ANNE WANNER'S Textiles in History / publications

Die Paramentikwerkstatt Glattburg (von Anne Wanner) in: Benediktinerinnen-Abtei St. Gallenberg in Glattburg bei Oberbüren, S. 254-286, St.Gallen, 2004

     
     
  verwendete Literatur:
- Angenendt, Arnold, der Kult der Reliquien, in: Katalog zur Ausstellung des Kölner Sammlers Louis Peters im Schnütgen Museum Köln, Hg. Anton Legner, Reliquien, Verehrung und Verklärung, Köln 1989
- Bock, Fr., Dr., Canonicus, Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters, durch zahlreiche Abbildungen erläutert, 2. Bd., Bonn 1866
- Sebastian Bock, Lothar A. Böhler, Hrsg, Bestandskataloge der weltlichen Ortsstiftungen der Stadt Freiburg i.Br., Die Textilien, Band V, Freiburg i.Br. 2001
- Braun Joseph, Die Reliquiare des christlichen Kultus und ihre Entwicklung, Freiburg i.Br. 1940
- Hesse, Petra, "kunstreich & stylgerecht", München 2001
- Flüeler, Sr. M. Augustina, Paramente, Zürich 1949
- Siebenmorgen, Harald, Die Anfänge der Beuroner Kunstschule, Sigmaringen 1983
- Stückelberg, Ernst Alfred, die Katakombenheiligen der Schweiz, Kempten und München 1907
- Suter, Robert Ludwig, Canonicus, Reliquienfassungen, in: Klosterarbeiten aus dem Bodenseeraum, Bregenz, 1986, S. 57 - vgl. auch Bibliography of articles by Can. Rudolf Ludwig Suter (1912-1995)
- Tobler, Mathilde, Klosterarbeiten, in: Kostbarkeiten aus dem Kloster Eschenbach, 1982, S. 33, Separatdruck der Cistercienser Chronik N.F. Nummer 157/158 - 89. Jg. 1982, 3/4
- Wanner, Anne, The Sample Collections of Machine Embroidery of Eastern Switzerland in the St Gallen Textile Museum, in: Textile History, 22 (2), 1992, p. 171


Im Kloster fanden sich die folgenden Bücher und Vorlagen zur Stickerei (chronologisch):
- Einzelne Blätter, wohl 18. Jh., jedes Blatt mit Nr, (vgl. Photo 27)
z.B. No. 48, Ioh. Chr. Haffner, seel: Erb: excud. AV
- M. Knoblauch, Anleitung zur christlichen Symbolik, prakt. Anweisungen für Priester, Künstler, Kunstliebhaber (ohne Abbildungen), Luzern 1891
- hgg. Paula Gratz, Paramente, Vobachs Handarbeitsbücher, Bd. Nr. 37, Berlin und Leipzig o.J. (ca. 1900)
- blaue Mappe mit einzelnen Vorlagetafeln, aussen bezeichnet handschriftlich: Entredeux J.K., die Tafeln innen sind in kleinerem Format, ohne Titel, Autor, Jahr, mit Ornamentik, Kreuzen, ca. 1900
- Gertrud Triepel, Viktoria Lehrbuch der mod. Strick- und Häkelmuster-Kunst, Leipzig 1903
- 2 Mappen mit Vorlagen für Paramentenstickereien:
entworfen von Joseph Braun S.J., mit je 28 Doppeltafeln 52 x 70cm, 2. Auflage, Freiburg i.Br. (Herder) 1904.
Mit separatem, kleinerem Textbändchen: Erklärungen zu den einzelnen Tafeln, 200 Vorlagen für Paramentenstickereien
- 9 gelbe Umschläge mit Vorlagen, Heft 2-10:
Georg Dengler, Vorlagen für kirchliche Stickereien, Separatausgabe aus dem "Kirchenschmuck", Verlag von J. Habbel in Regensburg o.J., ca. 1900
- Fr. Bock, Dr., Canonicus, Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters, durch zahlreiche Abbildungen erläutert, 2. Bd., Bonn 1866
- F.M. Glassen, Anleitung zur Anfertigung kirchlicher Handarbeiten, mit vielen Tafeln als Vorlagen, 2. verbesserte Auflage, Donauwörth 1907
- F.M. Glassen, Kirchenschmuck durch Frauenhand, mit 165 Mustervorlagen und zahlreichen Schnittmusterübersichten (vollständige Neuauflage, Veraltetes ausgeschieden), Donauwörth, 1936
- 3 Couverts mit Mustern und Vorzeichnungen
- schwarzes Büchlein, verschiedene Handschriften, eine von Sr. Benedicta Thoma, mit Beschreibungen zur Paramentenherstellung

 
       




Paramentikwerkstatt Glattburg

In Frauenklöstern gehörte das Anfertigen, Ausbessern, Reinigen von liturgischen Gewändern, wie auch das Fassen oder "Ausrüsten" von Heiligenreliquien seit Jahren zu den selbstverständlichen Arbeiten und Pflichten der Schwestern. Auch das 1754 gegründete Libingen arbeitete von Anfang an mit Textilien. Manche der Schwestern waren mit Sticktechniken wohl schon vor dem Klostereintritt vertraut. Darauf könnten Modelbücher aus dem 17. Jh. hindeuten (1), die im Klosterarchiv aufbewahrt werden. Nach der Übersiedlung auf die Glattburg 1781 (neuer Titel des Klosters: «St.Gallenberg in Glattburg») entwickelte sich eine weitherum bekannte Paramentikwerkstatt. Die Tätigkeit der Klosterfrauen als Stickerinnen ist durch schriftliche Zeugnisse, originale Stickereien und Vorlagezeichnungen dokumentiert.
__________
1 Schön Neues Modelbuch von allerley lustigen Modeln, naazunehen,zu würcken und zu sticken 1599; Druck in Strassburg bei Jost Martin 1606, Verlag Ludwig König von Basel.
Fürst, Rosina Helena: Neues Modelbuch von unterschiedlicher Art der Blumen und anderer genehcen Model nach iziger Manier allen Liebhaberinnen dieser Kunst zum besten vorgestellt, i. Teil, Nürnberg o.D. (1666)
Fürst, Rosina Helena: Das neue Modelbuch von schönen Nädereyen, Ladengewürck und Paterleinsarbeit, 2. Teil, Nürnberg 1666.
__________


