Blätter geben die einzigen sicheren Hinweise über den Stand einer Druckerei. Am vorteilhaftesten dürfte es sein, wenn zudem noch die Rezepte dabei sind, was jedoch für die früheren Zeiten eine große Seltenheit darstellt.
       
  ________
162 Nach einer Angabe in: Museen und Sammlungen der Schweiz, Bern 1965, S. 84.
   
       
 

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