Das 18. Jahrhundert
Schon die Chronik von Sr. Wiborada Zislin (2 ) erwähnt mehrfach Textilien. So schenkten Fürstabt Cölestin Gugger und die äbtischen Statthalter in Wil Tuch zu Ordenskleidern, Bett- und Tischzeug, dazu Flachs zum Spinnen und Weben. Die erste Priorin Barbara von Saylern (1760-1772) liess aus dem Verehrgeld der Schwestern sieben Messgewänder anfertigen, worunter eines unsere Klosterfrauen selbsten auf weissen Damast mit gutem Gold gestikht und mit doppelten guten Gold-Porten versehen, dazu 5 schöne Alben, 2 von Stikh-Arbeith und 3 gemeine, auch 4 Cibory-Mäntlein gestikht, mit guten Gold- und Silberspitzen. Im Kloster sind einige Paramente aus dem 18.Jahrhundert erhalten geblieben, bei denen es sich um die erwähnten Arbeiten handeln kann. So finden sich denn im Paramentenschrank tatsächlich ein goldbesticktes Messgewand und die dazu gehörenden Teile (Kelchtuch, Stola, Manipel und Bursa). Anderes ging früh verloren: die Forderungen des Konvents von Libingen an den Gründer, Pfarrer Joseph Helg, enthielten 1611 Gulden (fl.) 14 Kreuzer (x) für die nicht gegebene Aussteuer der Klosterfrauen und die auf Berg Sion übertragnen Paramente und Hausmobiliar.
Die Chronik berichtet weiter von einem von Dekan und Visitator Cölestin Schiess 1775 gestifteten blauseidenen Messgewand mit weissen Blumen, sowie von einer 1776 von Fürstabt Beda Angehrn geschenkten Kasel aus rotem Seidendamast.
Priorin Gertrud Wieler (im Amt 1772-1782 und 1784-1806) liess 1777-1780 und 1786-1788 die Katakombenheiligen Magnus und Donatus fassen, welche unsere Klosterfrauen selbsten auf rothem Sammet gestikhet und in Gold gefasset haben. In gleicher Sticktechnik entstand 1788-1791 ein rotsamtenes Messgewand. Das Gold und den Samt dazu bezahlten das gnädige Fräulein von Thurn und Jungfrau Clara Weber von Zug, die Kosten des Tafts übernahm die Priorin selber. 1789 schenkte Jungfrau Anna Catharina Reuter von Würzburg, eine leibliche Schwester der Konventualin Theresia Reuter, eine Albe, ein Humerale und ein Messgewand.
Eine hellblaue Kasel mit zugehörigem Kelchtuch, Manipel, Stola und Bursa des 18. Jahrhunderts, aus dem erhaltenen Klosterbestand, zeigt auffallend reiche Goldstickereien. Bei den anderen frühen Stickereien aus Glattburg ist dies nicht in so ausgeprägtem Masse der Fall. Da sich mit den oben genannten Chronikeinträgen keine eindeutige Übereinstimmung findet, könnte man vermuten, es handle sich bei diesem Parament um das von 1789 von Anna Catharina Reuter aus Würzburg geschenkte und wohl nicht in Glattburg bestickte Priestergewand. Vor allem stellt die Goldstickerei in Sprengtechnik etwas Besonderes dar und findet sich bei den anderen frühen Stickereien im Kloster Glattburg nicht in so ausgeprägtem Masse. Auch hier sind Manipel, Stola, Kelchtuch und Bursa erhalten geblieben.
Ein weiteres, noch vorhandenes Messgewand, vielleicht aus denselben Jahren, heisst in Glattburg «das Übertragene.. Offenbar hatte sich der seidene Grundstoff der Kasel im Laufe der Zeit so stark verbraucht, dass man die Stickerei sorgfältig ausschnitt und auf ein neues Gewebe aufnähte oder eben «übertrug». Zu diesem Messgewand finden sich allerdings keine passenden Bemerkungen in der Chronik. Das zugehörige Kelchtuch, wie auch Stola, Manipel und Bursa lassen eher eine Entstehung im 19. Jahrhundert vermuten.
Die Bedeutung der Stickerei für Glattburg belegt ein Brief, den Priorin Gertrud Wieler am 20. Mai 1798 an Johannes Künzle (1749-1820) schrieb. Die neue Helvetische Republik hatte die Klöster zu Nationalgut erklärt, und der Gossauer Posthalter und Revolutionsführer leitete die Inventarisierung. Die Priorin bat um Schonung: Sie werden in der Tat erfahren, dass unsere geringen Mittel bei weitem nicht hinreichend sind zu unserm nötigen Lebensunterhalt, wenn wir nicht mit fleissiger Hand arbeiten, das Abgängige beizuschaffen uns bestreben täten, wie Sie selbst wissen können, dass wir, durch 5tickarbeit auf Herisau unsere tägliche Nahrung zu verdienen, Ihnen mehrmal verarbeitete Leinwandstücke überschickt, solche auf Herisau zu übertragen.(3) Bereits um diese Zeit also arbeiteten die Klosterfrauen für Auftraggeber, offenbar für die Herisauer Textilhäuser. Welcher Art die Stickereien waren, ist unbekannt.
Aus der Zeit der helvetischen Verwaltung liegen Klosterrechnungen vor. Danach nahm der Konvent jährlich zwischen 200 und 250 Gulden für Stickereien ein.
Als 1805 der neue Kanton St.Gallen drohte. Glattburg aufzuheben, schrieb Priorin Gertrud der Regierung mehrere Bittschriften. Darin heisst es am 29. Juli, das Kloster bestrebe sich mit dem zu erhalten, was wir durch unsern Fleiss mit der Handarbeit, besonders mit Sticken verdienen. Es leiste auch der Pflicht Genüge, den Menschen zu dienen, besonders in Unterweisung und Erziehung der Jugend weiblichen Geschlechts, (...) nicht nur im Schreiben, Lesen und Rechnen, wie auch im Religionsunterricht, sondern auch in der standesmässigen Arbeit, besonders in Unterrichtung der Stickerey - wofür uns die benachbarten Gemeinden Zeugen seyn werden. (4)
_______________
2 Zislin, Chronik 1, Kapitel 25.
3 Zislin Chronik der Revolutionszeit (Abschrift S. 150-151).
4 StASG KA R. 148-1a und R. 148-2-4 . - Die Briefe der Priorin Gertrud Wieler schrieb Sr. Wiborada Zislin.
_______________
 
Chalice veil, Libingen, now Glattburg, Switzerland,
around 1770, hand embroidered

part of chasuble, Libingen now Glattburg, Switzerland,
around 1770, hand embroidered
       
 


Dokumente aus der Zeit von 1841 bis 1867

Aufwand und Ertrag
Aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts blieben in Glattburg nur wenige Stickereien erhalten. Jedoch wird die Stickereitätigkeit in den Rechnungsheften erwähnt, die Priorin Kreszentia Ignatia Angehrn (im Amt 1829-1862 und 1865-1867) zwischen 1841 und 1867 führte. Die Aufzeichungen sind sehr detailgetreu, aber wahrscheinlich nicht ganz vollständig. Ein Schwerpunkt lag für die Klosterfrauen auf dem Herstellen und Verzieren bestickter Messgewänder, welche in den Heften gegen fünfzigmal erwähnt werden. Sie sind meist allgemein als «Messgewand") bezeichnet; besondere Namen wie Pluviale oder Rauchmantel erscheinen von 1849 bis 1942- nur siebenmal. Manchmal ist die benötigte Zeit festgehalten. Einfache Kasein konnten in 40 Tagen fertiggestellt werden. Die wohl aufwendigste Stickarbeit, ein Messgewand für Wertbühl, entstand in 272 Tagen. Ein dreiteiliger Ornat für einen Privatauftrag aus Lauterach/Vorarlberg erforderte 565 Tage.(5) Das wertvollste Einzelstück in dieser Periode war ein Pluviale für Waldkirch, das 800 Franken kostete. In seltenen Fällen ist der Arbeitslohn für die Stickereien notiert, er bewegte sich zwischen 50 Rappen bis Fr. 1.20 pro Tag.

Arbeitsaufwand für Messgewänder in den Jahren 1846 bis 1865:
- 1846 für Wertbühl TG , 272 Tage Stickarbeit an einem Messgewand (fl. 284)
- 1851 für Magdenau SG, 16 Wochen Arbeit an einem Messgewand (fl 108)
- 1852 für Magdenau SG,
- 1855 für Lauterach/Vorarlberg, 3 Personen arbeiten 103 Tage an einem M. (Fr. 525)
- 1856 für Gossau SG, 22 Tage Arbeit an einem Messgewand à Fr. 1.- (Fr. 420)
- 1858 für Lauterach/Vorarlberg, 565 (5) Tage Arbeit an einem Messgewand à 50 Rappen (Fr. 700)
- 1862 für St.Pelagiberg, 175 Tage Stickarbeit an einem Messgewand (Fr. 500)
- 1863 für Hagenwil TG, 182 Tage Stickarbeit an einem Messgewand (Fr. 420)
- 1864 für Montlingen SG, 40 Tage Stickarbeit an einem Messgewand (Fr. 160)
- 1865 für Kaltbrunn SG, 159 Tage Stickarbeit an einem Messgewand (Fr. 400)

Auftraggeber
Von besonderem Interesse sind die Auftraggeber, nämlich die geistlichen Herren und Institutionen, für welche die Schwestern Paramente verfertigten. 1846 bestellte das Kloster Magdenau zur Konsekration von Bischof Johann Peter Mirer eineStola für 37 Gulden. Denselben Wert besass eine Stola, die 1858 für Pfarrer Augustin Egger aus St.Georgen in 39 Tagen für 80 Franken hergestellt wurde. Eine weitere Stola entstand 1863 für die Konsekration des St.Galler Bischofs Karl Greith in 50 Tagen Stickarbeit (140 Fr.). Aufträge für reichbestickte Velen erteilten Pfarrer Alois Ackermann aus Oberriet (i853) (6), Pater Ott aus Appenzell (1855), Pfarrer Egger aus St.Georgen (1861) und Pfarrer Joseph Anton Kressig aus Berg SG (i865). (7) Für Schmerikon SG liess Pfarrer David Blasius Zimmermann 1861 ein schwarzes und
Kantonsrat Balthasar Christian Wenk ein weisses Messgewand sticken (120 und 100 Fr.). Auch Privatleute und Händler bestellten Stickereien: Beim wohl kostbarsten Velum handelte es sich um einen Auftrag der Frau von Streng aus Frauenfeld 1860 (350 Fr.). (8) Jakob Ziegler aus Oberbüren-Spitzrüti erhielt 1864 Material zu einem Pluviale mit Velum (300 Fr.), und mehrmals ist Ornathändler Galli aus Luzern genannt. (9)

Dank der im Kanton Thurgau durchgeführten Inventarisierung liessen sich drei in den Rechnungsheften verzeichnete Priestergewänder bei den ehemaligen Auftraggebern finden, nämlich die Kasein für Bischofszell (10) und Wertbühl (11) von 1846 sowie für Hagenwil (12) von 1863. Besonders erwähnenswert ist das Beispiel aus Bischofszell, denn hier zeigt sich nahezu dieselbe Musterung wie bei der heute noch im Kloster aufbewahrten schwarzen Kasel. Offenbar wurden die Vorlagen im Kloster mehr als nur ein einziges Mal verwendet.
Im Kanton St.Gallen fehlt die Inventarisierung. Immerhin lässt sich in Gossau ein blaues, goldbesticktes Velum (1852, 30 fl.) nachweisen und in Waldkirch das kostbare rote Pluviale von 1863. Aus dem frühen zo.Jahrhundert sind in Andwil und Oberbüren Messgewänder mit Dreifaltigkeitsdarstellungen erhalten. Nach 1863 fehlen Rechnungshefte; die Chronik erwähnt um 1880 eine goldbestickte Kasel für Mörschwil.
_________
5 Auftraggeber: Direktor Deybach in Lauterach.
6 Pfarrer Ackermann, Oberriet SG: Velum, weisser Damast mit Goldund Seidenstickerei (84 Fr.).
7 Pfarrer Kressig, Berg SG: Velum, Gold- und Seidenstickerei (120 Fr.).
8 In Frauenfeld ist ein besticktes Schultervelum mit dem Familienwappen von Streng erhalten (Thurg. Inv. Nr. 4566.0203).
9 Ornathändler Galli erhielt 1856 eine Stola für 70 Fr. (Stickarbeit 54 Tage à Fr. 1.-), 1851 und 1857 Kelchtücher, 1862 acht Stäbe für Messgewänder.
10 1846 Bischofszell: ein Messgewand aus schwarzem Seidensamt, im Kreuz mit Silber- und Seidenstickerei 89 fl. (Thurg. Inv. Nr.4471.021).
11 1846 Wertbühl TG: Messgewand, roter Samt, reich goldgestickt (Thurg. Inv. Nr. 4928.1201).
12 1863 Hagenwil TG: Messgewand, weisser Moire, Gold- und Seidenstickerei (Thurg. Inv. Nr. 4461.2202).

_________



 
black chasuble, Glattburg, around 1846,
hand embroidered, an identical chasuble is preserved at Bischofszell (see note 10)

 
red chasuble, Glattburg,
middle 19th c., hand embroidered
       
 
  Spitzen-Erzeugnisse
Alben, Chorröcke, Chormäntel, Altartücher, Humerale, Corporale verzierten die Schwestern öfters mit selbstverfertigten Spitzen. Interessant ist ein Eintrag von 1856. In diesem Jahr lieferten die Klosterfrauen nach Ermatingen TG eine Albe, zwei Altartücher mit sehr reichem Spitzenbesatz, Ministrantenröcke, Pallien, Purifikatorien, Corporale um 220 Fr. an «Herrn Pfarrer Bisegger oder Herr Verwalter im Arenenberg für Kaiser Napolion» (sic!).

Lieferungen von Spitzen mit bekanntem Bestimmungsort:
- 1842, Niederwil SG, Spitzen an Chormantel (fl 99)
- 1846, Züberwangen SG, Spitzen an Altartücher (fl 15)
- 1847, Oberhelfenschwil SG, 18 Ellen (10.8m) breite Filetspitze, erste Erwähnung von Filetspitzen in den Rechnungsheften
- 1847, St.Gallen, Filetspitzen für Domdekan Greith (fl 8)
- 1848, St.Gallen Kathedrale, 50 Ellen Spitze (fl 26)
- 1850, Wertbühl TG, Chorrock mit Filetspitzen, dazu Damastkragen mit Spitzen (fl 18)
- 1852, Hagenwil TG, Filetspitzen (fl 8)
- 1856, Andwil SG, Albe mit Spitzen (Fr. 42), Spitzen Fr. 22, gesamt 64 Fr.
- 1856, Arenenberg TG, Spitzen an Paramente "für Kaiser Napolion" 220 Fr.
- 1865/66, Einsiedeln Kloster, 3 Lieferungen Spitzen (Fr. 294)

  Im Stickzimmer des Klosters entstanden mantelartige Ueberzüge für den Speisekelch, die sogenannnten Ziboriumsmäntelchen. Bereits 1760-71 hatte die Klosterchronik "4 Cibory-Mäntlein, gestickt mit gutem Gold- und Silberspitzen" erwähnt. Von 1843 bis 1857 sind sieben solche notiert und zwar für die Kirchgemeinden Fischingen, Lenggenwil, Bischofszell, Waldkirch und Luzern. Die Baronin von Westernach, aus Kronburg/Memmingen erhielt 1855 ein Ziboriumsmäntelchen in Gold- und Seidenstickerei für Fr. 34. 1846 wurde ein solcher nach Oberbüren geliefert. Bestickt wurden auch Baldachine und Fahnen.

In diesem Zeitabschnitt stickten die kunstfertigen Frauen in Glattburg zehn Muttergotteskleider. Es handelt sich um Stickerei auf Seide oder Samt in Gold und Silber. Im Jahre 1852 entstand ein Muttergotteskleid für Berneck (fl 51) und zwei weitere für das Kloster Magdenau (fl 9).
Für das Kleid in Niederwil (Fr. 190) aus rotem Samt und Goldstickerei im Jahr 1861 stickten die Schwestern 88 Tage lang und dasjenige in Wonnestein (Fr. 100) von 1867 aus Gold- und Seidenstickerei benötigte 74 Tage Arbeit. Beim Auftrag für St. Pelagiberg TG (Fr. 158) von 1865 könnte es sich um das dort heute noch aufbewahrte Kleid ( Nr. 4461.2230) handeln (13), besonders auch, weil für diesen Ort in den Jahren 1858, 1861 und 1866 weitere kleine Aufträge verzeichnet sind. Zudem lieferten die Schwestern im Jahre 1862 ein Messgewand aus weissem Seidenmoiré und Goldstickerei hierher. Später ist nur noch für das Jahr 1886 ein Muttergotteskleid notiert.
1846 wurde zur Weihnachtszeit ein "grossses Christkindlein" nach Hagenwil TG geliefert. Niederbüren SG erhielt in diesem Jahr Kleider für Krippenfiguren Maria und Josef , sowie ein "neues Kind aus Wachs" (fl. 7). In der späteren Epoche von 1885 bis 1907 entstanden weitere Christkindlein, Krippenfiguren, Weihnachtshäuschen und Weihnachtskrippen (1907 eine solche zu Fr. 25.20).
_________________
13 Thurg. Inv. Nr. 4461.2230.
_________________



 
veil of ciborium, beginning of 19th c.,
hand embroidered
 
one of 7 chairs, end of 18th c. hand embroidered
       
 
   
  Die Zusammenarbeit mit der Firma Fraefel:
Auch aus den Jahren 1885 bis 1950 sind Abrechnungshefte mit Einträgen von Einkünften und Auslagen erhalten geblieben.(14)
Die Angaben sind im allgemeinen kurz und meistens ohne nähere Bezeichnung von Auftraggebern. Einträge über die Bedeutung der Stickerei finden sich auch in der unter Spiritual P. Johann Nepomuk Buchmann ab 1885 fortgeführten Klosterchronik.(15) Mit Stolz wird vermerkt: Die Leistungen erfreuen sich von jeher, nur wenige Ausnahmen abgerechnet, des besten Rufes. Die Genossenschaft besitzt bezüglich Leistungsfähigkeit, wie man zu sagen pflegt, Kredit. Chronik und Rechnungshefte weisen jedoch daraufhin, dass die aufblühende Stickerei-Industrie der Ostschweiz ihre Spuren auch im Kloster hinterliess. Die Bestellungen gingen zurück.
Als Gründe nennt die Chronik vor allem die Konkurrenz durch die Maschinenstickerei: Der Kettenstich und viele Gebilde des Plattenstichs, welche früher nur von Hand ausgeführt wurden, ist heute Sache der Maschine. Die Kirchenfonds sind in neuerer Zeit vielfach zusammengeschmolzen, und da greifen dann die Kirchenverwaltungen aus guten Gründen nach dem Billigsten. Auch im Fache selbst gab es Wettbewerb: In mehreren Klostern der Umgebung, wo früher gar nicht gestickt wurde, ist es jetzt der Fall. So kann es natürlich auf die einzelnen Klöster nicht mehr so viel treffen!

Glattburg musste sich der neuen Entwicklung anpassen.
Von 1887 bis 1895 arbeiteten die Schwestern für die Firma Huber in Kirchberg. Häufiger erwähnen die Abrechnungen die Firma von Arnold Fraefel (1852-1919) in St.Gallen, die seit ihrer Gründung im Jahre 1883 zunächst eher kleine Aufträge erteilte.
Von der Jahrhundertwende bis in die 1930er Jahre vermehrten sich Fraefels Bestellungen, und bis 1950 erscheint nur noch diese Firma in den Abrechnungsheften.
Zuerst befürchteten die Klosterfrauen, auch die neue Firma Fraefel erweise sich als Konkurrenz, jedoch geschah eher das Gegenteil: "Wir erhalten von Herrn Frafel immer so schöne und selbständige Arbeit für ungefähr fünf Stickerinnen, dass, wenn Privatbestellungen dazwischen kommen, die Stickerinnen pressant haben und man ihnen teilweise Dispens vom Chordienst und anderen Übungen erteilen muss". Zur Zeit des ersten Weltkrieges gab es sogar zusätzliche Aufträge, denn Fraefel verlor seine Verbindungen zu Belgien und liess nun die aufwendigen Bildstickereien in Glattburg ausführen.
Das Ansehen der Stickerinnen stieg denn auch im eigenen Kloster: Sie durften im Sommer in einem eigens für sie errichteten Gartenhäuschen im Freien arbeiten.(16) Wie das hier wiedergegebene Schreiben Fraefels zeigt, drückte sich seine Zufriedenheit auch in der Erhöhung des Stundenlohnes aus. Von 1916 bis 1919 stieg dieser schrittweise von 30 auf 60 Rappen.(17)

St.Gallen, 22.V.1918
Wohlehrwürdige Frau Priorin,
Das gelieferte Bild "Pieta" hat uns ausserordentlich befriedigt. Die wohlehrwürdigen Schwestern Benedicta und Antonia haben eine bewundernswürdige, verständnisvolle, feine Arbeit geliefert, wie sie schöner nicht hätte gemacht werden können. So fühle ich mich deshalb verpflichtet, Ihnen meine vollste Anerkennung und meinen besten Dank für Ihre Leistung auszudrücken. In Würdingung Ihrer bedeutenden Forschritte würden wir vom 1. Juni an per Stunde 45 cts berechnen. Es ist nur zu bedauern, dass sie unter den ehrw. Schwestern nicht mehr solch tüchtige Handwerkerinnen haben, an solchen Kräften hat man immer Mangel (....)
Diesbezügl. Grüsse und den herzlichsten Dank den ehrwürdigen Schwestern Benedicta und Antonia für ihr frommes Gebet auch von meiner lb. Frau.

____________________
14 Transkription von Sr. Cäcilia Federli, St.Gallenberg.
15 Die Lücke ab 1799 wurden mit «alten» Quellen aufgefüllt. Diese weisen auf die Bedeutung der Stickerei in Glattburg auch zur Zeit ohne Klosterchronik.
16 Klosterchronik 2: 1900, S. 39 (betr. Konkurrenz); 1916, S. 122 (Weltkrieg); 1917 (Gartenhäuschen).
17 Klosterchronik 2: 1919, S. 138 (Sticklöhne).
_______________________



 
black chasuble, made in Glattburg around 1920, embroidered with the hand machine and applicated
(see example Nr 5)
 
Offer from the catalogue of the Fraefel manufactory, printed 1926
       
  Nach dem Tode Arnold Fraefels 1919 blieben die Geschäftsbeziehungen mit der nun als Fraefel & Co. bezeichneten Firma weiter bestehen. Bis 1932 bezahlte Fraefel & Co weiterhin jährliche Arbeitslöhne von mehrmals über tausend Franken an das Kloster.
Neben den Einkünften gibt es in den Abrechnungsheften Beträge, die als «Auslage» oder «Gegenrechnung» bezeichnet sind. So heisst es zum Beispiel im Jahre 1901: «Dem Herrn Fraefel für Stoffe und Stickmaterialien Fr. 123.45 (Auslage)». Ähnliche Einträge finden sich bis ins Jahr 1950. Daraus lässt sich schliessen, dass die Schwestern bei Fraefel auch textile Materialien bezogen, sei es zum Ausführen von direkt ans Kloster gerichteten Aufträgen von Pfarreien oder vielleicht auch zur Lieferung an andere Klöster. Einen Beleg hiefür bietet der folgende Lieferschein:

Fraefel und Co., St. Gallen.
Lieferschein vom l. Oct. 1894
Löbliches Frauenkloster Glattburg,
Anbei erhalten Sie ein Teil des verlangten Goldes, wir werden Ihnen das Fehlende sofort nachsenden, sobald wir in dessen Besitze sind, wir erwarten dasselbe stündlich, Hochachtend Obiger

Fraefel bezeichnete sein Unternehmen als «Werkstätten für kirchliche Kunst». Mit Stickerei-Handarbeit beschäftigte er verschiedene Ostschweizer Frauenklöster. Daneben vergab er Aufträge an Maschinensticker, die auf ihren Maschinen einzelne Motive herstellten. Solche vorgefertigten Elemente konnten später zu grösserem Ganzen zusammengenäht und auch mit Handarbeit kombiniert werden. In seinem St.Galler Hause beschäftigte er Stickereizeichner, die ihre Ausbildung an deutschen Akademien erhalten hatten, und die vertraut waren mit den Ansichten des Kanonikus Bock (18), mit der Beuroner Gruppe (19) oder anderen Stilrichtungen jener Zeit. Mit der Lieferung von Vorlagen und Vorzeichnungen gelangten die entsprechenden Formen auch in die klösterliche Abgeschiedenheit. Vor allem, seitdem die bei Fraefel ausgebildete Sr. Benedikta Thoma im Kloster Glattburg lebte, lassen sich Merkmale des frühen 20.
Jahrhunderts in den hier verfertigten Paramenten feststellen.
Die nötigen Grundmaterialien erwarb Fraefel von bekannten Firmen: den Goldfaden von Duviard in Lyon, Seidenstoffe von Wolters & Dutzenberger in Krefeld. Die farbigen Seidengarne lieferte Zwicky in Wallisellen und Baumwollgarne produzierte Heer & Co. in Uzwil; sie mussten für die Handmaschine eigens in z-förmiger Drehrichtung gesponnen werden.

Fraefels Absatzgebiet war weitreichend, seine ständig wachsende Firma unterhielt Zweigniederlassungen in Karlsruhe, Friedrichshafen und auch in den USA (Toledo, Chicago, New York). Zudem verkaufte er Paramente nach England, Polen und Australien.
Unter den erhaltenen Dokumenten sind besonders die gedruckten Firmenkataloge von Bedeutung. Ein erster Katalog in englischer Sprache erschien im Jahre 1906. Der spätere Katalog für USA wurde im Jahre 1912 gedruckt und umfasst 48 Seiten. Die Firmengeschichte hat bisher noch keine Veröffentlichung erfahren, doch erinnern sich der Enkel des Firmengründers und dessen Ehefrau noch an einige Tatsachen.(20)
________________
19 Siebenmorgen, Anfänge der Beuroner Kunstschule.
20 Mündl. Mitteilung von H. Fraefel-Ledergerber. Dazu: Wanner, The Sample Collections of Machine Embroidery of Eastern Switzerland,1992, p.171.
21 Übertragen auf neuen Stoff: 1890 gesticktes Pluviale (235 Fr.), 1899 u. 1907 gestickte Messgewänder (150 Fr.u. 360 Fr.)
_________________

 
   
  Klösterliche Stickereien aus der Zeit nach 1885

Messgewänder
Von 1885 bis 1950 stellten die Schwestern weniger und auch vergleichsweise weniger teure Messgewänder her (vgl. Kasten S. 260 und unten). Dies lässt sich vielleicht darauf zurückführen, dass die Auftragsarbeit für die Firma Fraefel die meiste Zeit in Anspruch nahm und die direkten Aufträge von den Kirchgemeinden deshalb unbedeutender blieben. Hingegen lässt sich das Reparieren von Messgewändern von 1846 bis 1943 verfolgen, also über alle Jahre hinweg, aus denen Aufzeichnungen vorliegen. Gelegentlich übertrugen die Stickerinnen auch alte Messgewänder auf neuen Stoff. (21)

- 1894, schwarzes gesticktes Messgewand (Fr. 350)
- 1897, weisses gesticktes Messgewand (Fr. 200) und Messgewand für Leutmarken (Fr.263)
- 1899, Messgewand (Fr. 250)
- 1907, an ein gesticktes Messgewand Fr. 200
- 1909, rotes gesticktes Messkleid Fr. 250 und Fr. 260
- 1909, 2. August, Messkleid, Fr. 260, Pluviale, Fr. 176
- 1910: für Pfarrer Elser aus Niederbüren, Messkleid Fr. 82
- 1910, Oktober, Pluviale Niederhelfenschwil, Fr. 220
- 1910, 31. Dezember, Neues Bernwardskreuz für Frl. Delabar (22), Fr. 775
- 1912, 22. Dezember, Pluviale Lenggenwil, Fr. 240
- 1915, 11. November, Ornat Andwil, Fr. 1213
- 1918, 10. Juli, Messgewand Oberbüren Fr. 800
- 1931, Messkleid und Stickereien, Pfäffikon SZ, Fr. 655.50
- 1939, Messkleid, Clyde (?), USA, Fr. 220
- 1943, Messkleid, Lenggenwil SG Fr. 306

Filetarbeiten
Als besondere Zierde von Altartüchern, Chorröcken und Alben stellten die Klosterfrauen weiterhin Spitzen her. Die ersten Filetarbeiten wurden bereits 1847 vermerkt. Im Nachruf der langjährigen Priorin Walburga Anselma Eichmann (1841-1910, Profess 1862) werden diese Arbeiten hervorgehoben: Sie war Sakristanin und Lehrmeisterin. Nebenbei arbeitete sie emsig in der Stickerei, in der Herstellung künstlicher Blumen und Filetspitzen.(23)
Die Abrechnungshe fte nennen Filetspitzen besonders häufig in den 1930er Jahren und noch vereinzelt bis ins Jahr 1943. Sr. Ida Müller (1855-1952 Profess 1888) besass besondere Kunstfertigkeit im Anfertigen von feinen Handarbeiten, Altarspitzen, Alben, auch Vorhängen und Tischdecken. Auch Sr. Agatha Ammann (1891-1969, Profess 1914) besass Talent für feine Arbeiten, z.B. Spitzen für Paramente und an Kirchenwäsche. In jungen Jahren arbeitete auch die spätere Priorin Irmengard Fonter (1922-1988, Profess 1945) an Filetspitzen, als eine der letzten in diesem Fach.

Kleinere Arbeiten
Nach 1885 entstanden, wie schon im frühen 19. Jahrhundert, Christkindlein, Krippenfiguren, Weihnachtshäuschen und Weihnachtskrippen. - Im Jahr 1901 ist eine Stola für den Primizianten Fürer zu Fr. 110 erwähnt. - Primizkissen, oftmals mit einem Kranz aus Trauben und Ähren, verfertigten die Stickerinnen von 1886 bis 1911 dreissig Mal. Nach einer zehnjährigen Pause sind von 1921 bis 1941 acht weitere dieser Kissen notiert. - Daneben nennen die Dokumente verschiedene kleinere Stickarbeiten wie Messpultdecken, Kommuniontücher, Stickarbeit an Teppichen, Sofakissen und gestickte Tischdecken. - Tabernakelmäntel sind aufgezeichnet für die Jahre 1897, 1916, 1929, 1941 (nach Zürich). -
Schon die Rechnungshefte der Jahre 1841-1867 hatten mehr oder weniger reich bestickte Baldachine für Sakramentsprozessionen aufgeführt. Den wertvollsten bestellte 1853 die kleine Pfarrei Bichwil (191 fl.) (24). Auch 1886 war ein solcher Traghimmel mit Fahne für 400 Franken ein beachtlicher Auftrag. Leider ist der Ort des Auftraggebers nicht vermerkt. Im Jahr 1899 sind zwei Zahlungen von je 100 Franken für einen Traghimmel nach Stein erwähnt. 1894 wurde ein solcher repariert (30 Fr.).

Fahnen (Arbeiten im 19. und 20. Jahrhundert}
Bereits von 1846 bis 1867 erwähnen die Rechnungshefte 26 Aufträge für bestickte Fahnen. In Bischofszell sind noch heute zwei Prozessionsfahnen erhalten, bei denen es sich um die beiden im Jahre 1846 in Glattburg hergestellten handeln muss.(25) Auch die rote Fahne für Hagenwil TG (26) (1852, fl. 33 fl.) blieb bis heute in dieser Gemeinde aufbewahrt. Die späteren Abrechnungshefte notieren seit 1885 weitere Aufträge: 1886 entstand eine Fahne mit Traghimmel (Fr. 400), aber ohne Angabe des Auftraggebers.
1893 wurde eine Kirchenfahne nach Oberbüren (Fr. 464) geliefert, und 1894 sind zwei Einträge für Fahnen nach Henau (Fr. 300 und Fr. 200) in den Heften zu finden. Eine weitere Fahne für Henau von 1895 muss besonders reich bestickt gewesen sein, denn das Kloster erhielt dafür 900 Franken. Im 20. Jahrhundert sind grössere Fahnenaufträge erst wieder in den 1920er Jahren aufgeführt. 1921 ist eine Fahne für Jonschwil (300 Fr.) vermerkt, 1922 eine solche für Gähwil (1493 Fr.). 1923 findet sich eine Restzahlung von Langwiesen ZH (717 Fr.), und 1937 eine Zahlung von Mörschwil (360 Fr.). In dieser Zeitspanne sind auch kleinere Aufträge für Fahnenmaschen und für Reparaturen von Fahnen eingetragen.
________________________
22 Maria Delabar (1849-1930), St.Gallen-St.Fiden, Tochter von Gangolf Delabar, Konrektor der Kantonsschule St.Gallen. Freundliche Mitteilung von Stadtarchivar Marcel Mayer.
23 Klosterchronik 2, 1910,98 b.
24 1850 Leutmarken TG (92 fl./Gulden), 1850 Niederhelfenschwil SG (84 fl.), 1853 Bichwil SG (191 fl.), 1859 Hagenwil TG (250 Fr.), 1862 Oberbüren (350 Fr.), 1866 Wil SG (100 Fr.).
25 Bischofszell: zwei Prozessionsfahnen rot und weiss, mit Renovation der Bilder 108 fl. (Thurg. Inv. Nr. 4471.0224, 4471.0026).
26 Thurg.Inv.Nr.4461.2230.

_________________________


  Die Stickereien

Allgemeine Entwicklungen im 19. und 20. Jahrhundert
In der Textilkunst folgte auf die Erfindung des mechanischen Webstuhls in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunächst ein Rückgang der künstlerischen Qualität. In Deutschland wurde dies besonders Kanonikus Franz Bock in Aachen bewusst, der diese Verschlechterung auf die neuen industriell erzeugten Gewebe zurückführte. Durch Hinwendung zu mittelalterlichen Vorbildern wollte er dies ändern. Bock war einer der ersten kunsthistorisch orientierten Textilforscher und begründete die Paramentenreform in Deutschland. Diese bestand in einer Abwendung von überlieferten Formen des Barock und Rokoko zugunsten mittelalterlicher Paramentenstoffe, die als Vorbilder geeigneter schienen. Bock selber vermittelte entsprechende Stoffbeispiele an das bedeutende Webereizentrum Krefeld und setzte sich bald darauf auch mit Wien, Lyon, München, Augsburg und Biberach in Verbindung. Die Muster von Owen Jones, Friedrich Fischbach und andere auf mittelalterlichen Mustern fussende Vorlagewerke erfreuten sich ebenfalls grosser Beliebtheit.
Parallel zu diesen historistischen Formen entwickelte sich im 19. Jahrhundert eine eigenständige Formensprache mit christlichen Symbolen, wie Kreuze, Dornenkronen, Rosen, Engeln und ähnlichem.
Im beginnenden 20. Jahrhundert zeigten sich in der Paramentikstickerei vielerorts neue Stilformen, welche vor allem auf die Gruppe der Beuroner Maler und auf die Jugendstilkünstler zurückgingen. Sie gefielen progressiv eingestellten Auftraggebern, währenddem eher konservative Kreise sich noch lange an altbewährte historistische Vorlagen hielten.
In der Ostschweizer Stickerei-Industrie bevorzugte man bis ins ausgehende 19. Jahrhundert, ja noch nach dem ersten Weltkrieg Ornamente und Pflanzendarstellungen im Stile von Barock und Rokoko. Sehr wichtig für die Wiedergabe von Heiligen waren Vorzeichnungen von gut ausgebildeten Entwerfern, wie sie Fraefel beschäftigte.
Die erwähnten neuen Einflüsse gelangten denn auch vor allem mit der Wiedergabe von Figuren in die Paramentenstickerei. Kanonikus Bock befasste sich auch mit Gewandformen und den Schnittmustern von Priestergewändern. 1854 studierte er die sogenannte Bernwardskasel aus dem Aachener Münster (27), die damals in den Werkstätten der Kongregation der Schwestern vom Armen Kinde Jesu in Aachen restauriert wurde. In der Folge verbreitete sich diese gotische oder altdeutsche Kaselform in weiten Teilen der deutschsprachigen Gebiete. In den Abrechnungsheften der Benediktinerinnen in Glattburg kommt diese Gewandform als «Bernwardskasel» ebenfalls vor.
Bocks Publikation über die liturgischen Gewänder des Mittelalters ist ausserdem in der Klosterbibliothek zu finden. Das weist ohne Zweifel auf das Interesse der Stickerinnen an Bocks Ansichten hin. Für Blumenmuster und Ornamente hielten sich die Schwestern noch lange an die Tradition. Dem gegenüber zeigt der von Sr. Benedikta Thoma gestickte Ornat in Ornamentik und Figurenwiedergabe die neuen Einflüsse.
( see also: http://www.annatextiles.ch/publications/lyon05/fraefel05.htm - )

Als Folge des zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) wurden in mehreren Schritten neue Bestimmungen zur liturgischen Kleidung erlassen. Grundsätzlich strebte man eine Vereinfachung und Verminderung der Gewandstücke an. Nicht mehr passende Gewänder sollten aus dem Gebrauch genommen werden, und viele Kirchen trennten sich von alten, traditionsreichen Beständen. Seit der Auflösung der Firma Fraefel im Jahre 1983 gibt es in St.Gallen auch keine Firma mehr, die Paramente herstellt. Im Kloster Glattburg hatte die Kunst der Stickerei mit dem Tode der letzten Stickerinnen Sr. Nikola
Spichtig und Sr. Antonia Löhrer schon 1947 ein Ende gefunden, doch werden die noch vorhandenen Messgewänder sorgfältig aufbewahrt und betreut.
_______________________
27 Zur Bezeichnung «Bernwardskasel: Hesse, Petra, "kunstreich & stylgerecht", S. 30,46,52-53,55-56,64.
__________________________


       
 
Chasuble around 1920,embroidered by Sr. Benedicta
 
Design Nr. 2361, with open medaillon to be used for different images (see example 6)
       
 
Plate of Pluvial around 1920, embroidered by Sr. Benedicta
 
Design Nr 2361, of Holy Trinity for Pluvial (see example 6)
 
   
  Die Bildmotive des 19. Jahrhunderts

Das 19. Jahrhundert liebte es, Christus als Herz-Jesu-Figur mit flammendem, von einem Dornenkranz bekrönten Herzen zu schildern. Die in der Mystik des Mittelalters wurzelnde Verehrung des Herzens Jesu als Symbol seiner Liebe zu den Menschen war im Barock aufgeblüht. Sie erfuhr in der Abtei St.Gallen und im
Kloster Glattburg besondere Förderung, wie auch das Hochaltarbild der Klosterkirche von St.Gallenberg zeigt. 1856 erhob Pius IX. den Herz-Jesu-Tag zum Fest für die ganze katholische Kirche. Verschiedene Kongregationen und Bruderschaften waren speziell dem Herzen Jesu geweiht. Eine weitere Möglichkeit der Christus Darstellung bot das Thema der heiligen Dreifaltigkeit.
Schon 1854 hatte Pius IX. die unbefleckte Empfängnis Mariens dogmatisiert. Wiedergaben von Maria als Immaculata oder als Mutter Gottes und Himmelskönigin sind daher in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr beliebt. Mariens Attribute Sonne, Sternenkranz und Mondsichel stammen aus den Visio- nen der Apokalypse und werden in der Kunst seit altersher verwendet. Verbreitet waren zudem bestimmte marianische Gnadenbilder, die der Andacht dienten und in der Paramenten» Stickerei als Vorlagen verwendet werden konnten.
1870 erklärte Pius IX. den heiligen Joseph zum Patron der Gesamtkirche. Im Zuge erstarkter Volksfrömmigkeit wurde Joseph zu einem sehr häufig abgebildeten Heiligen. Man stellte ihn als Schutzheiligen der Handwerker und Arbeiter dar, und man sah in ihm den fürsorglichen Vater. Seine Kennzeichen sind eine Lilie, ein blühender Stab oder Zimmermannswerkzeuge.

Das 'Figurensticken erwies sich als zeitaufwendig und damit sehr kostspielig. Dagegen liessen sich ornamentale und vegetabile Motive müheloser wiedergeben. Sie stehen meistens in ikonographischer Beziehung zum Bildprogramm. So gehören Rose, Lilie, Nelke zu Marienmotiven. Sinnbilder der Eucharistie sind Ähren, Weinranken, Weinreben und Trauben. Kreuze stellte man gerne als sogenannte lebende Kreuze dar. Seitlich wuchsen aus ihnen Knospen, Blattranken und Blüten, besonders Passionsblumen. Nicht selten begleiten im 19. Jahrhundert Inschriften in gotischer Minuskel- oder Majuskelschrift die Motive. Sorgfältig stimmte man Wort und Bild aufeinander ab.

Sticktechniken

Die barocken Paramente des späten 18. Jahrhunderts, von Libingen nach St.Gallenberg überführt und im Kloster heute noch vorhanden, sind verziert mit reicher Gold- und Silberstickerei.
Auf dem weissen oder hellen, damastseidenen Grundstoff applizierte man zudem etwa 3,5cm breite Goldborten. Die Stickerinnen führten die zum Teil reliefierte Goldstickerei mit Goldfaden und Goldlahn in Anlegetechnik aus. Auch die in der Barockzeit häufig verwendete Sprengtechnik kommt vor. Dabei werden eingelegte Musterformen aus Leder, Karton, Faden oder Tuch dicht mit Metallfäden überspannt. Dieses Stickmaterial ist entweder gesponnen und gezwirnt, oder es handelt sich um sogenannte Lahnstreifen aus flachgewalzten Metalldrähten, welche man über die erwähnte Einlage vor- und zurücklegt. Vor jedem Umfalten wird der Metallstreifen mit einem Seidenfaden auf dem Stickgrund befestigt. Bisweilen ergänzt Nadelmalerei in bunten Seidenfäden die Goldstickerei. Kelchtücher und oft auch die Pallien sind eingefasst von mehr oder weniger breiten Goldklöppelspitzen.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts finden sich Kettenstich- und Maschinenarbeit neben der Handstickerei. Noch heute steht eine Kettenstichmaschine in der klösterlichen Stickstube. Ältere Schwestern, die sie noch in Betrieb gesehen haben, bezeichnen sie als «Usringli-Maschine». Mit Kettenstich oder wie es auch hiess, mit Kurbeln liessen sich ältere, defekte Paramente flicken. Der ganze beschädigte Grundstoff wurde mit eng aneinanderliegenden Kettenstichlinien in Spiralform ausgenäht, weshalb man diese Tätigkeit auch als «Ausringeln» bezeichnete. So verschwanden die defekten Stellen und das Gewebe wurde zudem verstärkt. Ein schönes Beispiel für diese Technik befindet sich in Oberbüren, wo man eine aus dem frühen 18. Jahrhundert stammende Kasel aus kostbarem rotgoldenem Damast (Lampas lisere) auf diese Art restaurieren liess. Nicht immer war es jedoch möglich, das Grundgewebe zu retten. In solchen Fällen schnitt man die gestickten Teile aus und applizierte sie auf ein neues Gewebe.
Im 20. Jahrhundert nahm das Aufnähen von einzelnen Formen, die sogenannte Applikationsstickerei, mehr und mehr überhand. Die entsprechenden Motive entstanden auf der Hand- oder Schifflistickmaschine, oder man erwarb sie zum Beispiel bei der Firma Fraefel.

  Vorzeichnungen und Ausführung

Im Kloster Glattburg wird eine Reihe von heute gerollten Vorzeichnungen zu Stickereien aufbewahrt. Die älteste Vorlage aus barocker Zeit besteht aus mehreren Ingrespapier ähnlichen Papieren. Leider ist dieser Entwurf beschädigt. Ein handschriftlicher Hinweis deutet darauf hin, dass die Blatt- und Rosenformen für die Auszierung der Katakombenheiligen dienten. Doch könnten sie auch für Paramente verwendet worden sein.
Auf späteren Zeichnungen kommen häufig feine, ins Papier gestochene Löchlein vor. Mit Hilfe der sogenannten «Stüpflimaschine» punktierte man die Konturlinien der transparenten Vorzeichnungen mit kleinen Löchern. Mittels feinstem, durch die Löchlein durchgepresstem oder durchgeriebenem Pulver wurden die Musterformen auf den Stickgrund übertragen.
In der Klosterchronik heisst es: «Nebenbei sei bemerkt, dass man im Jahr 1874 eine Stüpflimaschine à 112.- Fr. und eine Nähmaschine a 210 Fr in der Stickerei anschaffte. Bei der Profess von Fr. M. Theresia im Jahre 1883 schenkte ihre geistliche Mutter eine neue Nähmaschine, somit dient die altere zum allgemeinen Gebrauch...» und: «Am 27. Oktober schenkte Fräulein Josefa Anderau von Gossau, Schwester unserer wohlehrw. Fr. Subpriorin M. Hildegard unserm Kloster eine ganz neue schöne Adlermaschine, die auch zum Sticken verwendet werden kann.»(28)

Aus dem 19. und 20. Jahrhundert haben sich eine ganze Anzahl von Stickereivorlagen auf transparentem Papier erhalten In manchen Fällen zeichneten die Schwestern wohl eigene Entwürfe; sicherlich orientierten sie sich an Vorlagewerken.
Zudem stellte die Firma Fraefel Vorzeichnungen zur Verfügung. Gemäss Eintragungen in den Abrechnungsheften führten die Glattburger Stickerinnen vielleicht auch auftragsweise Durchzeichnungen aus, denn von 1911 bis 1926 sind hier mehrere Beträge für «Aufzeichnen» genannt.
Die Motive einiger im Kloster aufgefundener Vorzeichnungen kommen auch als Abbildungen in den verschiedenen Auflagen von Fräfels Verkaufskatalogen vor. Ebenso finden sie sich als Photos in seinen Referenzbüchern. (29) Überall weisen gleiche Motive auch dieselben Nummern auf. Da sich in der Klostersammlung Messgewänder erhielten, deren Bildstickereien den erwähnten Vorzeichnungen entsprechen, müssen auch die Stickerei-Vorlagen aus der Firma Fraefel stammen.
____________________
28 Klosterchronik z: 1900, S. 39, und 1915, S. 119.
29 Referenzbücher der Firma Fraefel, heute im Museum der Firma Bischoff Textil AG, St.Gallen.
____________________



   

  Early Design of baroque age, end of 18th c.   Design Nr 2328 with inscription Fraefel & Co,
see example 1
       
   
  Beispiel 1: Die Zeichnung mit der Nummer 2328 ist angeschrieben mit «Fraefel & Co, St.Gallen, alle Rechte vorbehalten», sowie unten mit «Muster Glattburg». In den Verkaufskatalogen Fraefels finden sich bei der Abbildung Nr. 2328 dieselben Muster. Dreipassformen mit Passionsblüten und stilisierten Weinblättern zieren die Stäbe, und im Kreuzfeld ist ein Fisch mit dem Christussymbol «Chi-Rho» und «Alpha-Omega» wiedergegeben. Die im Kloster erhaltene und «gewöhnlich Requiem» genannte schwarze Kasel zeigt dieselbe Buchstabenanordnung.
Beispiel 2: Auf der Zeichnung steht «Delabar St.Gallen». Barocke Ranken in Herzform und Blattwerk bilden Medaillons, welche verschiedene Leidenswerkzeuge, die sogenannten Arma Christi enthalten: Dornenkrone, Kreuznägel, Würfel. Im Kreuzfeld ist ein Pelikan dargestellt. Bestellerin dieses Messgewands war Maria Delabar (1849-1930) in St.Gallen-St.Fiden.
Beispiel 3: Die Zeichnung Nr. 2129 ist unter derselben Nummer bereits in den frühesten Verkaufskatalogen von Ende 19.Jahrhundert abgebildet; 1912 ist der Preis von 715 Fr. handschriftlich notiert. Das Kaselkreuz zeigt Gott Vater, das Kreuz mit Christus haltend (Gnadenstuhl) sowie die Heiliggeisttaube. Darunter stehen Heiligenfiguren. Die Kreuzarme und der Kreuzfuss sind aussen beschriftet mit «sanctus». Auf der Vorlage ist zu lesen: «für Andwil gemacht»; die in Goldstickerei auf weissem Grund ausgeführte Kasel ist bis heute erhalten.
Beispiel 4: Die Zeichnung mit der Nummer 2653 ist bezeichnet: «für Oberbüren gemacht». Ganz ähnlich wie bei der Vorzeichnung Nr. 2129 für Andwil ist ebenfalls die Dreifaltigkeit wiedergegeben. Statt der Schriftzüge sind aber an den Kreuzarmen und am Kreuzfuss Engel abgebildet. Im Stab erscheint der heilige Bischof Ulrich, Patron der Kirche Oberbüren. Ein weiss-goldenes Messgewand nach diesem Muster wurde 1918 um 800 Franken für Oberbüren hergestellt und ist dort noch vorhanden.
Beispiel 5: Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bot Fraefel eine Kasel mit Nummer 2715 an, die auch in seinen Referenzbüchern auffallend häufig anzutreffen ist. Ein schwarzes Messgewand mit dieser Musterung gehört zur Sammlung im Kloster Glattburg. Die Verzierung des Kaselkreuzes besteht aus aufgenähten, maschinengestickten Motiven und zeigt im Zentrum eine Taube im Lorbeerkranz mit der Inschrift PAX. Nach der Überlieferung verwendeten die Schwestern zur Herstellung dieser Kasel den Stoff des Hochzeitskleids der Mutter von Sr. Hildegard Nef.
Beispiel 6: Eine Serie zusammengehöriger Entwürfe für einen Ornat trägt die Nummer 2361. Eine dieser Vorlagen gehört zu einem Pluvialschild. Es zeigt eine Heiliggeisttaube im Strahlenkranz, darunter die thronenden Gestalten von Gottvater und Christus. Sie halten ein mit Alpha und Omega beschriftetes Buch, das Symbol der Wesensgleichheit. Auf der Vorderseite des Pluviales sind in den Stäben Heiligenfiguren abgebildet. Die Abbildung eines Rauchmantels mit dieser Darstellung findet sich schon in frühen Verkaufskatalogen vom Ende des 19. Jahrhundert unter Nr. 1998, mit handschriftlich beigefügtem Preis von 884 Fr.
Sr. Benedikta Thoma schuf im frühen 20. Jahrhundert nach den Zeichnungen Nr. 2361 einen Ornat für das Kloster. Dieser besteht neben kleineren Teilen aus einem Pluviale, zwei Dalmatiken, einer Kasel und einem Velum. Die Vorzeichnungen zum Kaselkreuz und zum Medaillon des Velums weisen im Zentrum leeren Raum auf. Diesen füllte Sr. Benedikta bei der Ausführung mit einer Herz-Jesu-Bildstickerei. Das zeigt, dass sich einzelne Elemente je nach Auftrag miteinander verbinden liessen und die Stickerin Motive ihrer Wahl einfügen konnte.


   
  Stickerinnen in Glattburg

Zu den ersten mit Namen bekannten Stickerinnen gehörte Sr. Hildegard Popp von Goldach (1849-1876). Sie erlernte die Goldstickerei in München auf Wunsch von Bischof Karl Greith. Doch schrieb Spiritual Buchmann an dessen Nachfolger Augustin Egger: Die Goldstickerei ist etwas, man darf es nicht verachten, aber eine finanzielle Hufe, wie Bischof Greith sie sich dachte, ist sie nicht. Sie deckt nicht einmal ganz das Essen derer, welche sie sticken. Ein bescheidenes, .ganz untergeordnetes Mittelchen, ja, ein wirksames Mittel, nein.(30) Sr. Hildegard Popp starb 1876 mit erst 27 Jahren, kurz nach ihrer Wahl zur Priorin.
Neben Sr. Hildegard arbeitete Sr. Heinrika Galla Stäbler (1839-1895, Profess 1863) fast dreissig Jahre lang als Kunststickerin. Auch Sr. Philomena Engetschwiler (1855-1928, Profess 1878) und Sr. Antonia Löhrer (1866-1949, Profess 1889) waren tüchtige Paramentenstickerinnen. Sr. Theresia Rothenflue (1861-1902, Profess 1883) leitete, obwohl kränklich, die Stickerei mit Talent und Genie. In den letzten fünf Lebensjahren litt sie an kranken Augen.
Die Chronik beschreibt die Situation im Stickzimmer um die Jahrhundertwende folgendermassen (31): Fast wunderbar war es, als von 1896 bis 1902 Sr. M. Theresia Rothenflue die Stickerei leitete. Sie hatte sozusagen ein Auge ganz blind, und das andere zeitweise sehr krank, sie war mitunter ein bis zwei Wochen ganz blind. Als diese beste Stickerin todkrank darniederlag, klopfte eine Kandidatin bei uns an, welche eine geübte Stickerin aus dem Geschaft des Herrn Frafel war (die spätere Sr. M. Benedikta).
Die in Uznach geborene Sr. Benedikta (Marie) Thoma (1880-1946) trat 1902 ins Kloster ein. Nach der Primarschule hatte sie zunächst bei Fraefel in St.Gallen die Paramentenstickerei gelernt. Der 25. Mai 1903 war der Tag ihrer Einkleidung, ein Jahr später legte sie ihre Ordensgelübde ab. Als Leiterin der Paramentikwerkstatt erneuerte sie diese und führte sie zur grössten Blüte. Der von ihr gefertigte Ornat (Pluviale, zwei Dalmatiken und Messgewand, Velum, Stolen, Manipel, Kelchtuch) zeugt noch heute von ihrer hohen Kunstfertigkeit.
Sr. Benediktas Mitarbeiterinnen Sr. Philomena und Sr. Antonia wurden bereits erwähnt. Sr. Cäcilia Hugentobler (1870-1932, Profess 1898) stickte und nähte Paramente. Sie war besonders geschickt im Flicken, weshalb man ihr von auswärts die schwierigsten Reparaturarbeiten zusandte. Über Sr. Ottilia Müller (1872-1927, Profess 1899) heisst es, dass sie eine tüchtige und fleissige Stickerin war, erfinderischen Geistes, gewandt im Zeichnen und dass sie auch Reliquien fasste. Als jüngste ergänzte Sr. Nikola Spichtig (1883-1949, Profess 1905) die Stickgemeinschaft. Alle im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts in Glattburg entstandenen Stickereien sind auf diese sechs Schwestern zurückzuführen.
__________
30 Biographische Angaben über die Schwestern von Sr. Cäcilia Federli, aus: Schwesternbuch.
31 Klosterchronik 2: 1900, S. 39.
____________________
       
   
  Marie Thoma, textile designer, bevore entering the convent   Sr. Benedicta Thoma (1880-1946) in her later years
 
   
  Katakombenheilige und Reliquiare

Im Brauchtum der katholischen Kirche nahm einst die Schöngestaltung von Heiligenreliquien grossen Stellenwert ein. In Reliquiaren, Reliquienschreinen oder taschenartigen Gefässen (Bursen) bewahrte man grössere oder kleinere Fragmente des Knochenskelettes von Heiligen auf. Um ihnen ein ansprechendes Äusseres zu geben, wurden sie in Frauenklöstern mit Perlen, Pailletten, Metalldrähten, Wachsformen, Papierblumen verschönert oder «gefasst».
Die Gläubigen schätzten Reliquien hoch und massen ihnen segen- und heilbringende Kraft zu. Die Kirche verteidigte den Reliquienkult (32) gegenüber den Reformatoren und bestätigte noch im zweiten Vatikanischen Konzil 1962-1965 die althergebrachte Wertung.
Ein wichtiges Ereignis stellte die Wiederentdeckung der Katakomben in Rom dar: 1578 brach an der römischen Via Saleria ein Weinberg ein, wodurch die unterirdischen Grabanlagen ans Tageslicht gelangten. Daraus ergab sich eine Märtyrerverehrung grossen Ausmasses. Von Rom aus wurden vermeintliche Märtyrerleiber verschenkt. Im Gebiet der Schweiz sollen im 17. und 18. Jahrhundert mehr als 200 von ihnen zur Verehrung an Kirchenaltären niedergelegt worden sein. Hier schufen die Heiligen eine Verbindung zwischen Erde und Himmel, zwischen Grab und Glorie Gottes.
Ganze Skelette erhielten meistens die Gestalt eines stehenden oder ruhenden römischen Soldaten oder Legionsoffiziers. Die Kissen und Polster, auf welche sie zu liegen kamen, zeigen in fast allen Fällen rote Farbe, denn es herrschte die Meinung, die Gebeine stammten von Märtyrern, die um ihren Glauben Blut vergossen hätten. Diese Stoffe erhielten besondere Aufmerksamkeit und man verzierte sie mit verschiedenartigen Techniken der Gold- und Silberstickerei. Ähnlich wie auf den Messkleidern finden sich dort stilisierte Blumen, Blätterwerk, Rosen, Tulpen, Nelken, Gebilde aus Akanthusblättern und Granatäpfeln.

In den Unterbauten der Seitenaltäre der Klosterkirche St.Gallenberg sind die in roten Samt und Stickereien gefassten Katakombenheiligen Magnus und Donatus für die Gläubigen an Hochfesten sichtbar. Sr. Wiborada Zislin berichtet in der Klosterchronik (33), der heilige Magnus sei am 1. Januar 1776 durch Offizial Iso Walser geschenkt worden. Am 15. Januar 1777 wurde der heilige Donatus dem Kloster verehrt.
In Notkersegg bei St.Gallen rüstete Sr. Scholastika Suter die Katakombenheiligen Erasmus und Hyazinthus (34) aus. In den meisten Fällen sind jedoch die Herstellerinnen von Fassungen unbekannt, so auch in Glattburg. In der Chronik findet sich einzig die Bemerkung, Priorin Gertrud Wieler habe 1777-1780 den Leib des heiligen Magnus und jenen des heiligen Donatus 1786-1788 fassen lassen. Die Klosterfrauen bestickten selber den roten Samt. Ohne den Arbeitslohn zu berechnen, betrugen die Kosten für Magnus 291 fl. 36 x 3 s und für Donatus 211 fl. 58. Der Vergabungsbrief hält ausdrücklich fest, dass die heiligen Leiber Eigentum von Neu-St.Gallen in Libingen bleiben sollten zu allen Zeiten, wo immer hin dieses Gotteshaus mit der Ewigen Anbetung sollte übersetzt werden, in welchem Fall die Klosterfrauen diesen geistlichen Schatz mit sich zu nehmen das Recht und Gewalt haben.
Die Chronik (35) beschreibt in 16 Abschnitten weitere, zum Teil kleinere Partikel und Heiltümer. Die Nachschrift vermerkt: Alle diese Heiltümer sollten in unserem Gotteshaus verwahrt und verehrt werden, damit es gesegnet und von allen Feinden bewahret bleibe.
Das Kloster besitzt denn auch ausser den beiden Katakombenheiligen einen Schrein mit dem Haupt des heiligen Simplicius, 16 grössere Reliquiare aus der Zeit zwischen dem Rokoko und dem frühen 20. Jahrhundert, sowie mehrere Reliquientafeln, alle mit kunstfertig und ehrfurchtsvoll gestalteten Fassungen.
Die Rechnungshefte der Jahre 1843-1867 und 1885-1950 erwähnen bis 1914 Aufträge zur Fassung von «heiligen Leibern».
So arbeiteten 1841 drei Schwestern während 120 Tagen (zu 30 Kreuzern) an St.Peregrin aus Fischingen TG, wofür sie 447 Gulden erhielten. 1845 fassten zwei Schwestern in 145 Tagen den heiligen Theophil aus Häggenschwil SG um 266 Gulden. Fünf Monate lang dauerte die Arbeit an St.Innozenz, der heute noch in Tobel TG erhalten ist.(36) 1901 ist für ihn aus den Abrechnungsheften eine Flickarbeit ersichtlich. 1863 erfolgte die «Reparatur» (Neufassung) von St.Cölestin in Waldkirch SG für 277 Franken.(37)
Auch St.Bonifatius in Niederhelfenschwil wurde durch die Schwestern von Glattburg gefasst.
____________________
32 Braun Joseph, Die Reliquiare des christlichen Kultus und ihre Entwicklung, Freiburg i.Br. 1940.
33 Wiborada Zislin, Klosterchronik I, 25. Kapitel.
34 Festschrift 600 Jahre Kloster Notkersegg, 1381-1981, S. 121.
35 Zislin, Chronik 1, Kap. 25.
36 Thurgauer Inventar Nr. 4773.0132.
37 Die Reliquienfassungen für Fischingen, Häggenschwil und Wald-
kirch sind auch in der Zusammenstellung von Stückelberg erwähnt.
_______________________

 

St. Donatus, originally buried in the roman catacombs, lavishly decorated 1786-1788 by the sisters

   
   
  Madonna with child worked in wax, end 18th c., decoration work done in the convent   Decoration with papercut and gouache, End of 18th c.
 
 

Neben der Fassung ganzer Heiligenskelette führten die Klosterfrauen kleinere Reliquienaufträge aus. Unter anderem stellten sie 1849 für die Kathedrale St.Gallen ein Tableau der Othmarsreliquien für 40 Gulden her, 1861 für das Frauenkloster Appenzell vier Kästchen für 250 Franken, und im Jahre 1892 für denselben Konvent vier grosse Kästen zum selben Preis.
Im 20. Jahrhundert kommen nur noch als «Reliquienfassungen» bezeichnete Aufträge vor, wobei grössere Kosten auf umfangreichere Arbeiten hinweisen. 1933 lieferten die Schwestern eine solche nach Rebstein für 500 Franken. 1940 fassten sie die Reliquien der Kirche Oberbüren für 100 Franken in den noch heute vorhandenen Tafeln. Die kleinen Aufträge brachten zwischen 15 und 100 Franken ein. An der zuletzt eingetragenen Reliquienfassung von 1945 verdienten die Schwestern Fr. 76.80.


Zusammenfassende Bemerkungen

Die auswärtige Besucherin erlebt beim Eintritt in die Stickstube des Klosters St. Gallenberg eine vergangene, doch keineswegs eine vergessene Welt. Es scheint, die Stickerinnen hätten ihre Arbeitsstätte nur kurz verlassen und kehrten bald wieder, um hier weiterzusticken. Die Stube mit ihren Gerätschaften wurde in den letzten 200 Jahren ununterbrochen bewohnt und betreut. Auch heute wird hier gearbeitet, wenn auch auf anderen Gebieten als früher. Manche Erzeugnisse der Vergangenheit füllen weiterhin Schachteln und Kästen: gegen 30 Kaseln mit Zubehör wie Velum, Stola, Manipel, Bursa, Palla und anderes sind darin versorgt. Im intarsierten Schrank der Claudia von Thurn finden sich wie eh und je die gerollten, meist transparenten Vorzeichnungen. Die Kettenstichmaschine wartet in der Ecke und auch Bücher und Vorlagenwerke über Paramentikstickerei stehen griffbereit zur Verfügung. (38)
Im Archiv enthält die Klosterchronik von Sr. Wiborada Zislin Bemerkungen zu den Stickarbeiten. Der erste Band reicht bis 1781, der zweite bis 1796. Dieser wurde ab 1885 durch Spiritual P. Johann Nepomuk Buchmann weitergeführt. Die Lücke seit 1796 füllte er mit «alten» Quellen. Damit ist die Tätigkeit des Stickens im Kloster von der Gründung an lückenlos bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts belegt.
Neben der Chronik berichten weitere Dokumente über Leben und Tätigkeiten der Schwestern. Zeitlich parallel zur Klosterchronik laufen die Einträge über Stickerei-Einnahmen in den Rechnungsheften. Die Aufzeichnungen der Priorin Kreszentia Ignatia Angehrn zwischen 1841 und 1867 und die Angaben der Abrechnungshefte von 1885 bis 1950 ermöglichten das Wiederauffinden einiger Paramente. Die Ortsangaben zeigen ausserdem die Verbreitung von Stickereien aus Glattburg über weite Gebiete der Ostschweiz.
Nach dem ersten Weltkrieg werden die Angaben spärlicher. Nur selten sind die Bestimmungsorte oder die Art der ausgeführten Arbeiten genannt. Die Schwestern stickten damals wohl hauptsächlich für die Firma Fraefel & Co., der sie direkt lieferten, ohne sich um den Verkauf kümmern zu müssen.
Die aufgefundenen Dokumente ermöglichen einen Einblick in die Arbeitsabläufe. Während im 19. Jahrhundert Entwurf und Ausführung weitgehend in den Händen der Stickerinnen lagen, ergab sich mit der Beziehung zur Stickereifirma eine Zweiteilung der Aufgaben: Das Geschäftshaus in St. Gallen lieferte beste Materialien und kümmerte sich um zeitgemässe Entwurfszeichnungen. Die Klosterfrauen übertrugen die Vorlagen auf die Gewebe, auch die Anordnung einzelner Musterformen war ihnen überlassen. In der Ausführung der Stickereien entwickelten sie sich zu Meisterinnen der feinen Handarbeit. Im Laufe der Zeit wurde auch die Kettenstichmaschine zum wichtigen Hilfsmittel.
Mit all diesen Tätigkeiten nahmen die Benediktinerinnen teil an der Stickereiblüte der Ostschweiz, und ihre feinen Handstickereien gelangten über den Umkreis des Klosters hinaus, in die weite Welt.
________________________
38 Ausser den in Anm.1 erwähnten Modelbüchern finden sich zahl-
reiche, teils handschriftliche Anleitungen und Vorlagen, ausserdem
folgende Werke: vgl. Literaturverzeichnis zu Beginn dieser Webseite
____________________________
   
 

content Last revised 26 November, 2015